Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor unsicheren Monaten. Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich wird, anders als von der KEF empfohlen, wohl nicht zum 1. Januar 2025 kommen. Und selbst wenn - die Erhöhung liegt unter der Teuerungsrate, das zwingt viele Anstalten zum Sparen. Der Bayerische Rundfunk (BR) hatte zuletzt öffentlich gemacht, wo man den Rotstift ansetzt, etwa beim Videotext oder auch bei verschiedenen Inhalten im Programm (DWDL.de berichtete).
Nun startet aber ein programmliches Prestige-Projekt, das man schon vor mehr als einem Jahr angekündigt hatte - damals allerdings noch mit einer gänzlich anderen Ausrichtung. Im Oktober 2023 kündigte man an, unter dem Titel "BR24 RegioLive" ein tägliche Live-Format starten zu wollen, die Rede war von einem "Kernprojekt" für 2024. Nun steht die Sendung in den Startlöchern - aber in einer anderen Aufmachung.
"BR24 RegioLive" hört mittlerweile auf den Namen "BR24 vor Ort". Das ist nicht ungewöhnlich: In der Entwicklungszeit kommt es immer wieder vor, dass sich Titel von geplanten Sendungen noch ändern. Interessanter ist da schon die Tatsache, dass "BR24 vor Ort" nicht mehr als Live-Format geplant ist, sondern als regelmäßige Reportagereihe, mit der man teilweise auch live gehen kann. In der neuen Reihe will man "relevante, aktuelle Geschichten mit Gesprächswert aus der Region" erzählen - und damit verstärkt Menschen erreichen, die jünger sind als 50 Jahre.
Ausspielung online first, aber auch linear möglich
Ausgespielt werden die Beiträge primär in der BR24 App, über den BR24 YouTube-Kanal, in den BR24 Social Media-Angeboten und der ARD Mediathek. Darüber hinaus können und sollen die Inhalte auch im linearen Programm ausgewertet werden, etwa in der "Abendschau" im BR Fernsehen und im Hörfunk. Der Fokus liegt aber auf einer Nutzung auf Smartphones und Tablets. In der ersten Ausgabe geht es um Nürnbergs Kampf gegen Drogen.
Mit Reportagen vor Ort geben wir den regionalen Geschichten einfach noch mehr Raum, das eben auch in Bild und Ton. Die Region wird noch nahbarer.
Christian Daubner, stellvertretende BR-Chefredakteur
Grundsätzlich will man sich inhaltlich breit aufstellen. Angekündigt sind Geschichten über Wohnungslose in Schwaben oder einen Wertstoffhof in der Oberpfalz, der sich zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt entwickelt hat. Man wolle aber auch politische Themen, die aus Berlin kommen, aus den Regionen heraus aufgreifen, kündigt Daubner gegenüber DWDL.de an. Ein im Sommer durchgeführter Testlauf zeigt, wohin es geht: Da wurde über ehrenamtliche Helfer bei Sport-Events berichtet, aber auch über die Wasserschutzpolizei, einen Kult-Imbiss, ein Fetisch-Event oder auch das Hochwasser in Südbayern. Zum EM-Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich in München meldete man sich sogar live.
"Unsere Auswertungen der Medienforschung zeigen: Auch die jüngeren Menschen in Bayern wünschen sich vertiefende Reportagen über regionale Themen, manchmal auch semi-aktuell, die sich vor allem nach der Gesprächswertigkeit in den bayerischen Regionen richten", sagt der stellvertretende BR-Chefredakteur Christian Daubner.
Umgesetzt wird "BR24 vor Ort" nicht von einer festen Redaktion, sondern von den Regionalstudios zusammen mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten der 30 BR-Standorte. Dadurch könne man der Mentalität, den Themen der Menschen vor Ort und ihren unterschiedlichen Perspektiven darauf Rechnung tragen, sagt Daubner gegenüber DWDL.de. Bei größeren auf aufwendigen Filmen soll die Redaktion der "Abendschau" unterstützen und koordinieren.
"Sparen ist keine Strategie"
Doch wie ist aus einem angedachten, täglichen Live-Format eine Reportagereihe geworden, bei der man höchstens in Ausnahmen live auf Sendung geht? "Unsere Auswertungen haben deutlich gezeigt, dass die Menschen die Videos in erster Linie on demand sehen wollen", sagt Christian Daubner. "Unsere weitere Überlegung war: Mit Reportagen vor Ort geben wir den regionalen Geschichten einfach noch mehr Raum, das eben auch in Bild und Ton. Die Region wird noch nahbarer." Live sende man, wenn es die Erwartungshaltung dafür beim Publikum gebe.
Mit dem bereits erwähnten Sparprogramm hat der Switch von Live-Format hin zur Reportage-Reihe dagegen nichts zu tun. "Sparen ist keine Strategie. Die Berichterstattung aus Bayern und den Regionen ist unser Kerngeschäft. Wir wollen mehr junge Menschen erreichen, das geht nur über digitale Angebote. Das ist ein wichtiger Teil der Programmstrategie. In der regionalen Berichterstattung sind im Ergebnis keine Einsparungen geplant", sagt BR-Vize-Chefredakteur Christian Daubner.