In den vergangenen Monaten ging es in Sachen Rundfunkreform durchaus hoch her: Die Medienpolitik legte sich mächtig ins Zeug, um möglichst schnell umfassende Neuerungen auf den Tisch zu bringen. Diese angedachten und in einem Referentenentwurf festgehaltenen Reformen wurden in der Folge dann aber wieder massiv abgeschwächt, sodass nun ein Kompromisspapier steht. Auf die künftige Finanzierung von ARD und ZDF hatte man sich zuletzt aber nicht einigen können - und das Thema auf Dezember vertagt. Weil dadurch auch der Rundfunkbeitrag nicht mehr wie von der KEF empfohlen zum 1. Januar 2025 steigen kann, zogen die Öffentlich-Rechtlichen vor das Verfassungsgericht - sehr zum Missfallen der Politik, die in Teilen versucht, ihr eigenes Versagen in dieser Frage auf die Anstalten abzuwälzen (Mehr dazu hier). 

Nun gibt es in Sachen Rundfunkfinanzierung einen Tag der Wahrheit: Am Donnerstag, den 12. Dezember, treffen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, um darüber zu entscheiden, wie man den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ändern kann. Das ist nicht uneigennützig: Zuletzt war das (von der Politik einst selbst beschlossene) Verfahren so kaputt, dass die Länder vom Bundesverfassungsgericht einen lupenreinen Verfassungsbruch attestiert bekamen. Diese anhaltende Peinlichkeit abzustellen ist auch im Interesse der Politik.

Im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz klären wir die wichtigsten Fragen.  

Worum geht es?

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten müssen darüber entscheiden, ob es künftig einen neuen Finanzierungsmechanismus für die Öffentlich-Rechtlichen gibt. Ein Modell liegt bereits in der Schublade, es wurde in den vergangenen Wochen im Länderkreis erarbeitet, innerhalb der Rundfunkkommission hat man sich bereits darauf geeinigt. DWDL.de berichtete vor einigen Tagen exklusiv über die wesentlichen Punkte: Statt der Zustimmung durch die Landesparlamente soll es künftig aktiven Widerspruch benötigen, um die KEF-Empfehlung infrage zu stellen - sofern diese eine Erhöhung von weniger als 5 Prozent vorsieht. Dabei setzt man auf ein gestaffeltes Widerspruchsmodell. 

Die Details: 

  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 0 und 2 Prozent, müssen 3 Länder widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 2 und 3,5 Prozent, müssen 2 Länder widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 3,5 und 5 Prozent, muss 1 Land widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung über 5 Prozent, ist in jedem Fall eine staatsvertragliche Festsetzung erforderlich (aktuelles Verfahren)

Finden sich genügend Länder für einen Widerspruch, der ja auch erst einmal intern in der jeweiligen Regierungskoalition abgestimmt werden muss, geht’s zurück in das aktuelle Verfahren, wo alle 16 Parlamente zustimmen müssen. Dass das dann passiert, ist unwahrscheinlich, wenn zuvor schon Widerspruch eingebracht wurde. Damit würden sich die Länder wieder in die aktuelle Situation bringen, in der sich ARD und ZDF gezwungen sahen, vor das Verfassungsgericht zu ziehen. 

Ist mit einer Einigung zu rechnen? 

Nein, sicher ist das nicht. Die Öffentlich-Rechtlichen und speziell die Fragen der Finanzierung sind ein heikles, weil hochpolitisches Thema. Die von ARD und ZDF angekündigte Verfassungsbeschwerde wegen der Nicht-Erhöhung des Rundfunkbeitrags hat für reichlich Missmut bei einigen Ländern gesorgt. Es ist durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich, dass angesichts dieser Situation die Reform des Finanzierungsmechanismus scheitert bzw. ein weiteres Mal aufgeschoben wird, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Peinlich wäre das in erster Linie erneut für die Politik, denn die Verfassungsbeschwerde zum Rundfunkbeitrag und das neue Finanzierungsmodell haben nichts miteinander zu tun.

