Was einst mit "Big Brother" und dem Dschungelcamp begann, hat sich längst verselbstständigt. Das Reality-Genre boomt mehr denn je - allen voran im Streaming und ganz besonders bei RTL+, wo man inzwischen über das ganze Jahr hinweg so viele Formate verteilt, dass es vermutlich selbst den hartgesottensten Reality-Fans zunehmend schwer fallen dürfte, den Überblick zu behalten.

Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass in diesem Jahr erstmals die "Reality-Awards" verliehen werden sollen. Die Gala soll am 7. Dezember in den Kölner MMC-Studios stattfinden und mit dem "das Who's Who der Reality-TV-Welt" aufwarten. So verspricht es zumindest RTL, das hinter der Veranstaltung steht und die Show nicht nur auf seinem Streamingdienst RTL+ zeigen wird, sondern praktischerweise auch noch von der eigenen Tochter RTL Studios produzieren lässt.

Der Blick auf die Kategorien, über deren Preisträger das Publikum seit einigen Tagen abstimmen kann, bringt dabei erstaunliche Blüten zum Vorschein. Neben Preisen für den "lustigen Realitystar des Jahres" oder den "Reality-Host des Jahres" lässt RTL unter anderem über die "Sexytime des Jahres" und den "Beef des Jahres" abstimmen. Nicht minder skurril auch der Preis für den "Faker des Jahres", weil hier offenkundig die Maßstäbe verrutscht sind: Während die Nominierungen des üblichen Reality-Personals das Hintergehen gewissermaßen salonfähig machen, wirkt die Berücksichtigung von "Verrräter"-Siegerin Anna Carina Woitschak hingegen schon alleine deshalb kurios, weil das Lügen in dieser Show doch erklärtermaßen zum Konzept gehört.

Vor allem aber die Format-Kategorien werfen Fragen auf. Gleich 22 Produktionen gehen ins Rennen um die "beste Reality des Jahres", die allermeisten davon stammen aus nachvollziehbaren Gründen von RTL, RTL+ und RTLzwei. Einzig "Germany Shore" von Paramount+ und "The 50" von Prime Video stechen aus der Liste mit ganzen 22 Formaten heraus. "Promi Big Brother" oder "Forsthaus Rampensau", Formate des RTL-Konkurrenten aus Unterföhring also, sucht man hingegen vergeblich. Das wiederum hängt damit zusammen, dass der neue Preis dort mit einier gewissen Skepsis beäugt wird. Gut möglich, dass man im Süden schlicht eine Kölner Werbeveranstaltung vermutet.  

Wer entscheidet über die Nominierungen?

"Warum wer welches Programm für diesen Award nominiert hat, ist das Geheimnis der Macher:innen dieses Awards", erklärte ProSieben- und Sat.1-Sprecher Christoph Körfer gegenüber DWDL.de und trommelt zugleich in eigener Sache. "Wir sind stolz auf unsere sehr besonderen Reality-Marken. Allen voran auf 'Promi Big Brother', das in diesem Herbst Sat.1 den stärksten Monatsmarktteil seit 2020 beschert hat und zudem auf Joyn Rekorde aufgestellt hat. Oder anders: Die Zustimmung unserer Zuschauerinnen und Zuschauer ist für uns die wichtigste Währung."

Tatsächlich wird, bei aller Oberflächlichkeit, die den Preis schon von Natur aus umnebelt, auf DWDL.de-Nachfrage bei RTL nicht ganz klar, nach welchen Kriterien über die Nominierungen entschieden wurde. Offiziell teilt ein Sprecher jedoch mit, dass "die Redaktionen des ausstrahlenden Streamers RTL+ und der Produktionsfirma RTL Studios" die Reality-Formate im Zeitraum vom 31. August 2023 bis zum 30. September 2024 "vollumfänglich betrachtet und daraus eine inhaltliche Vorauswahl getroffen" hätten. Und weiter: "Ursprünglich geplant war, dass für alle Formate, die in den Betrachtungszeitraum fallen, Nominierungen möglich sind. Leider konnten oder wollten einige Sender und Streamer nicht teilnehmen und Bewegtbild ihrer potentiell relevanten Formate bereitstellen."

Das erklärt dann wohl auch, weshalb die Netflix-Show "Kaulitz & Kaulitz", immerhin eines der prägendsten Neustarts des Genres in diesem Jahr, in der Nominierungsliste für die "Reality-Doku des Jahres" fehlt. Bunt und schrill dürfte es im Dezember bei der Verleihung der "Reality-Awards" in Köln freilich auch ohne die Kaulitz-Zwillinge werden. Aber eben auch ein bisschen egal, was bei einer Auszeichnung dieser Art schon etwas heißen mag.