Vor etwas mehr als einer Woche gab es eine kuriose Situation: Wegen eines Streiks im WDR wurde die "Sportschau" kurzerhand aus RTL-Studios gesendet (DWDL.de berichtete). Den Zuschauerinnen und Zuschauern ist das vielleicht gar nicht aufgefallen, weil die Berichte ganz normal liefen und optische Veränderungen nur für ein geübtes Auge zu erkennen waren. Und dennoch hat dieses Beispiel gezeigt: Der schwelende Tarifkonflikt im WDR macht selbst vor TV-Institutionen nicht Halt. In dieser Woche könnte es nun weitreichende Entscheidungen geben. 

Der WDR verhandelt mit den Gewerkschaften DJV, verdi, VRFF und Unisono nicht nur die Gehälter und Honorare für Feste und Freie, sondern seit einiger Zeit auch schon einen neuen Honorarrahmenvertrag, der für die freien Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung ist. Und hier entzündet sich der gesamte Konflikt: Während beim Geld inzwischen weitgehende Einigung herrscht, droht der Streit über den Honorarrahmenvertrag die gesamten Verhandlungen zu sprengen. 

Doch von vorne: Der WDR bietet seinen fest Beschäftigten eine Gehaltserhöhung von insgesamt sechs Prozent für 25 Monate an, hinzu kommen Einmalzahlungen von insgesamt 4.000 Euro. Dabei orientiert man sich an dem zuletzt erzielten Abschluss im SWR. Und auch wenn die Gewerkschaften eigentlich mehr als 10 Prozent Erhöhung für nur ein Jahr wollten, wird man sich hier wohl einigen können. Noch am Montag finden entsprechende Verhandlungen statt und es ist gut möglich, dass es zu Einigungen kommt. 

Crossmedialität soll Einzug in neuen Rahmenvertrag finden

Dieses Ergebnis könnte dann eigentlich auch auf die Freien umgelegt werden, doch hier steht eben der Honorarrahmenvertrag im Weg. Der WDR hatte den Gewerkschaften schon vor zwei Jahren und auch zuletzt immer wieder kommuniziert, dass man hier erst eine Lösung brauche. Man wolle keine Honorarabschlüsse auf den alten Rahmenvertrag machen, sondern einen völlig neuen aufsetzen. Die Gewerkschaften kritisieren diese Kopplung und würden gerne jetzt über eine Honorarsteigerung verhandeln - und erst später über einen neuen Rahmenvertrag. 

Der WDR lehnt das kategorisch ab und hat dafür auch einige gute Gründe. Der aktuelle Honorarrahmenvertrag ist Jahrzehnte alt, hier sind TV, Radio und Internet noch getrennt - so arbeitet man aber schon lange nicht mehr. Durch das aktuelle Regelwerk ist es außerdem möglich, dass vereinzelte Freie Honorare beziehen, die Menschen mit Einblick in den Sender als "exorbitant hoch" bezeichnen. Das ist auch deshalb möglich, weil einige eine werksbezogene Vergütung erhalten. Das heißt: Sie werden nicht nach Stunden bezahlt, sondern pro Werk. Und wenn sie dann aus einem Thema mehrere Beiträge etwa für TV, Radio und Online machen, sind das drei Werke, die auch alle gesondert vergütet werden. 

Beim WDR will man nun also verschiedene Veränderungen im Honorarrahmenvertrag durchbringen. So soll das neue Regelwerk die bereits gelebte Crossmedialität der Redaktionen berücksichtigen. Fernseh-Kollegen werden tendenziell zu gut bezahlt, Online- und Social-Media-Kollegen zu schlecht. Dieses Verhältnis will man angleichen. Und auch die Zweitfassungen, die sich aus einer Recherche ergeben, sollen weniger hoch vergütet werden. 

Große Auswirkungen auf einige Freie

Das alles betrifft nicht nur, aber vor allem die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Regionalstudios arbeiten. Im Kölner Newsroom ist das eher kein Thema, weil hier anders gearbeitet wird. So lässt sich dann auch erklären, warum in Köln die Streikquoten verschwindend gering sind, während sie in den Regionalstudios deutlich höher liegen. Für einzelne Freie in den Studios fällt eine Honorarerhöhung von bis zu 6 Prozent eben nicht so sehr ins Gewicht, wenn auf der anderen Seite durch einen neuen Rahmenvertrag plötzlich 20 Prozent wegbrechen. 

