Von gewieften europäischen Dealmakern war an dieser Stelle oft die Rede in den vergangenen Tagen. Ob die Berlusconis, die Courbits oder die Captons der Medienwelt – sie haben im laufenden Jahr inhaltlich wie wirtschaftlich wieder eine ganze Menge in Bewegung gebracht. Und doch gibt es eine Familie, die alle anderen aussticht, wenn es um die Größe der Zahlen und der Deals geht, mit denen sie regelmäßig hantiert. Gemeint sind die "französischen Murdochs", wie die Bollorés gern mal tituliert werden.
Nur zur Erinnerung: Voriges Jahr hatte ihr Vivendi-Konzern in einer Milliardentransaktion den bisherigen Konkurrenten Lagardère geschluckt – ein Wachstumssprung von 38.000 auf 66.000 Angestellte und von rund zehn auf rund 18 Milliarden Euro Umsatz, der sich erst dieses Jahr voll niederschlagen wird, weil die Konsolidierung offiziell zum 1. Dezember erfolgte. Und doch ist statt gemächlicher Integration schon wieder voller Wirbel angesagt: Vivendi strebt die Selbst-Aufspaltung in drei getrennte Unternehmen an.
Bereits zum vergangenen Jahreswechsel stellte der Konzern in Aussicht, dass man den Börsenwert des verzweigten Konglomerats pushen könne, wenn die drei großen Sparten unterm Vivendi-Dach künftig selbstständig vorangingen – die TV- und Streaming-Einheit Canal+, die Werbeagenturgruppe Havas sowie der Investmentarm, zu dem etwa die Beteiligungen an Lagardère und Universal Music gehören. Tatsächlich hatten unabhängige Analysten kräftiges Wachstumspotenzial errechnet. Allen voran die Schweizer Großbank UBS, die von möglichen 40 Prozent Mehrwert für drei Einzelunternehmen im Vergleich zur bisherigen Konzernstruktur ausging. Für die Finanzmärkte ist es nicht ungewöhnlich, dass große Gruppen mit verschiedensten Geschäftsfeldern und komplexen Strukturen einen Abschlag in der Bewertung verpasst bekommen. 40 Prozent wären allerdings extrem, üblicher ist die Hälfte. Heißt für Vivendi: Es besteht Handlungsbedarf, wenn Familie Bolloré und die übrigen Aktionäre mit der gegenwärtigen Marktkapitalisierung von elf Milliarden Euro nicht dauerhaft Geld auf der Straße liegen lassen wollen.
Noch ist das alles Theorie. Die Konzernführung unter CEO Arnaud de Puyfontaine, die Frankreichs Regierende in manchen ihrer Medien gern vor sich hertreibt, führt offizielle Gespräche mit den Finanzbehörden, um die Rechtssicherheit und steuerliche Behandlung einer solchen Transaktion zu klären. Eine geplante neue Regelung zur Besteuerung von Teilaufspaltungen, die bald in Kraft treten soll, könnte Vivendi zupasskommen. Stand heute gilt nach Unternehmensangaben, dass "zum gegenwärtigen Zeitpunkt und nach geltendem Recht keine Entscheidung zur Durchführung dieses Projekts getroffen wurde oder getroffen werden kann und dass keine weiteren Maßnahmen, auch nicht potenzielle, in Bezug auf dieses Projekt vermutet werden können".
Je nachdem, wie die Klärungen ausfallen, könnte es aber schon bald sehr schnell gehen. Erteilen Vorstand und Aufsichtsrat intern grünes Licht, würde voraussichtlich Ende Oktober ein formeller Beschluss gefasst, der dann einer außerordentlichen Hauptversammlung vorgelegt würde. Diese ist vor wenigen Tagen für den 9. Dezember einberufen worden. Dort bräuchte die Transaktion eine Zweidrittelmehrheit der Aktionäre. Sollte es dazu kommen, würde die Macht der Familie übrigens kein bisschen verwässert: Die Bolloré Group wäre mit jeweils 30,6 Prozent größter Einzelaktionär von Canal+, Havas und Louis Hachette Group und hätte sogar über 40 Prozent der Stimmrechte.
Für Canal+ mitsamt seinem Produktionsarm Studiocanal kommt die Idee eines Börsengangs in London nicht von ungefähr. Das Pay-TV- und Streaming-Geschäft hat sich über die vergangenen Jahre stark internationalisiert, inzwischen sind zwei Drittel aller Abonnenten außerhalb Frankreichs anzutreffen. Allein im laufenden Jahr hat Canal+ mit der MultiChoice Group in Südafrika eine 2,8 Milliarden Euro schwere Übernahme gestemmt sowie Mehrheitsanteile an den Sanierungsfällen Viaplay in Skandinavien und MC Vision in Mauritius übernommen. Zu Vivendis Halbjahresumsatz von 9,1 Milliarden Euro steuerte Canal+ 34 Prozent bei, zum operativen Betriebsergebnis von 571 Millionen Euro stolze 59 Prozent. Das TV-Business belibt also mit Abstand der größte Gewinnbringer im Konzern.