Und klar ist auch: Gibt es keine Einigung, wird die Kompetenz der Rundfunkkommission untergraben. Dort sitzen die Länder ja schon heute zusammen und besprechen wichtige Fragen der Medienpolitik - und genau in dieser Runde hatte man sich bereits auf das neue Finanzierungsmodell geeinigt, übrigens einen Tag nach der angekündigten Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF. Ziehen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jetzt nicht mit, wäre das auch ein Misstrauensvotum gegen die eigenen Verhandler in der Rundfunkkommission. 

"Das stellt alle Bemühungen um ein neues geordnetes Verfahren zur Ermittlung des Rundfunkbeitrags infrage", erklärte Bayerns Medienminister und Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nichtsdestotrotz nach Bekanntwerden der Verfassungsbeschwerde. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte sich zuletzt immer wieder mit Kritik an ARD und ZDF hervorgetan. Gegenüber DWDL.de will sich die Bayerische Staatskanzlei nicht zum Abstimmungsverhalten Söders am 12. Dezember äußern. 

Ein weiteres Land, das potenziell als Querschießer gilt, ist Sachsen-Anhalt. An diesem Land ist bereits die Beitragserhöhung 2021 gescheitert und auch in den vergangenen Monaten äußerte sich Ministerpräsident Reiner Haseloff immer wieder kritisch - selbst zu den beschlossenen Reformen (DWDL.de berichtete). Einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags wird Haseloff wohl auf keinen Fall zustimmen - dafür gibt’s im Landtag ohnehin keine Mehrheit. Aber auch das neue Finanzierungsmodell könnte scheitern. 

Was passiert mit dem Reformstaatsvertrag? 

Scheitert die Einigung auf ein neues Finanzierungsmodell, könnten auch die im Oktober beschlossenen Reformen wieder auf der Kippe stehen. Es gibt in der Politik durchaus Stimmen, die sagen, man müsse Reformen und Finanzierungs-Novelle im Paket verabschieden. Das ist vor allem ein Druckmittel, um Länder mit Blockade-Haltung zu Kompromissen zu zwingen. Andererseits: Sollte der Reformstaatsvertrag jetzt nicht zur Ratifizierung in die Landesparlamente gegeben werden, vergehen wieder viele Monate, in denen überhaupt keine Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen stattfinden. Das kann die Politik eigentlich nicht wollen. 

Und was ist mit dem Rundfunkbeitrag?

Das neue Finanzierungsmodell und die Höhe des Rundfunkbeitrags ab 2025 sind zwei Themen, die unabhängig voneinander sind. Theoretisch könnten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Donnerstag auch beschließen, sich an die KEF-Empfehlung zu halten. Diese sieht bekanntlich eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro vor. Das ist aber eben vor allem eins: Theorie. Markus Söder und Reiner Haseloff haben sich in den vergangenen Monaten schon so oft gegen eine Erhöhung ausgesprochen, dass sie jetzt gar nicht mehr ohne Gesichtsverlust zurückrudern können.  

Sollten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Erhöhung wider Erwarten doch zustimmen, würde der Beitrag nicht sofort zum 1. Januar steigen. Erst müssen noch die 16 Landesparlamente der Erhöhung zustimmen. Und das wird sicher nicht mehr in diesem Jahr stattfinden, daher wird der Rundfunkbeitrag auch zu Beginn des neuen Jahres bei 18,36 Euro liegen. Das ist auch der Grund, weshalb ARD und ZDF vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind. In einigen Parlamenten gäbe es aktuell wohl ohnehin keine Mehrheit für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags - hier können die Länder aber nur unter bestimmten Bedingungen von der KEF-Empfehlung abweichen. Erschwerend kam zuletzt hinzu, dass in drei ostdeutschen Ländern erst noch mögliche Koalitionen ausgelotet bzw. Regierungen gebildet wurden - da blieb bislang schlicht keine Zeit, sich mit der Frage des Rundfunkbeitrags und der eigenen Haltung dazu auseinanderzusetzen. 

