Was “Game of Thrones” derzeit noch für die Vereinigten Staaten ist, stellte “Velvet” bis 2016 für Spanien dar. Doch während die HBO-Produktion Drachen und Untote auf seine Zuschauer loslässt, um grandiose Quoten einzufahren, schaffte “Velvet” dies mit einem Drama, dass sich in der Modewelt Ende der 50er Jahre zu Hause fühlt. In der Tat konnte im Heimatland dermaßen viel Erfolg damit eingefahren werden, dass es nicht einmal ein Jahr gedauert hat, bis ein Spin-Off erschienen ist. Es hört auf den Namen “Velvet Collection” und wurde nach der Premiere im vergangenen Jahr bereits um eine zweite Staffel verlängert. Doch wie es ebenfalls bei jedem “Game of Thrones”-Spin-Off der Fall sein wird, musste sich auch dieses Sequel erst einmal mit dem Original vergleichen lassen und vor allem behaupten können.
Der härteste Bruch kommt damit, dass sich Fans erst einmal daran gewöhnen müssen, dass der Cast ein beinahe komplett anderer ist. Das geht damit einher, dass sich die Geschichte von Madrid weg verlagert. Doch erst einmal eine kurze Auffrischung dessen, was in der letzten Folge von “Velvet” passiert ist: Nachdem sich Alberto (Miguel Àngel Silvestre, auch bekannt aus “Sense 8”), der Sohn des Besitzers des luxuriösen Modehauses Galerías Velvet und Ana (Paula Echevarría), seine Jugendliebe, die in dem Geschäft als Schneiderin angefangen, endgültig für ein gemeinsames Leben entschieden haben, ging es mit ihrem ersten Kind nach New York City. Ein wahres Happy End also. Daran ändert sich auch zum Anfang von “Velvet Collection” nichts, außer, dass Ana sich alleine von New York nach Barcelona begibt, um das Geschäft auszubauen.
Damit ist sie auch eines der wenigen Gesichter, dass man zum Anfang des Sequels noch einmal zu sehen bekommt. Doch auch hier sollte sich der Zuschauer nicht all zu sehr an sie gewöhnen, spielt sie zunächst nur in drei der ersten zehn Folgen mit. Vorwissen ist daher nett zu haben, um “Velvet Collection” komplett genießen zu können. Jedoch auch nicht vollends nötig. Tatsächlich haben es die Macher von Movistar+ geschafft, ein Drama zu entwickeln, dass den gleichen Esprit wie das Original trägt, dennoch ohne unzählige Referenzen auskommen kann. Movistar+ ist eine Pay-Plattform, die die Fortsetzung anstelle des ursprünglichen Heimatsenders von “Velvet”, der spanische RTL-Sender Antena 3, in die Hand genommen hat.
Doch ob mit oder ohne Ana - “Velvet Collection” steht seinem Vorbild in Sachen fluffiger Lockerheit, kleinen Späßchen und ganz großen Dramen in nichts nach. Nachdem “Velvet” Ende der 50er spielte, befinden wir uns nun im Jahr 1967 und für wahr mitten drin in der Flower-Power-Ära. Nun, Hippies bekommt man dennoch nicht zu sehen. Dafür aber Charaktere, die in angehauchter Soap-Opera-Manier mit Emotionen um sich schmeißen, während sie ihr Hauptziel verfolgen: Miniröcke und Bikinis auf den Markt zu bringen, in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer lockerer und empfänglicher für so etwas wird.
Dabei werden nicht nur die typischen Probleme der Mode-Branche aufgewirbelt, wie Konkurrenzpräsenz, Investorensuche und Kreativdruck, sondern vor allem die Protagonisten an sich. Dies war auch schon die große Stärke von “Velvet”. Im Zentrum steht nicht ein Modeimperium, das um jeden Preis ausgebaut werden muss, sondern der Kampf um die große Liebe, wie erdrückend und schlimm gesellschaftliche Klassen sind und was ein Mensch alles dafür geben muss, um seinen Lebenstraum zu erfüllen.
"Velvet"-Star Ana (Paula Echevarría, z.v.r.) gibt im Sequel nur ein kleines Gastspiel
Natürlich ist das an mancher Stelle kitschiger, als es sein müsste. Doch ist das das spanische Feuer, das eine solche Serie abrundet, wie eine Kirsche auf dem Eisbecher. Solch eine Geschichte könnte in Amerika nämlich auch verfilmt werden. Doch ob am Ende die gleiche Leidenschaft rüber kommt, die hier zu spüren ist, kann bezweifelt werden. Auch bei der neuen spanischen Netflix-Serie “Das Haus des Geldes” ist dies der Fall. So braucht der Zuschauer am Anfang zwar ein bisschen Zeit, um sich an die neue Atmosphäre zu gewöhnen, ehe es Klick macht und er im Binge-Modus gefangen ist.
Wer sich kein bisschen für Mode interessiert, könnte dennoch Probleme mit “Velvet Collection” bekommen. Die Macher haben ihre Hausaufgaben gemacht und dafür gesorgt, dass sich die Welt von Velvet absolut authentisch anfühlt. Tatsächlich kann beim Abspielen der ersten Folge leicht der Gedanke aufkommen, ob hier gerade wirklich eine Serie läuft, die erst vor Kurzem produziert wurde. Der Look und die flippige Swinging Sixties-Musik entführen an einen Ort, der zu der damaligen Zeit genauso hätte abgefilmt werden können. Würde man sich “Velvet Collection” dann noch auf einem alten Röhrenfernseher anschauen, wäre die Täuschung perfekt.
Die Originalserie “Velvet” ist derzeit zu einem Großteil bei Netflix zu finden. Das hier besprochene Sequel “Velvet Collection” kann, wie auch das Original, beim Sony Channel geschaut werden.