Rote Linien, die heute keine mehr sind: Auch wenn alle Parteien in Österreich vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl ausgeschlossen hatten, kommt es wohl nun genau dazu. Die Partei verhandelt inzwischen mit der konservativen ÖVP, nachdem die keine Koalition mit den Sozialdemokraten (SPÖ) und Liberalen (Neos) zustande brachte. Gut möglich also, dass Herbert Kickl demnächst Bundeskanzler ist. Und während sich viele Menschen im Land bereits fragen, welche Folgen das etwa in der Außenpolitik oder in Sachen Rechtsstaatlichkeit haben wird, drohen auch den österreichischen Medien viele Veränderungen. 

Allen voran der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist im Visier der FPÖ. Die Partei hatte bereits vor der Wahl versprochen, die erst kürzlich eingeführte Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild abschaffen zu wollen. Stattdessen soll der ORF aus dem Bundesbudget finanziert werden - mit deutlich weniger Mitteln als bislang. Erhält der ORF durch die Abgabe bislang jährlich rund 700 Millionen Euro, könnten es nach FPÖ-Plänen künftig nur noch 500 Millionen sein. Die Partei versprach immer wieder, den ORF zu einer Art "Grundfunk" zusammenzuschrumpfen. 

Noch ist das nicht fix, Österreich muss in seinem Haushalt aktuell eine Milliardenlücke schließen. Eine ORF-Finanzierung aus dem Bundesbudget heraus wäre daher eine zusätzliche Belastung, die es zu stemmen gilt. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hat Kickl bereits angekündigt, dass sich die geplante ORF-Reform frühestens 2026 umsetzen lasse. Das darf aber niemanden täuschen: Die Abschaffung der Haushaltsabgabe und die Verkleinerung des ORF sind ganz wesentliche Punkte in der FPÖ-Medienpolitik. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk stünden bei entsprechend weniger Mitteln die Landesstudios und einer der beiden großen Hauptsender auf dem Spiel - vor allem die Landesstudios sind aber in den Bundesländern sehr beliebt, hier regieren teilweise auch FPÖ-Politiker. 

Offen ist auch, ob sich die ÖVP auf die Abschaffung der Haushaltsabgabe einlässt, nachdem diese ja von ihr und den Grünen eingeführt wurde. Einig sind sich FPÖ und ÖVP aber darin, den ORF künftig beschneiden zu wollen. Als die ÖVP noch mit SPÖ und Neos verhandelt hat, wurden bereits einige Forderungen der Partei öffentlich. So wollen die Konservativen nicht nur den nationalen Radiosender FM4 abschaffen, sondern auch den ORF-Beitrag über 2026 hinaus einfrieren, das würde wohl zum Aus weiterer ORF-Programm führen, etwa den Spartensendern ORF Sport Plus und ORF3. Die ÖVP soll außerdem eine Fusion von ORF 3 und ORF 1 gefordert haben - auch hier könnte man sich wohl mit der FPÖ einigen.

Klar ist: Weit hergeholt sind diese Szenarien für den ORF nicht, bereits 2019 war sich die damalige ÖVP/FPÖ-Regierung weitgehend einig über einen tiefgreifenden ORF-Umbau. Gekommen ist der dann nur nicht, weil die Regierung vorher aufgrund des Ibiza-Skandals der FPÖ zerbrach.

"Kein Interesse an einer kritischen Presse"

"Wenn die FPÖ in der Regierung ist, wird es den ORF in dieser Form nicht mehr geben. Das ist etwas, das die FPÖ offen verspricht", sagte Dieter Bornemann, Journalist und Vorsitzender des ORF-Redakteursrates, bereits im Oktober des vergangenen Jahres in einem Interview mit dem NDR-Medienmagazin "Zapp". Nina Horaczek, Chefreporterin der Wiener Stadtzeitung "Falter" ging sogar noch einen Schritt weiter. Sie sagte: "Die FPÖ hat kein Interesse an einer kritischen Presse". 

Neben verbalen Attacken auf einzelne Journalistinnen und Journalisten wird es wohl auch ziemlich sicher einen personellen Umbau im ORF geben. Der Verfassungsgerichtshof hat zu Ende März 2025 Gesetzesbestimmungen für die Besetzung des ORF-Stiftungsrats als verfassungswidrig aufgehoben. Hier muss es also zwangsläufig Änderungen geben. Die Frage ist nur, wie weit FPÖ und ÖVP in der Folge gehen. Beobachter gehen davon aus, dass die Parteien die Veränderungen zum Anlass nehmen könnten, um den ORF generell personell umzubauen. Etwa weg von einem Direktorium hin zu einer Art Vorstand. Die bisherige Führung könnte dann abberufen und durch eine neue ersetzt werden. 

