Wie einengend doch manchmal Erfolgsrezepte sein können. Die TV-Welt liebt Nordic-Noir-Krimis aus Schweden, also gibt Schweden ihr einen nach dem anderen – mit großer Verlässlichkeit und hoher Qualität. Entsprechend schwierig wird's für schwedische Serienmacher, die vom eingefahrenen Genre abweichen möchten.
Johan Rudolphie, CEO der Produktionsfirma Palladium Film, kann ein Lied davon singen. Es ist eine Weile her, dass Autor und Regisseur Henrik Björn ihn mit seiner Idee einer Crime-Serie mit starkem Mystery-Anteil begeistert hatte. "Wir wollten den Genremix erweitern, nicht einfach nur den nächsten Krimi erzählen", sagt Rudolphie. Es hat ein paar Jahre und viel Überredungskunst gebraucht, ehe "Jordskott" Realität wurde. Zum Glück haben sich Rudolphie und Björn nicht abschrecken lassen.
Sonst könnten wir nämlich nicht miterleben, wie eindringlich Moa Gammel ("Irene Huss") die ebenso taffe wie traumatisierte Kriminalkommissarin Eva Thörnblad spielt. Sieben Jahre ist es her, dass ihre kleine Tochter Josefine spurlos vom Ufer eines Waldsees verschwand. Obwohl nie eine Leiche gefunden wurde, glaubten alle an einen Unfall, bei dem das Mädchen ertrank. Alle außer Eva, die sich nicht damit abfinden will, dass Josefine tot ist, und immer noch die Entführungsthese im Hinterkopf hat.
Als Eva in den Nachrichten hört, dass ein kleiner Junge genau im selben Wald verschwunden ist, macht sie sich auf in die Provinz, in ihre alte Heimat, und stürzt sich erneut tief in die Ermittlungen. Vordergründig ist es der Tod von Evas Vater, Besitzer eines mächtigen Holzunternehmens, der ihre Anwesenheit erfordert. Doch viel mehr treiben sie die Parallelen zwischen altem und neuem Fall um. Bald wird ihr klar, dass alles miteinander verbunden ist – und dass der Schlüssel zum Mysterium darin liegt, wie massiv ihre Familie seit Generationen in die Bestände des Waldes eingegriffen hat.
"Jordskott" beginnt als scheinbar normale Crime-Story, nimmt jedoch ab der zweiten Folge einen zunächst behutsamen, später immer intensiveren Abzweig zum Mythologischen und Übernatürlichen. Das Faszinierende dabei ist, dass Showrunner Björn sich auf authentische nordische Mythen bezieht, die in Schweden seit Urzeiten von Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden. So fühlt es sich keine Minute übertrieben konstruiert an, sondern immer gerade noch am Rand des Erklärbaren, wenn der Wald mehr und mehr zu einer Art weiterer Hauptfigur mit eigenem Geist und eigenem Willen wird. Merke: Von modernem ökologischem Verständnis sind alte Natursagen gar nicht so weit entfernt.
Thrill und Nervenkitzel sind für den Zuschauer umso größer, weil er von "Jordskott" auf eine Reise mitgenommen wird, die nicht normiert ist und nicht erwartbaren Genre-Gesetzmäßigkeiten folgt. Der Kampf von Johan Rudolphie und Henrik Björn hat sich gelohnt. Da "Jordskott" dem öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehen SVT zwischen Februar und April zehn Wochen lang Top-Quoten beschert hat, ist sogar zu erwarten, dass dort die Türen für Mystery nun offener stehen.
Der britische Programmvertrieb ITV Studios Global Entertainment hat den internationalen Verkauf von "Jordskott" übernommen. Mit englischen Untertiteln ist die Serie im britischen iTunes-Store und ab 17. August auch auf DVD (UK-Import) erhältlich.