Die wenigsten wissen, dass der US-amerikanische PayTV-König HBO seit mehr als 20 Jahren auch in Europa vertreten ist. Während man sich in Deutschland aber auch Großbritannien erst vor wenigen Jahren auf eine Partnerschaft mit Sky bzw. BSkyB eingelassen hat und seine Programme unter dem Label Sky Atlantic anbietet, ist das Unternehmen über die Tochter HBO Europe schon seit Anfang der 90er Jahre in Osteuropa und inzwischen auch in den Niederlanden aktiv und will - dem internationalen Trend folgend - neben der Übernahme des US-Materials mit eigenen lokalen Produktionen Akzente setzen. Ein Anfang war die Miniserie „Burning Bush“. Sie erzählt auf beklemmende Art und Weise die Geschichte die bedrückenden Folgen des Prager Frühlings.
Der Prager Wenzelsplatz am frühen Nachmittag des 16. Januar 1969: Aus Protest gegen die sowjetische Besatzung seines Landes und die damit verbundene Niederschlagung des Prager Frühlings verbrennt sich der tschechische Student Jan Palach selbst. Dieses reale Ereignis wird in „Burning Bush“ zum Ausgangspunkt für die vom ungarischen Autor Stepan Hulik geschriebene und der polnischen, Golden Globe-prämierten Regisseurin Agnieszka Holland inszenierten Mini-Serie. Der drei Tage später seinen schweren Verbrennungen erlegene Jan Palach gilt als Märtyrer für eine freie Tschechoslowakei und ist bis heute in Tschechien eine starke Symbolfigur.
Interessanter- und gleichzeitig erfreulicherweise ergeht sich „Burning Bush“ nicht in der Herleitung dieser aufrüttelnden Tat sondern widmet sich den Folgen. Sind es gleich zum Einstieg noch die verstörenden Bilder des radikalen Protests, sind es danach die intensiv erzählten Geschichten. Etwa die eines Polizeichefs, der auf Anweisung von oben verhindern soll, dass es weitere unerfreuliche, öffentliche Proteste gibt. Wir sehen den gefährlichen Wandel der Polizeiarbeit vom Dienste für das Volk zum Dienst für ein Regime.
Später geht es um die Mutter von Jan und der ihr zur Seite stehenden Anwältin, die gemeinsam die politische Willkür und die Macht der Geheimdienste zu spüren bekommen, als sie den Namen ihres Sohnes verteidigen wollen und dabei die Auflösung eines Rechtsstaat erleben, in dem plötzlich andere Prioritäten herrschen. „Burning Bush“ verfilmt die Beerdigung der Wahrheit in einem politischen System in dem die Wahrheit das sein muss, was dem Erhalt von Macht und Strukturen dient. Ähnlich wie bei der herausragenden deutschen Serie „Weissensee“ tun die subtilen Ungerechtigkeiten dem Zuschauer beinahe weh.
„Burning Bush“ vermittelt beklemmend nüchtern, wie ein zuvor noch recht freies Land durch die Machtübernahme der Russen Schritt für Schritt in ein Land der Angst verwandelt wird. Dies geschieht nicht in großen Bildern, aber in Großaufnahme: Es sind die Emotionen der einzelnen Charaktere, in denen sich die große Tragik des Landes spiegelt - und von Kameramann Martin Strba toll eingefangen wurden. Doch auf die übermäßige Romantik, die manchem deutschen TV-Event zu historischen Ereignissen beigemischt wird, wird glücklicherweise verzichtet. Die Wirkung der knapp 240 Minuten der HBO-Produktion ist vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse, Stichwort Ukraine, noch einmal umso größer.
Eine Randnotiz noch am Ende: „Burning Bush“ wurde nach der PayTV-Ausstrahlung noch einmal in einer stark verkürzten Fassung als Film in die Kinos gebracht und sollte als tschechischer Beitrag ins Rennen um den besten fremdsprachigen Film der Oscar-Verleihung 2014 gehen, doch die Academy machte einen Strich durch die Rechnung: Dass „Burning Bush“ acht Monate vor der Kino-Premiere zuerst im Fernsehen zu sehen war, widerspricht den Statuten der Oscar-Verleihung. Dem Ansehen dieser tschechischen Vorzeige-Produktion tat das jedoch keinen Abbruch. In Deutschland zeigte Arte Ende März diesen Jahres unter dem Titel "Burning Bush - die Helden von Prag" die längere TV-Fassung, die auch auf DVD erschienen ist.