Es war Juli 2023 als im Rahmen der Anmeldung des Vorhabens beim Bundeskartellamt die Pläne von RTL Deutschland und RTLzwei bekannt wurden, die Werbevermarktung des Einzelsenders aus Grünwald an die Kölner Ad Alliance abzugeben. Seit 2004 lief die Vermarktung von RTLzwei über den hauseigenen Vermarkter El Cartel Media, der seit seiner anarchischen Gründungsidee versuchte, sich als Nr. 3 unter den deutschen TV-Vermarktern zu etablieren. Für einen Ein-Kanal-Vermarkter wurde dies zu einer Herausforderung und das nicht erst heute, auch schon zu Zeiten der Fragmentierung des TV-Marktes. Wo andere Anbieter Ausweichflächen und Zielgruppenvielfalt über mehrere Sender anbieten konnten, war der Spielraum bei RTLzwei begrenzt. Ein Umstand, mit dem es sich zu arrangieren galt.
Eine Rückkehr zur Ad Alliance galt lange als unmöglich, wenn die Wettbewerbshüter den linearen TV-Werbemarkt isoliert für sich betrachten würden. Mit dem seit Frühjahr 2023 schwächelnden Werbemarkt verschärfte sich die Situation in Grünwald. Die Gesellschafter von RTLzwei, u.a. RTL Deutschland, erhoffen sich von einer Vermarktung durch die Ad Alliance Synergien, wagten daher im Sommer vergangenen Jahres den Anlauf beim Bundeskartellamt - in der Hoffnung, dass dies einer zeitgemäßeren Definition des Bewegtbild-Werbemarktes folgt und angesichts neuer Konkurrenz durch YouTube, Instagram, TikTok und Co. eine Konzentration auf dem linearen TV-Markt kein K.O.-Kriterium mehr sei.
Seit der Anmeldung des Vorhabens im Juli 2023 heißt es nun: Warten. Am 6. November vergangenen Jahres der erste Rückschlag aus Sicht der RTLzwei-Gesellschafter, die das Vermarktungsmandat gerne ändern würden. Weil noch keine Entscheidung des Bundeskartellamts vorlag und man nicht länger warten konnte, um die Vermarktung der Werbeplätze ab Januar des Folgejahres nicht zu torpedieren, erhielt El Cartel Media für 2024 nochmals das Vermarktungsmandat für RTLzwei.
Im Sommer erklärte das Bundeskartellamt auf Anfrage von DWDL.de, dass man sich nach wie vor im Gespräch mit den Unternehmen befinde. Da es sich nicht um eine Fusion handelt, gebe es aber kein entsprechendes Kontrollverfahren mit bestimmten Fristen. "Die Unternehmen stellen uns ihre Vorstellungen und Pläne vor und wir bewerten diese kartellrechtlich", hieß es von einem Sprecher des Kartellamts. "Dieser Prozess ist aktuell noch nicht abgeschlossen." Das lässt Bedenken vermuten, andernfalls wären inzwischen mehr als 16 Monate Prüfung auch kaum zu erklären.
Weitere Monate vergehen. Vergangene Woche kam dann der 6. November. Jener Tag, an dem man vor einem Jahr entschieden hat, aufgrund der Dringlichkeit und nötigen Planungssicherheit - auch übrigens für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von El Cartel Media - das Vermarktungsmandat für RTLzwei vorerst noch für ein weiteres Jahr bei El Cartel zu belassen. In diesem Jahr steht eine Entscheidung bislang aus. Sowohl bei RTLzwei als auch RTL Deutschland pokert man offenbar auf eine absolute Last Minute-Entscheidung des Bundeskartellamts, sonst hätte man wie im Vorjahr schon die Reißleine gezogen.
"Wir warten unverändert auf die Entscheidung des Bundeskartellamts. Über unsere aktuellen Planungen können wir derzeit keine Aussage treffen. Die Vermarktung von RTLzwei ist in jedem Fall in gewohnter Qualität gesichert", erklärt ein Sprecher des Senders in Grünwald gegenüber DWDL.de. Und bei RTL Deutschland teilt eine Sprecherin mit: "Aktueller Stand ist, dass die Übernahme des Vermarktungsmandats von RTLzwei weiter vom Kartellamt geprüft wird. Wir hoffen selbstverständlich weiterhin auf eine positive Entscheidung des Bundeskartellamtes. Bis zur endgültigen Entscheidung möchten wir uns zu weiteren Details nicht äußern. Wir bitten dafür um Verständnis."
Was geduldig klingt, ist in Wahrheit alles andere als das. Bei El Cartel Media zittern schließlich erneut wenige Wochen vor Weihnachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihren Job, gleichzeitig muss dort aber vorerst die Vermarktung fürs kommende Jahr anlaufen und bei der Ad Alliance in Köln wiederum muss Vorsorge getroffen werden, falls doch in letzter Minute grünes Licht kommt. Unwahrscheinlich aber bei dem immer kürzer werdenden Vorlauf, dass die Ad Alliance schon zum Stichtag 1. Januar 2025 die komplette Vermarktung übernehmen wird. Eine Situation, die insgesamt nicht hilfreich ist für RTLzwei, den Einzelkämpfer unter den großen deutschen Fernsehsendern.
Einmal mehr wird das Bundeskartellamt zum Bremsklotz der deutschen Medienbranche; eine Erfahrung, die sowohl private wie auch öffentlich-rechtliche Medienhäuser in den vergangenen gut zehn Jahren mehrfach machen mussten. Mehrere Projekte der Zusammenarbeit bei Streamingprojekten oder aber Übernahmen im deutschen Markt scheiterten an einer wiederholt gestrigen Auslegung des Wettbewerbsumfelds, mit dem das deutsche Bundeskartellamt allerdings auf Linie ist mit Entscheidungen in Frankreich und den Niederlanden. Wiederholt wirkte es als würde bei den Wettbewerbsverhütern die neue Konkurrenzsituation im Bewegtbildmarkt durch globale Player nicht berücksichtigt - und selbst 2024 den lineare TV-Markt singulär für sich betrachtet, während Prime Video, Netflix und Disney ihre Werbevermarktung im Streaming ausbauen.