Andréa (Camille Cottin) ist die leidenschaftliche Wilde, die zum Wohl ihrer Klienten mit dem Kopf durch die Wand will und privat fast jede Frau angräbt, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Der stets verpeilte Gabriel (Grégory Montel) ist oft etwas zu gutmütig und aufopferungsvoll. Mathias (Thibault de Montalembert) fühlt sich wie der Chef der Agentur, obwohl er nur Partner ist – der Sinn fürs Geschäft ist bei ihm deutlich stärker ausgeprägt als der für die Kunst. Und Arlette (Liliane Rovère) ist als erfahrene Grande Dame mit ihrem ständigen Begleiter, dem Hund "Jean Gabin", die gute Seele der Mannschaft.

Zusammen bildet das Quartett den Kern der Pariser Schauspielagentur ASK, wo es meist ein bisschen turbulenter, absurder und intriganter zugeht als in der Branchenrealität. Aber wirklich nur ein kleines bisschen. "Dix pour cent" – zu deutsch: 10 Prozent, also der Anteil, den Agenten von den Gagen ihrer Schauspieler kassieren – erzählt mit jeder Menge Charme und Witz von den kleinen Sorgen und Nöten, dem großen Zittern und Bangen eines wunderbaren Ensembles, das einem spätestens ab Folge zwei ans Herz gewachsen ist.

 

Drehbuchautorin und Regisseurin Fanny Herrero, früher selbst Schauspielerin, greift als Creator von "Dix pour cent" auf ein gehöriges Maß an Insiderwissen zurück. Offensichtlich liebt sie die Film- und Fernsehbranche, verzweifelt aber auch manches Mal an ihr. Diese menschlich (auch für jeden außerhalb der Branche) nachvollziehbaren Höhen und Tiefen verrührt sie mit der notwendigen Überhöhung einer Comedy-Serie. Netflix, das die erste Staffel unter dem Titel "Call My Agent!" im englischsprachigen Raum zeigt, hat den Humor der Serie als "zynisch" vertaggt. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Zwar gibt es immer wieder treffend geschriebene Anspielungen, die vor Zynismus nur so strotzen. Etwa als eine Schauspielerin von der Presse dabei erwischt wird, wie sie gegen üppiges Honorar die Party eines zwielichtigen russichen Oligarchen besucht, und Mathias ihr daraufhin öffentlichkeitswirksame Reue samt einer Großspende an Unicef verordnet – "exakt so, wie Beyoncé das damals nach ihrem Konzert für Gaddafi gemacht hat". Oder der Pragmatismus der weisen Arlette: "Schauspieler sind zerbrechliche, unberechenbare, leicht beeinflussbare Wesen. Deshalb bekommt der Großteil der Agenten keine eigenen Kinder. Das wäre sonst zu viel."

Viel grundlegender ist jedoch ein warmherziger Humor, der seine Figuren selbst in Augenblicken der Lächerlichkeit nie verrät und die meisten Konflikte am Ende mit unverrückbarer Menschlichkeit auflöst. In dieser Hinsicht ist Herreros "Dix pour cent" nicht weit von Tina Feys "30 Rock" entfernt. Überhaupt dürfte der "Wer X liebte, wird auch Y mögen"-Algorithmus hier für etliche Zuschauer ziehen, die Lust auf Spaß hinter den Kulissen des Showbiz haben. Allerdings ist "Dix pour cent" in seiner Umsetzung erfreulicherweise sehr typisch französisch und zelebriert im Subtext geradezu die sprichwörtliche Eigenliebe zum französischen Film, wie sie so wohl keine zweite Filmnation kennt.

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Der besondere Clou – und Erfolgsfaktor im Heimatmarkt – der Serie liegt in den Gastauftritten zahlreicher französischer Stars, die sich selbst spielen. Oder besser gesagt: eine herrlich selbstironische Comedy-Version ihrer selbst. Gleich in der ersten Folge gerät Cécile de France ("The Young Pope", "Hereafter") mit ihrem Agenten Gabriel aneinander, weil der sich nicht traut, ihr reinen Wein einzuschenken: Quentin Tarantino hat sie als Hauptdarstellerin seines nächsten Films aussortiert, weil er sie zu alt findet. In weiteren Episoden rivalisieren die Altstars Françoise Fabian und Line Renaud um dieselbe Rolle, Julie Gayet ("Mein bester Freund") und Rapper JoeyStarr sollen in einem Kostümdrama ein Liebespaar spielen, obwohl sie sich nicht ausstehen können.

Die ersten sechs Folgen, die im Herbst 2015 beim öffentlich-rechtlichen France 2 liefen, waren mit Zuschauer-Marktanteilen zwischen 16 und 20 Prozent so erfolgreich, dass für die zweite Staffel – ausgestrahlt im April/Mai 2017 – noch größere Namen Schlange standen: Isabelle Adjani bleibt ein Treffen mit ihrem Wunschregisseur verwehrt, weil Mathias dies verbockt. Juliette Binoche soll beim Filmfestival in Cannes moderieren, stellt sich dabei aber allzu tollpatschig an. Auch Guy Marchand oder Christopher Lambert spielen Gastrollen. Die dritte Staffel ist zurzeit in Vorbereitung. Zwischen erster und zweiter Staffel wechselte der Weltvertrieb von TF1 International zu FranceTV Distribution. Einen Deal für den deutschen Markt gibt es noch nicht. So bleiben Import-DVDs vorerst der einzige offizielle Weg, "Dix pour cent" zu sehen.