Auch wenn sie völlig verschiedenen Grundregeln gehorchen, könnte die glitzernde Entertainment-Welt ohne die schnöde Finanzindustrie kaum existieren. Einer, der beide Welten meisterhaft zusammengeführt hat, ist der Franzose Stéphane Courbit, Gründer und Hauptgesellschafter der Banijay Group. Sein anhaltend aggressiver, weltweiter Expansionskurs im Produktionssektor erforderte über die vergangenen vier Jahre – seit Übernahme seines Ex-Arbeitgebers Endemol Shine – bereits Unmengen an Kapital.
Dass Courbit nach all den kostspieligen Transaktionen noch immer der Mehrheitseigner im Hause ist, darf als Ausweis seiner Cleverness gelten. Wichtigste strategische Säule war dabei die gigantische Umschuldung in Form des Börsengangs im Sommer 2022, bei dem 650 Millionen Euro frisches Kapital flossen und Courbit seine beiden Firmengruppen Banijay und Betclic Everest mit einem bereits an der Euronext notierten Börsenmantel verschmolz (DWDL.de berichtete). Kleiner Wermutstropfen: Die neu entstandene Holding trug seither den arg technischen Namen FL Entertainment (FLE).
Man darf annehmen, dass sich der Kreis für Courbit erst jetzt so richtig geschlossen hat, denn seit diesem Frühjahr wurde die Gruppe einem umfassenden Rebranding unterzogen, das die Zugehörigkeit unmissverständlich klarstellt: FLE ist tot, es lebe die Banijay Group. Das große Ganze heißt nun so wie früher der Konzernteil fürs Produktions- und Programmvertriebsgeschäft. Darunter stehen drei operative Säulen: Banijay Entertainment fürs Content-Business, Banijay Gaming für die vormalige Betclic Everest Group und Banijay Live für die 2023 aus dem klassischen Produktionsgeschäft ausgegliederte Event- und Live-Entertainment-Sparte.
Die neue Markenarchitektur spiegele "die Komplementarität unserer bestehenden Aktivitäten wider" und unterstreiche "unsere Ambitionen als integrierter und diversifizierter Marktführer im Unterhaltungsbereich“, ließ sich Banijay-Group-CEO François Riahi zitieren und formulierte als eine Art breitestmögliches Mission Statement: "Die Banijay Group versammelt eine unglaubliche Menge an Talenten, die sich dafür einsetzen, Leidenschaft und Emotionen zu wecken und unterhaltsame Erlebnisse für die Öffentlichkeit auf der ganzen Welt zu konzipieren." Man mag Riahi die hehren Worte durchgehen lassen, weil seine Truppen durchgehend fleißig und von der Umstrukturierung kein bisschen absorbiert zu sein schienen.
Das schlug sich im ersten Halbjahr mit einer Umsatzsteigerung um 8,6 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro nieder, während das operative Betriebsergebnis (adjusted EBITDA) um 11,7 Prozent auf 368 Millionen Euro und der Nettogewinn (adjusted net income) um 13,9 Prozent auf 191 Millionen Euro wuchsen. Die EBITDA-Marge, die im Vorjahr bei 17,0 Prozent gelegen hatte, stieg damit auf 17,6 Prozent. Ohne das Gaming-Geschäft wäre das Plus bei Umsatz und Marge freilich schwächer ausgefallen. Für den Produktionsbetrieb erwartet Banijay ein starkes viertes Quartal, weil dann besonders viele Shows und Serien an Sender und Streamer ausgeliefert werden.
Kurz vor der MIPCOM kann Banijay Entertainment bereits die Ausbreitung seines jüngsten Formathits "The Summit" feiern. Die Reality-Show, in der die Kandidaten einen Rucksack voller Geld durch unwegsames Gelände auf einen Gipfel bringen und dabei eine Reihe von physischen und mentalen Prüfungen bestehen müssen, startete voriges Jahr in Australien sowie Anfang Oktober bei CBS in den USA. Nun folgen weitere Adaptionen in den Niederlanden, Norwegen und Finnland, wo RTL, TV 2 und MTV das Format gekauft haben.
Um das Banner des Nonfiktionalen künftig noch höher zu halten, lanciert Banijay mit zwölf weiteren französischen Produktions- und Vertriebshäusern den dreitägigen "Paris Unscripted Showcase", der erstmals Ende April stattfindet und zum Branchentreff für europäische Formatmacher sowie Einkäufer aus aller Welt werden soll. Nach dem Aus für die MIP TV, so scheint's, möchten die Franzosen einen Teil des Business im Land behalten.