Im Länderkreis kursierten zuletzt sehr konkrete Planungen, nach denen man den Rundfunkbeitrag nicht erhöhen wollte. Dafür sollten ARD und ZDF aber mehr Geld als bislang aus den bestehenden Rücklagen entnehmen dürfen. Die KEF sollte dann 2026 schauen, wie viel die Reformen gebracht haben - und eine entsprechend neue Beitragsempfehlung aussprechen. Das ursprüngliche KEF-Verfahren hätte man so freilich natürlich trotzdem unterlaufen. 

Was macht das Bundesverfassungsgericht?

Die Gretchenfrage! Vor wenigen Jahren, als Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert hatte, entschied das Bundesverfassungsgericht erst nach mehreren Monaten über die Beschwerde der Öffentlich-Rechtlichen. Der Rundfunkbeitrag stieg damals im August 2021 - statt zu Jahresbeginn. Gut möglich, dass es auch jetzt wieder einige Wochen oder sogar Monate dauern wird, bis sich Karlsruhe zu einer Entscheidung durchringt. 

Spannend dürfte die Frage sein, ob das Gericht, sollte es die Erhöhung anordnen, das auch rückwirkend beschließt. 2021 erfolgte keine rückwirkende Erhöhung, was bei den Öffentlich-Rechtlichen zu zusätzlichen Einsparungen führte - größere Einschnitte waren dadurch aber nicht nötig. Weil sich an der Situation im Vergleich zu 2021 wenig verändert hat und auch die Politik bislang keine schlüssigen Argumente vorgelegt hat, wieso man einmal mehr gegen das Verfahren verstößt, das man einst selbst beschlossen hatte, ist davon auszugehen, dass die Verfassungsrichter ARD und ZDF grundsätzlich recht geben. Möglicherweise geben die Richter der Politik auch einen Hinweis, wie man das aktuelle Verfahren vereinfachen könnte, damit KEF-Empfehlungen nicht ständig nach Karlsruhe gehen. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass die Einigung auf ein neues Finanzierungsverfahren ausbleibt. 

Was machen ARD und ZDF? 

Die Anstalten sitzen zum aktuellen Zeitpunkt lediglich als Beifahrer im Boot. Zumindest in der Frage des künftigen Finanzierungsmechanismus können sie nur von der Seitenlinie aus zuschauen und beobachten, was die Politik beschließt. In den Sendern wird man hoffen, dass das neue System, sollte es beschlossen werden, dazu führt, dass KEF-Empfehlungen künftiger leichter in Recht und Gesetz übergehen. 

Für die entsprechenden Finanzplanungen 2025 fahren die Anstalten übrigens unterschiedliche Strategien. Während das ZDF und auch die meisten ARD-Anstalten in ihrem Wirtschaftsplan für das kommende Jahr von einem erhöhten Rundfunkbeitrag von 18,94 Euro ausgehen, plant der NDR vorerst mit 18,36 Euro (DWDL.de berichtete). Die Anstalten, die schon jetzt mit 18,94 Euro planen, wollen das fehlende Geld zunächst durch liquiden Mittel bzw. Rücklagen kompensieren. Das wird, je nach Anstalt und Dauer des Überbrückungszeitraums, aber nicht ewig funktionieren können. Vor allem die kleineren ARD-Anstalten sind massiv auf eine schnelle Erhöhung des Rundfunkbeitrags angewiesen. 

Die Frage des Zeitpunkts der Verfassungsbeschwerde wirft allerdings tatsächlich einige Fragen auf. ARD und ZDF hätten ohne Not auch noch die Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Dezember abwarten können - und dann nach Karlsruhe gehen können. Das Hauptsacheverfahren wird ohnehin nicht schnell entschieden. So hat man jetzt noch einmal weite Teile der Medienpolitik gegen sich aufgebracht - inklusive der Länder, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich zugewandt gegenüberstehen. Das hat es wahrscheinlicher gemacht, dass die Ministerpräsidentinnen und Minitserpräsidenten am Donnerstag einfach gar nichts entscheiden in Sachen Finanzierungs-Novelle. 

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