Als die Streaming-Plattform BritBox Ende Juni in London ein neues Programmpaket von ihren Gesellschaftern BBC und ITV vorstellte, durfte darin die zweite Staffel von "The Cleaner" nicht fehlen. Die Comedy-Serie von und mit Greg Davies, die im Herbst 2021 auf BBC One debütierte, hat via BritBox auch Anhänger in den USA, Kanada, Australien, Südafrika und Skandinavien gefunden. Eine Popkultur-Kolumnistin des US-Portals "CNet" schrieb gar, sie würde am liebsten allen Menschen auf der Straße zurufen, bloß keine Episode zu verpassen.
Für ihre amerikanische Leserschaft fügte sie noch hinzu, "The Cleaner" sei nicht so, wie man vielleicht denken könnte, wenn man hört, dass es um einen Tatortreiniger geht. Den "Schrecken des Todes" brauche man hier nicht zu befürchten. Ein Hinweis, den das deutsche TV-Publikum nicht bräuchte, denn hierzulande zählt "Der Tatortreiniger" – das Originalformat, auf dem "The Cleaner" basiert – noch immer zum Comedy-Tafelsilber, obwohl die Kultserie aus dem NDR Fernsehen vor vier Jahren endete.
Nachdem sich der durchaus eigenwillige Humor von Drehbuchautorin Ingrid Lausund alias "Mizzie Meyer" einer internationalen TV-Karriere für den von Bjarne Mädel gespielten Heiko "Schotty" Schotte lange Zeit eher verschloss, ist die britische Adaption zehn Jahre nach Sendestart des "Tatortreinigers" ein großer Erfolg für Studio Hamburg UK, die Londoner Tochter der Studio Hamburg Production Group. Als ein Optionsvertrag in den USA 2019 ohne Ergebnis ausgelaufen war, versuchte Studio-Hamburg-UK-Chefin Vivien Muller-Rommel ihr Glück beim damaligen BBC-Comedy-Chef Shane Allen. "Ich hatte drei Ideen im Gepäck, und Shane sprang sofort auf den 'Tatortreiniger' an", erinnert sich die Produzentin. Man einigte sich auf den Schauspieler und Stand-up-Comedian Greg Davies als Hauptdarsteller. Der war so begeistert vom deutschen Vorbild, dass er die Drehbücher selbst schreiben wollte.
Wer den norddeutschen Schotty vor Augen hat, muss beim britischen Paul "Wicky" Wickstead zweimal hinsehen: Davies ist mit seinen 2,03 Metern eine stattliche Erscheinung und kommt gar nicht umhin, gelegentlich Witze über seine Statur und Leibesfülle einzubauen. Seine tollpatschige Seite ist deutlich stärker ausgeprägt als beim Original, Slapstick und körperliche Komik spielen eine größere Rolle. Was Wicky wiederum mit Schotty gemeinsam hat, ist der unerschütterliche Gleichmut. Ohne Furcht und Ekel wischt er Blut und Hirnmasse von Tischen und Böden, unterstützt durch eine beeindruckende Batterie von Sprays und chemischen Reinigern. Trifft er auf Hinterbliebene, neugierige Nachbarn oder auch mal auf einen an den Tatort zurückkehrenden Mörder, so plaudert er unverblümt und frei von Pietät mit ihnen.
"Es war solch ein Vergnügen, Wicky und seinen blutigen Job zum Leben zu erwecken, und ich bin unfassbar begeistert, dass wir es nochmal tun dürfen", ließ Davies sich angesichts der Verlängerung der Serie zitieren. "So begeistert, dass ich nicht erwähnen werde, wie schwitzig es in diesem Schutzanzug unter Scheinwerferlicht wird." Der 54-jährige Waliser hat es erst relativ spät auf die Bühne und vor die Kamera geschafft. Zuvor arbeitete er 13 Jahre als Lehrer – ein Beruf, den er nach eigenem Bekunden die meiste Zeit hasste. Seine TV-Karriere begann 2008, als er in der Sitcom "The Inbetweeners" einen Lehrer spielte. Seine erste eigene Serie war die Sitcom "Man Down", die ab 2013 vier Staffeln lang auf Channel 4 lief und für die er sich die Rolle eines Lehrers in der Midlife-Crisis auf den Leib schrieb. Seit 2015 moderiert er für Channel 4 die Comedy-Gameshow "Taskmaster".
Mit "The Cleaner" rückte Davies erstmals auf den begehrten Comedy-Sendeplatz am Freitagabend um 21:30 Uhr bei BBC One vor. Linear und im BBC iPlayer zusammengerechnet, kam die erste Staffel auf bis zu 5,5 Millionen Zuschauer pro Episode. Das war der BBC schnell eine weitere Staffel plus Weihnachts-Special wert. Während Davies die Adaptionen von sechs deutschen "Tatortreiniger"-Folgen für die erste "Cleaner"-Staffel allein schrieb, war seine Zeit in diesem Jahr von vornherein knapper bemessen. Er schreibt und dreht nämlich auch die Comedy-Serie "Safe Space" für Sky, in der er einen exzentrischen Kleinstadt-Psychotherapeuten spielt.
Für "The Cleaner" heißt das, dass Davies nun jeweils einen Co-Autor pro Episode zur Seite hat. Unter ihnen finden sich etablierte britische Comedy-Profis wie Barry Castagnola oder Mike Wozniak, die Davies bereits für "Man Down" engagierte, aber auch jüngere Talente wie die Schauspielerin und Komikerin Meg Salter, die in der BBC3-Sketch-Show "Quickies" zu sehen war und gerade auch für die zweite Staffel von "Gangs of London" geschrieben hat. Keiner von ihnen hätte wohl noch vor kurzem gedacht, er würde jemals eine deutsche Comedy adaptieren. Laut Studio Hamburg gibt es inzwischen auch aus anderen europäischen Ländern Interesse an einem Remake des "Tatortreinigers", allerdings noch keine konkreten Abschlüsse.