Kaum mehr als ein Jahr ist es her, dass der Regionalsender rheinmaintv sein 20-jähriges Jubiläum feierte. Nach einer großen Feier dürfte der Belegschaft aber schon damals kaum zumute gewesen sein, denn rheinmaintv steckte in einer wirtschaftlichen Krise, weil die Werbeflaute, unter der schon die großen Sendergruppen ächzten, dem kleinen Kanal mit Sitz in Frankfurt-Rödelheim erst recht zu schaffen machte, und die hohen Kosten für die wichtige Verbreitung via Satellit kaum noch aufzubringen waren.

Das neue Jahr begann schließlich, nur wenige Wochen nach dem runden Geburtstag, mit einem Insolvenzverfahren, dessen Ausgang lange offen war. Groß war nicht nur die Sorge vor der drohenden Einstellung des Sendebetriebs, sondern auch vor einem möglichen Einstieg von Dursun Yigit, jenem Mann, der nach eigenem Bekunden aus dem Lokalsender TV Berlin einen Sender für die "schweigende Mehrheit" formen will und Gästen wie dem Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen oder Stefan Magnet, dem Chef des rechten österreichischen TV-Senders Auf 1, eine Plattform bietet.

Entsprechend groß war die Erleichterung als der Insolvenzverwalter im April einen vermeintlichen Erlöser aus dem Hut zauberte. Ilkem Sahin, Geschäftsführer der türkischen IS Holding, inszenierte sich als Retter von rheinmaintv. "Wir wollen rheinmaintv als wichtige Säule der regionalen Medienversorgung erhalten und weiter ausbauen", erklärte er damals vollmundig und versprach neben bewährten Formaten auch "neue Angebote für die zahlreichen Zuschauer". Saskia Winkelmann wiederum, damals noch Geschäftsführerin des Senders, versprach, auch künftig "spannende Nachrichten aus der Region und interessante Beiträge aus den Bereichen Information, Wirtschaft, Sport und Lifestyle senden" zu wollen.

Es klang nach Euphorie und Aufbruchstimmung. Doch nun, sieben Monate später, ist davon nichts mehr zu spüren. Schnell mussten Winkelmann und ihr Team feststellen, dass die Worte des neuen Eigentümers, der hierzulande auch die Lizenzrechte an den Fast-Food-Marken Kentucky Fried Chicken und Pizza Hut hält und gerade erst den Deutschland-Start der Tex-Mex-Kette Taco Bell verschieben musste, nur leere Versprechen waren.

Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen

Von den erhofften Investitionen war bei rheinmaintv jedenfalls nichts zu spüren: Während auf der einen Seite von einem Umzug in das edle Palais Thurn und Taxis in der Frankfurter Innenstadt die Rede war, wurden auf der anderen Seite, so berichten es Mitarbeitende gegenüber DWDL.de, Sozialversicherungsbeiträge oder Redaktionsautos nicht mehr bezahlt. Auch freie Mitarbeiter und Moderatoren sollen plötzlich kein Geld mehr bekommen haben. Die "Wirtschaftswoche" berichtete jüngst gar von einem "Klima der Angst" und "Einschüchterungen", denen sich die Belegschaft ausgesetzt sah.

Das Publikum von rheinmaintv sieht inzwischen hingegen gar nichts mehr, denn am 1. November wurde die Verbreitung via Satellit abgeschaltet, nachdem das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Selbst die Website war zwischenzeitlich nicht mehr erreichbar und wurde inzwischen auf einer .com- statt .de-Domain aus der Türkei eilig nachgebaut. Wer darauf klickt, sieht nicht nur ein inzwischen gut zwei Wochen altes Video, in dem eine Volontärin eine Sportsendung moderiert, sondern auch eine falsche Firmenbezeichnung im Impressum.

Dort ist übrigens auch Saskia Winkelmann noch immer als Geschäftsführerin aufgeführt, obwohl diese vor Wochen auf eigenen Wunsch gekündigt hat, wie sie auf DWDL.de-Nachfrage bestätigt. Glücklich ist sie mit der jüngsten Entwicklung nicht. Was Ilker Sahin nun plant, darüber schütteln auch die verblieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur mit dem Kopf. Erst recht, seit Huseyin Yilmaz, ausgerechnet ein Nachrichtenmann des türkischen Staatsfernsehens TRT, nach Winkelmanns Abgang zeitweise beauftragt worden sein soll, einen Workshop zur "Neupositionierung" des Senders abzuhalten – offenbar mit dem Ziel, künftig auch türkischsprachige Nachrichten anzubieten.

Medienanstalt und Politik halten sich zurück

Die hessischen Medienhüter beobachten den Vorgang bislang mit einiger Zurückhaltung. Auf DWDL.de-Nachfrage erklärte ein Sprecher der Medienanstalt Hessen, man sei von der RheinMain TV GmbH "über die vorübergehende Einstellung der Verbreitung über die gewohnten Distributionswege informiert" worden. "Sie hat zudem mitgeteilt, dass eine Wiederaufnahme in Planung sei. Die Medienanstalt beobachtet aktuelle Entwicklungen aufmerksam. Zudem ist die Veranstalterin dazu gehalten, die Medienanstalt über neue Sachstände unverzüglich in Kenntnis zu setzen."

Ein Lizenzentzug ist bislang aber offensichtlich kein Thema. Einen solchen Widerruf sehe das Hessische Gesetz über privaten Rundfunk und neue Medien nur in bestimmten Fällen vor. "Dies ist beispielsweise möglich, wenn ein Programm länger als ein Jahr nicht verbreitet wird, aber auch, wenn die Programmkategorie, das Programmschema, die Programmdauer oder die Beteiligungsverhältnisse der Rundfunkveranstalterin oder des Rundfunkveranstalters ohne Genehmigung der Medienanstalt geändert werden", so der Sprecher der Medienanstalt zu DWDL.de.

Ob es wirklich noch einmal die Chance auf einen Neuanfang gibt, ist völlig ungewiss. Aus der Politik kann rheinmaintv aber vermutlich nur wenig Unterstützung erwarten, auch wenn sich Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kurz vor der hessischen Landtagswahl im vorigen Jahr noch als großer Unterstützer des privaten Rundfunks inszenierte. Er wisse, mit welchen Problemen rheinmaintv kämpfe, sagte er damals in einem Interview mit dem Sender. "Deswegen", so Rhein damals, "können Sie sich darauf verlassen, dass das Thema bei mir Chefsache werden wird." Ein Lippenbekenntnis, wie man heute weiß. Kurze Zeit später rutschte rheinmaintv in die Insolvenz.