Kurz nachdem Matthias Dang 1993 bei der IP Deutschland seine Karriere im RTL-Kosmos begann, hielt man es auf der Programmseite für eine wahnsinnig tolle Idee, Frank Elstner und das Studio einer TV-Quizshow in ein Flugzeug zu verlegen - und samt Kandidatinnen, Kandidaten und Publikum abzuheben. Willkommen bei „Flieg mit Air-TL“. Nach drei Folgen war dieser allein schon akustisch schwer zu ertragende Quatsch beendet. Und doch: Die Neugier auf diese Sendung war enorm, das Medium Privatfernsehen auf der Höhe des Experimentierens. Stolze sieben Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer wollten die erste Show nicht verpassen.

Matthias Dang hatte nun damals wenig mit dieser Show zu tun, die Show aber umso mehr mit ihm: Der reine Wahnsinn, so eine Show überhaupt auszuprobieren - sinnbildlich für die Zeiten, in denen das Privatfernsehen der größtmögliche Zirkus in einer TV-Manege war, die  abendlich fast konkurrenzlos in allen Wohnzimmern öffnete. Vor Kraft strotzend und gleichzeitig so abenteuerlich. Ein Medium in seiner maximalen Experimentierphase zog Talent an. Mit dem latenten Verlangen sich im noch jungen dualen Rundfunk einen festen Platz neben den Öffentlich-Rechtlichen zu erkämpfen, war das dann mehr Berufung als Beruf.

Sich dieser Umstände zu erinnern, erklärt viel in der Karriere von Matthias Dang bei RTL Deutschland. Sein weiterer Aufstieg bei IP Deutschland (heute AdAlliance) folgte in den 2000ern, parallel zum Aufstieg von Anke Schäferkordt bei der Mediengruppe RTL Deutschland. Weniger Experimente, mehr Erfolg. In mehreren Positionen - als Verkaufschef und Marketingleiter - wurde Dang zu einem in der Branche geschätzten Aushängeschild des Unternehmens. Beruflich stets in der TV-Werbung zuhause, war er dabei jedoch nie entkoppelt von den Inhalten, was ihm neben der verbindlichen Art und Neugier für das Gegenüber eine Glaubwürdigkeit verlieh, die nur noch selten anzutreffen ist in dieser Branche.

2009 stieg Dang auf in die Geschäftsführung von IP Deutschland, kurz vor dem mehrfach verschobenen Umzug in das Sendezentrum in Köln-Deutz. Es folgten die erfolgreichsten Jahre der Mediengruppe RTL Deutschland, die zeitgleich erstmals als solche sichtbar wurde und geschlossener im Markt agierte. Auf der Höhe dieses Erfolgs nicht nur an morgen, sondern gar übermorgen zu denken: Matthias Dang kämpfte eben nie nur für den aktuellen eigenen Verkaufserfolg. Was ihn umtrieb, das spiegelte sich in fast jedem Treffen, war die Zukunft der Branche. Schon 2010 setzte die Mediengruppe RTL Deutschland damals auf die neue erweiterte Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen.

Wohlgemerkt 2010, vor 14 Jahren. Auf Dangs Initiative konnten damals mit der ARD und Tele 5 sogar weitere Marktteilnehmer für diesen erweiterten Blickwinkel gewonnen werden - auch DWDL.de wies über Jahre hinweg zusätzlich die erweiterte Zielgruppe aus. Doch die Weitsicht von Dang spiegelte sich nur wenige Jahre später nicht im Tagesgeschäft der Programmkolleginnen und -Kollegen. Aus Gewohnheit und Vergleichbarkeit häuften sich seit 2016 intern wieder Präsentationen und Planungen auf dem bekannten Standard der 14- bis 49-Jährigen. Daily Business schlug Dangs Weitsicht, so dass man vor zwei Jahren nochmals einen gänzlich neuen Anlauf nahm als hätte man es im Haus nicht schon einmal probiert. Diesmal allerdings, ging RTL Deutschland im Alleingang voraus.

Bei der RTL Group liebt man bekanntlich die Deutung, dass TV nicht für das vermeintlich altbackene Television sondern viel mehr Total Video steht. Bei IP Deutschland übersetzte sich das in einem Rebranding der eigenen Roadshow für Agenturen und Werbekunden, das zwischenzeitlich unter Fourscreen frühzeitig - noch vor der Ankunft des Streamingbooms in Deutschland - die neue Vielfalt der Screens berücksichtigte. Immer wieder Innovation auch in den Produkten, selbst wenn manche davon mal zu früh oder zu ambitioniert waren. Als Vordenker für die Branche war das Team um Matthias Dang dann auch ein Treiber dabei, aus dem schnöden TV-Wirkungstag mit den Screenforce Days wieder einen Gattungsevent zu schaffen, der mit mehr Stolz und vorallem mehr Lust das Medium verkauft.

„Das ist doch geil, oder?“, sagte Matthias Dang strahlend in einer Pause des Screenforce Festivals im vergangenen Juni. Es war schon so etwas wie eine erste große Abschiedsfeier eines branchenweit geschätzten Vermarkters. Vielleicht fiel sein Urteil auch deshalb ein bisschen beseelter aus. Aber man möchte ihm nicht widersprechen. Endlich wieder ein bisschen fühlen wie früher. Die Turbulenzen in den Jahren zuvor nachdem Anke Schäferkordt per Dolchstoß aus dem Hause gedrängt wurde, trieben manche seltsame Blüten. In jener Zeit als man in Hamburg noch glaubte Gruner+Jahr würde mit RTL Deutschland unter Gleichen fusionieren, fand sich Dang plötzlich in einer undankbaren Führungsrolle an der Seite von Stephan Schäfer wieder.

Immerhin kannte sich einer von beiden mit Fernsehen aus. In dieser Zeit wurde Matthias Dang für die Belegschaft von RTL Deutschland zum Rettungsanker in Zeiten der Ungewissheit. Doch gedankt wurde es Dang nicht. Als Bertelsmann-Chef Thomas Rabe sich kurzerhand fürs Durchregieren entschied, wurde der bis dahin als Co-CEO von RTL Deutschland agierende Matthias Dang an die Seitenlinie gestellt. Nicht überraschend, dass in diesen Zeiten leise aber stetig die Erkenntnis gereift sein mag, dass es nach dreißig Jahren in der Branche auch Zeit sein könnte für eine Pause. Vielleicht etwas Neues. Noch einmal verlängerte er als Stephan Schmitter dann als neuer CEO bestimmt wurde. Das sollte es dann aber auch sein.

In diesen Tagen küren wir beim Medienmagazin DWDL.de wieder die Bildschirmheldinnen und -helden der vergangenen zwölf Monate. Über RTL Deutschland hinaus wird die Branche, gar die Konkurrenz zustimmen: Die Verdienste des Matthias Dang um die Fernsehbranche sind nochmal größer, erstreckend sich über Jahrzehnte, und dabei hat er aus Liebe zum Medium nie vergessen wofür er als erster Verkäufer des Hauses kämpft. Dang, ein Vermarkter mit Herz für Inhalte. Fürs erste ist es ein Abschied. Aber es ist unstrittig: Ganz loskommen von dieser Branche? Das kann ein Matthias Dang gar nicht. Die graue Eminenz bleibt werberelevant.