Einen kleinen Vorgeschmack, wie es für den ORF unter einer FPÖ-Regierung werden könnte, hat das Unternehmen bereits seit einigen Monaten. Die rechtspopulistische Partei hat im vergangenen Jahr Peter Westenthaler in den ORF-Stiftungsrat entsandt - das ist das höchste Aufsichtsgremium des Unternehmens. Westenthaler fällt seither vor allem mit harscher Kritik an einzelnen Sendungen oder Journalistinnen und Journalisten auf. Er hat zusammen mit der FPÖ sogar eine Webseite initiiert, in der vermeintliche Verfehlungen des ORF dokumentiert werden. Kritiker werfen Westenthaler vor, nicht im Sinne des ORF zu arbeiten, wozu er verpflichtet ist. Der Betroffene weist das zurück. 

Nicht nur der ORF betroffen

Aber auch über den ORF hinaus sind Veränderungen in der österreichischen Medienpolitik zu erwarten. Die FPÖ hat sich schon vor Jahren ein eigenes Medienimperium aufgebaut. Einerseits betreibt die Partei eigene, reichweitenstarke Kanäle. Daneben gibt es aber auch noch viele Alternativmedien, die die Themen der FPÖ aufgreifen und in ihrem Sinne berichten. Diese Medien waren bislang von der Presseförderung ausgeschlossen - das wollen die Rechtspopulisten ändern. Im Wahlprogramm der Partei heißt es dazu: "Die Medienlandschaft in Österreich ist durch Einseitigkeit und Unausgewogenheit geprägt. [...] Wir brauchen eine faire und transparente Förderstruktur, die die Entwicklung und Etablierung alternativer Medienkanäle ermöglicht."

Diese Formulierung zeigt: Die FPÖ hat nicht nur ein Problem mit dem ORF, sondern generell mit allen Medien, die die Partei als sogenannten "Mainstream" framt. Auch auf sie kommt eine schwere Zeit zu: Herbert Kickl hat in der Vergangenheit gleich mehrfach Einladungen von Puls4 und ATV abgelehnt, außerdem hat die Partei Journalistinnen und Journalisten der Sender verbal attackiert. Als Kickl vor wenigen Tagen eine Pressekonferenz gab, konnten Journalisten von "Profil" und der AFP nicht daran teilnehmen. Als Kickl vor wenigen Jahren Innenminister war, wies er die Landespolizeidirektionen an, die Kommunikation mit "kritischen Medien" auf ein Mindestmaß zu beschränken. Stattdessen hofiert die FPÖ mittlerweile sichtbar den rechtspopulistischen Propagandasender Auf1. 

Erst am Dienstag sorgte die FPÖ für Empörung. Anlass dafür war Berichterstattung der Tageszeitung "Der Standard". Die berichtete über heimliche Aufnahmen, in denen FPÖ-Politiker zu hören und sehen waren. Dabei zogen sie über Flüchtlinge und ihren künftigen Regierungspartner ÖVP her. Und die Reaktion der Rechtspopulisten? Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp suggerierte, man werde in der Regierung die Presseförderung für den "Standard" streichen. "5 gute Jahre, wenn es mit diesem 'Scheißblatt' endlich vorbei ist. #presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien", postete Nepp auf X.

Ein großes Thema sind in Österreich seit jeher auch Inserate von staatlichen oder anderen öffentlichen Stellen. Von diesen Werbeschaltungen profitieren vor allem Boulevardmedien überproportional stark. "Inserate durch staatliche oder staatsnahe Stellen müssen betragsmäßig begrenzt und nach einem objektiven Verfahren vergeben werden, an dem sich sämtliche Medien beteiligen können", heißt es im ORF-Wahlprogramm von 2024. Eigentlich eine sinnvolle Forderung, die Intransparenz bei der Inseratenvergabe sorgt immer wieder für Kritik. 

Pressefreiheit als rote Linie? 

Und doch kann man aus gutem Grund zweifeln an den Absichten der Rechtspopulisten. Die FPÖ setzt nicht nur auf Alternativmedien, die in ihrem Sinne berichten - sondern eben auch auf Inserate in klassischen Medien - und wenn die nicht auf FPÖ-Linie berichten, werden die Anzeigen gerne auch mal wieder gestoppt, oder zumindest damit gedroht. Vom früheren Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache existieren öffentlich gewordene Chats, die das belegen (DWDL.de berichtete). 

Eins ist klar: Jedes Vorhaben einer FPÖ/ÖVP-Regierung, das auf Medien abzielt, wird ganz genau unter die Lupe genommen - von der Öffentlichkeit, aber auch vom Bundespräsidenten. Alexander van der Bellen erklärte bereits vor einigen Tagen, als er den Regierungsbildungsauftrag offiziell an die FPÖ vergab, er habe mit Kickl explizit auch über die Freiheit der Medien gesprochen. Und auch der neue ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker hat für die Zusammenarbeit mit der FPÖ rote Linien gezogen. Eine davon ist die Pressefreiheit. Aber es bleibt abzuwarten, auf welche Inhalte sich die Parteien in den kommenden Tagen und Wochen einigen. Rote Linien haben in der österreichischen Politik zuletzt auch schon existiert. Heute gibt es einige von ihnen nicht mehr. 

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