Belgien hat sich seit ein paar Jahren zum Herkunftsland außergewöhnlicher Serien gemausert – der richtigen Kombination aus kreativem Wagemut und staatlichen Steuersparmodellen sei Dank. So sorgten etwa die Familienserie "Clan" oder der Mystery-Thriller "Beau Séjour" (lief im März bei Arte als "Zimmer 108") für internationale Aufmerksamkeit. Letzterer stammt von der Brüsseler Produktionsfirma De Mensen, die nun mit "Tytgat Chocolat" – oder international "Team Chocolate" – in einem völlig anderen Genre nachlegt.

Als Mischung aus Romantic Dramedy und Roadmovie lässt sich der Siebenteiler am ehesten einordnen – und im Mittelpunkt stehen junge Menschen mit Down-Syndrom. Allerdings sollte man keinen Hauch von Behinderten-Problemdrama erwarten. Die große Stärke der Serie, die Filip Lenaerts und Marc Bryssinck gemeinsam entwickelt, geschrieben und inszeniert haben, ist die Unaufgeregtheit, mit der eine zauberhafte Geschichte über das Leben und die Liebe erzählt wird. "Team Chocolate" feiert im Herbst beim flämischen Sender VRT seine TV-Premiere, DWDL.de hat die ersten zwei Folgen vorab gesehen.

Unumstrittener Held der Serie ist Jasper Vloemans. Zu Beginn sehen wir, wie er in ein großes Abenteuer aufbricht – seinen ersten Job. Die besorgten Eltern lassen ihn zum ersten Mal allein mit dem Fahrrad losfahren. Sein tägliches Ziel ist von nun an die Schokoladenfabrik von Roman Tytgat, der 22 Arbeiter mit geistiger Behinderung für die Verpackung der fertigen Produkte beschäftigt. Eine alte Frau im Rollstuhl, die vom Fenster gegenüber den Fabrikeingang beobachtet, lässt uns als Off-Erzählerin wissen, dass dieser Jasper "in einer eigenen Liga" spiele und dass Roman eine Weile gebraucht habe, um das zu bemerken. Später erfahren wir, dass diese Frau die Mutter von Fabrikbesitzer Roman ist, die seit einem Gehirnschlag nicht mehr sprechen kann.

In der Verpackungsabteilung erlebt Jasper einen perfekten Start. Schon am ersten Arbeitstag ist er schneller als die anderen und gibt einige seiner Pakete ab, damit die Kollegen bei der Zählung durch den Vorarbeiter besser dastehen. Mit Scherz und Charme verbreitet Jasper gute Stimmung und erweist sich als Motivationstalent. Besonders bei den Kolleginnen kommt er gut an, die ersten Flirts lassen nicht lange auf sich warten. Doch Jasper hat sich geschworen: Nach mehreren Enttäuschungen will er keine Liebe mehr, nur noch Freundschaft.

Die anfängliche Harmonie könnte kaum größer sein. Roman kümmert sich rührend um seine Belegschaft, besonders um den Trupp der Packer. Regelmäßig ruft er zum Karaoke-Wettkampf auf, bei dem die Mitarbeiter gegeneinander antreten und das mit Kostümen und Perücken so richtig zelebrieren. Keiner ahnt, dass Roman im Hintergrund gegen eine feindliche Übernahme durch deutsche Investoren kämpft. Andy, sein Neffe und neuer CFO, stört sich an der Umsatzstagnation und hat heimlich einen Deal eingefädelt, zehn Tonnen Trüffelpralinen pro Woche nach Deutschland zu liefern. Dazu müsste die Fabrik rationalisiert werden. Andy will die Verpackung nach Tschechien auslagern – das sei "eiffizienter als die Mongos".

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Auch an der privaten Front kommt es für Jasper natürlich anders als geplant. Er verliebt sich in seine Kollegin Tina, die mit ihrer Mutter aus dem Kosovo nach Belgien gekommen ist. Dass es Probleme mit den Einwanderungsbehörden gibt, erfahren wir als Zuschauer früh. Doch für Jasper und die anderen ist es ein Schock, als Tina über Nacht in ihr Heimatland abgeschoben wird. Die Freunde nehmen das Heft nun selbst in die Hand: Sie begeben sich auf einen ebenso turbulenten wie riskanten Roadtrip ins Kosovo, um Jaspers große Liebe Tina wiederzufinden.

Die Achterbahnfahrt der Gefühle und Stimmungen darf man sich entsprechend rasant vorstellen. Tränen vor Lachen und Tränen aus Rührung wechseln sich mehrfach pro Episode ab. Neben auf den Punkt geschriebenen Dialogen trägt ein starkes, authentisch spielendes Ensemble dazu bei, allen voran der fabelhafte Jelle Palmaerts als Jasper. Der 30-Jährige und weitere Darsteller kommen vom "Theater STAP", einem in Belgien relativ populären Bühnenensemble aus Profi-Schauspielern mit Down-Syndrom und anderen geistigen Behinderungen. Marc Bryssinck, einer der beiden Autoren und Regisseure von "Team Chocolate", ist dort künstlerischer Direktor. "Theater STAP glaubt fest an die Fähigkeit behinderter Künstler, ihr Publikum beim Spielen zu berühren", so das Credo der Kompanie. Der Beweis ist mit dieser Serie aufs Vortrefflichste erbracht.