In Gesprächen mit mehreren Personen, fiel gegenüber DWDL.de immer wieder der Begriff der "regionalen Starreporter", die fürstlich für ihre Arbeit entlohnt werden. Für sie ist es angesichts dieser Situation natürlich wenig attraktiv, einer Veränderung des Honorarrahmens zuzustimmen, würden sie dadurch doch effektiv schlechter gestellt werden - und das zum Teil deutlich. Diese vergleichsweise kleine Gruppe trommelt aber sehr stark - und hat in den zurückliegenden Monaten auch den Ton in den Gewerkschaften angegeben. Weil nun aber auch die Kolleginnen und Kollegen in der Kölner Zentrale Wind davon bekommen haben, wie gut einige bezahlt werden - und sie selbst möglicherweise nicht - ist die Bereitschaft zur Solidarität entsprechend gering. 

WDR gibt sich selbstkritisch

Im WDR spricht man von einem "völlig veralteten Honorarrahmen". In einem internen Schreiben an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das DWDL.de vorliegt, schreiben die Chef-Verhandler: "Selbstkritisch können wir sagen: Wir haben (zu) lange in diesem Rahmen gearbeitet und damit zugelassen, dass sich in manchen Bereichen für einige freie Mitarbeitende Honorare etabliert haben, die wir heute so nicht mehr vereinbaren würden und vereinbaren könnten." An einigen Stellen hätten sich jedoch Tagesverdienste von 900 Euro aufwärts etabliert. "Das wollen wir eingrenzen und im Gegenzug Freie besserstellen, die heute deutlich geringere Tagessätze erhalten."

"Wir haben (zu) lange in diesem Rahmen gearbeitet und damit zugelassen, dass sich in manchen Bereichen für einige freie Mitarbeitende Honorare etabliert haben, die wir heute so nicht mehr vereinbaren würden und vereinbaren könnten."
WDR-Verhandlungsführer in einem internen Schreiben an die Belegschaft


Auch mit den Veränderungen verdiene man im WDR als freier Mitarbeitender noch immer sehr gut, heißt es von den Verhandlern. Die Freien, die durch das neue Regelwerk künftig weniger verdienen, will man absichern. So schlägt der Sender eine Übergangsregelung vor, die mindestens 85 Prozent der bisherigen Einnahmen für mehrere Jahre garantiert. Neue Kolleginnen und Kollegen erhalten dann aber direkt vom Start weg weniger. Im WDR hält man einen Abschluss vor Weihnachten jedenfalls noch für möglich - und begründet auch damit die Absage an eine Schlichtung. 

Die Gewerkschaften wollten eigentlich eine Schlichtungsstelle mit der ganzen Sache beauftragen. Ähnlich wie der SWR lehnte aber auch der WDR ab - nur dass in NRW die Situation noch etwas komplexer ist. "Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass diese [Schlichtung, Anm.] nicht zu einer schnellen und guten Lösung führen würde – die brauchen wir aber, für die Mitarbeitenden und auch für einen zukunftsfähigen WDR", schreiben die Verhandlungsführer an die Belegschaft. 

Endspurt in dieser Woche

Ob man sich noch in diesem Jahr, also effektiv noch bis zum Ende dieser Woche, einigt, ist schwer abzusehen. Auch die Gewerkschaften untereinander sind sich nicht in allen Punkten einig, vertreten aber auch unterschiedliche Gruppen. Innerhalb von verdi, DJV, VRFF und Unisono wird aktuell über die jüngsten WDR-Angebote gesprochen, parallel dazu sprechen die Tarifparteien über mögliche Termine zu Gesprächen rund um den Honorarrahmenvertrag - nach DWDL.de-Informationen könnte es hier ab Mitte der Woche weitergehen. Aber auch das hängt wohl nicht zuletzt von den Ergebnissen ab, die an diesem Montag in den Gehaltsverhandlungen erzielt werden. 

Nach zwei Jahren laufender Verhandlungen sieht es nach so etwas wie Endspurt aus. Ausgang ungewiss - zumindest aktuell sind aber keine weiteren Streiks angekündigt. Das kann sich naturgemäß schnell ändern - und am kommenden Samstag steht immerhin die letzte "Sportschau" des Jahres an. Wo die produziert wird, dürfte dann auch einen Aufschluss über das Ergebnis der Verhandlungen in dieser Woche geben.