Häufiger als oft gedacht sind inzwischen auch deutsche TV-Ideen im Ausland gefragt. Das Geschäft mit TV-Formaten ist schon lange keine Einbahnstraße mehr. Aus diesem Grund wirft DWDL.de in der neuen Porträt-Reihe "Made in Germany" einen Blick auf Fernsehideen, die nicht importiert sondern exportiert werden. Zehn Wochen lang begeben wir uns auf eine Reise, in deren Mittelpunkt die Neugier darauf steht, wie eigentlich einige uns in Deutschland bekannte Formate bei ihren Umsetzungen im Ausland aussehen. Wie nah oder fern sind sie dem deutschen Original?
Wir beginnen mit einem der andauerndsten Erfolge des Fernsehsenders Vox: "Kitchen Impossible" mit Tim Mälzer, erfunden und produziert von Sven Steffensmeier bei Endemol Shine Germany. Dort arbeitet, auch nicht erst seit gestern, Gabi Abegg und ist Head of Strategic Development. Sie hat schon bei einigen deutschen TV-Ideen die Reise ins Ausland begleitet, merkt aber, dass die Neugier im internationalen Markt auch auf deutsche Produkte in den vergangenen Jahren gestiegen ist.
Warum? Gabi Abegg: "Es gibt eine deutlich gewachsene Bereitschaft sich auf Ideen aus allen Märkten einzulassen. Eine südkoreanische Unterhaltungsshow wäre zum Beispiel vor zehn Jahren möglicherweise noch unbeachtet geblieben. Deswegen haben wir uns schon vor längerem angewöhnt, neue Ideen hier aus dem Haus auch gleich auf internationales Potential zu prüfen." Eine solche Idee war "Kitchen Impossible", dabei könnte man an der bei Vox laufenden Sendung gleich mehrere Argumente finden, die gegen einen Exporterfolg sprechen.
Einerseits hat die Sendung mit Tim Mälzer einen prominenten Gastgeber, der das Format prägt - und ob andere Länder ähnlich prädestinierte Hosts haben Bei "Schlag den Raab" zum Beispiel war genau das ein Grund, warum es in dieser Version international kein Hit wurde. "Zum Charakter des Formats gehört ein charismatischer Kopf, weil es den erbitterten Wettbewerb braucht, den es aber unter Profi-Köchen ohnehin gibt. Da sind sehr oft sehr selbstbewusste Persönlichkeiten und das nicht nur in Deutschland. Deswegen waren wir uns sicher: Die Formatidee würde woanders auch ohne unseren Tim Mälzer funktionieren. Aber klar ist unsere Frage auch immer: Habt ihr einen Tim Mälzer bei Euch?"
Ein weiteres Argument gegen einen Export-Erfolg: Die Länge. Deutsches Fernsehen streckt sich - in diesem Falle mit Werbepausen bis Mitternacht. "Von unseren langen Shows ist man im Ausland immer erstmal erschlagen", sagt auch Thorsten Jung und lacht. Er ist Head of Format Acquisitions & International Development bei der Produktionsfirma in Köln. "Das ist die erste Reaktion, die wir bekommen haben, wenn jemand den Screener startet und sieht wie lange die Sendung läuft. Auf dieses erste Zögern haben wir im Fall von ‚Kitchen Impossible‘ erklärt, dass man das super abändern und auch kürzer machen kann, ohne dabei den Kern des Formats zu verändern."
Verkauft und umgesetzt wurde "Kitchen Impossible" als Format bislang auch in Frankreich (wortgetreu als "Cuisine Impossible") und den Niederlanden. "Wir sind gerade auch in Gesprächen mit Italien", ergänzt Gabi Abegg. Vorerst aber gibt es zwei Adaptionen des deutschen TV-Erfolgs - und sie fallen höchst unterschiedlich aus. "Die Holländer machen eine Stunde, bei den Franzosen gibt es noch am ehesten Parallelen zu uns, die machen 100 Minuten und nehmen sich auch die Zeit für epische Bilder. Der italienische Markt ist zwar längere Sendungen gewöhnt, aber auch dort hätte es wohl auch kaum unsere Länge", sagt Thorsten Jung.
"Kitchen Impossible" in weniger als einer Stunde? Bei Vox undenkbar. Was bleibt denn dann übrig vom ursprünglichen Format? "Ein Format-prägendes Element bei ‚Kitchen Impossible‘ ist beispielsweise die Box. Auf die könnte man nicht verzichten. Auch nicht auf die retrospektive Besprechung und die Punkteauflösung mit dem versiegelten Ergebnis. Wenn man aber, wie bei der holländischen Version, die Köche zur gleichen statt zu zwei unterschiedlichen Locations schickt, dann haben wir das natürlich intern diskutiert, aber es verändert nicht grundlegend das Format. Das ist dann okay, eben auch weil es nur als Einstünder ohnehin mit einem kleineren Budget umgesetzt wird.“
In Frankreich lief "Cuisine Impossible" (Hier gibt es einen Trailer) bislang mit drei Staffeln in den Jahren 2019, 2020 und 2021 bei TF1 und wurde sogar noch epischer inszeniert als in Deutschland: Die Folgen waren mit 100 Minuten Laufzeit zwar kürzer als "Kitchen Impossible", aber die beiden Duellanten schickten sich nur zu jeweils einer Location, darunter schöne Kontraste wie Singapur und Bayern. Auch anders als im Original: Hier sind in jeder Folge die beiden gleichen Köche angetreten: Juan Arbelaez und Julien Duboué sind beides ehemalige "Top Chef"-Kanddiaten, was in Frankreich anders als bei uns in großes Ding war. Vielleicht ist das immer gleiche Duell auch ein Grund, warum die Quoten in Frankreich mit der dritten Staffel abfielen.
Auffällig beim Vergleich ist die in Frankreich andere Inszenierung der Besprechung der erlebten Abenteuer: Während in den Niederlanden und Deutschland der Esstisch herhält, haben es sich Juan Arbelaez und Julien Duboué in späteren Folgen auf dem Sofa eines Loft-artigen Settings bequem gemacht. Endemol-Mann Thorsten Jung: "Das Setting - der Tisch oder das Sofa -, in dem die Köche auf ihre Herausforderungen zurückblicken, ist der Anker der Sendung, weil man als Zuschauerin oder Zuschauer das Gefühl hat, dort mit dabei zu sitzen und gemeinsam das Erlebte anzuschauen. Vor dem Bildschirm rätselt man dann genau wie die beiden Köche darüber, wer es jetzt wohl besser gemacht hat."