Herr Hadda, Ihre Serie "Die Zweiflers" war in diesem Jahr der große Abräumer beim Deutschen Fernsehpreis. Nach der vorgelagerten "Nacht der Kreativen", kam allerdings zunächst vereinzelt die Frage, ob die Serie ihrer Favoritenrolle gerecht werden kann. Mit welchem Gefühl sind Sie nach dem ersten Abend nach Hause gegangen?

Ich habe mich vor allem für Phillip Kaminiak gefreut, weil er den Preis für die beste Kamera absolut verdient erhalten hat. Das habe ich auch als Auszeichnung für die Qualität unserer Serie in Bezug auf den Look & Feel gewertet. Natürlich hätte ich auch allen anderen aus unserer Serie den Preis gewünscht, weil in wirklich jedem Department Menschen gearbeitet haben, für die unsere Produktion mehr war als nur ein Job. Da sind sehr viel Idealismus, Überzeugung und Hingabe hineingeflossen. Aber traurig war ich überhaupt nicht, weil ich bei solchen Veranstaltung grundsätzlich nichts erwarte. (lacht)

Der ganz große Preisregen – für die beste Drama-Serie sowie die beste Schauspielerin und den besten Schauspieler – folgte am zweiten Abend.

Nach dem zweiten Abend war die Freude wahnsinnig groß. Das fühlte sich toll an – auch, weil von diesem Abend viele starke Botschaften ausgingen. Trotzdem arbeite ich jetzt so weiter, als hätte es diese Preise nicht gegeben. 

Vom eigenen Produkt ist man ja im Idealfall sehr überzeugt. Aber wann ist Ihnen während der Arbeit bewusst geworden, dass Ihnen mit "Die Zweiflers" etwas ganz Besonderes sein könnte?

(überlegt) Je konkreter das Projekt wurde, je mehr wir mit der Besetzung und den Vorbereitungen begannen, je weiter der Dreh voranschritt und je fokussierter wir wurden, desto mehr spürte ich eine ganz spezielle Energie. Das alles fühlte sich plötzlich nicht nur gut an, sondern sah auch noch gut aus. Spätestens als wir in die Postproduktion gingen, wurde mir bewusst, dass hier – zumindest für mich – etwas Besonderes entstehen kann. Und als wir dann im Frühjahr auch noch nach Cannes eingeladen wurden, war das eine wunderbare Bestätigung, die jetzt mit den Fernsehpreisen noch einmal verstärkt wurde.

Als der Dreh der Serie begann, nämlich vor dem 7. Oktober, war die Welt noch eine etwas andere. Was bedeutete das für Ihre Arbeit?

Eine solche Serie bekommt, wie zuvor schon unser Projekt "Freitag Nacht Jews", ohnehin immer sofort eine Bedeutsamkeit zugesprochen, weil es um jüdisches Leben in Deutschland geht. Ich versuche mich davon komplett freizumachen, denn wenn man diesen Gedanken ständig im Kopf hat, dann ist das nicht sehr gesund, um wirklich frei und kreativ zu arbeiten. Zum Zeitpunkt der schlimmen Ereignisse des 7. Oktober befanden wir uns gerade im Dreh, hatten unser Team, bestehend aus vielen Menschen mit jüdischem Background und einem Bezug zu Israel, wie auch ich ihn habe, am Set. Wir alle standen erstmal komplett unter Schock, waren uns aber sehr schnell bewusst, dass wir weitermachen müssen und nichts an der Serie ändern dürfen. Wahrscheinlich hat es uns zu diesem Zeitpunkt geholfen, dass wir so fokussiert waren, fast wie in einem Tunnel, dass uns erst später, als alles abgedreht war, bewusst wurde, welch große Zäsur der 7. Oktober darstellte – und dass unsere Serie unter diesem Gesichtspunkt gesehen würde.

Die Zweiflers © ARD Degeto/HR/Turbokultur/Elliott Kreyenberg ARD-Serie "Die Zweiflers": Lilka (Ellanor Rissa), Saba (Saffron Marni Coomber), Samuel (Aaron Altaras), Leon (Leo Altaras) und Mimi (Sunnyi Melles).

Sie arbeiten inzwischen an einer Fortsetzung. Haben die Ereignisse der vergangenen zwölf Monate Ihre Herangehensweise an diese zweite Staffel verändert?

Nein. Natürlich verspüre ich einen gewissen Druck, wenn ich ein Projekt wie "Die Zweiflers" mache, das ganz klar die eigene Community ansprechen soll, vielleicht so, wie sie noch nicht angesprochen wurde, und gleichzeitig das Ziel verfolgt, viele andere Menschen, die damit gar nichts zu tun haben, damit zu berühren. Das ist für mich das eigentliche Spannungsfeld und nicht, die Serie zu stark politisch aufzuhängen.

Der Erfolg einer Serie bemisst sich in der Branche nicht nur an Preisen und Zuschauerzahlen, sondern auch daran, wie sie sich international verkauft. Merken Sie, dass es "Die Zweiflers" vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen international schwer hat, Käufer zu finden?

Ich war gerade erst in Israel, weil ZDF Studios, unser Weltvertrieb, die Serie dorthin verkauft hat. Es gab ein Screening in Jerusalem, zu dem auch Thomas Schreiber, der Geschäftsführer der ARD Degeto, mitgereist ist, was ein Zeichen von unermesslichem Wert ist – eine Geste, die auch vor Ort so verstanden wurde, weil man sich vorstellen kann, dass die israelische Film- und Fernsehwirtschaft gerade extrem zu leiden hat. Gleichzeitig spüren wir aber, dass unserer Serie international mit großer Vorsicht begegnet wird und viele Sender äußerst zurückhaltend sind aufgrund der "politischen Großwetterlage", wie immer wieder gesagt wird. Das wundert mich, weil die Serie ja nichts mit dem Nahost-Konflikt zu tun hat, sondern wir die Geschichte einer jüdischen Familie in Deutschland erzählen. Diese Vorsicht empfinde ich als erschreckend und zutiefst besorgniserregend, weil eine Serie wie unsere doch gerade ganz besonders dazu geeignet wäre, für Empathie, Verständnis und Aufmerksamkeit zu sorgen. 

Bosetti Late Night © ZDF/Lisa Kempke Ebenfalls von Turbokultur produziert: Auch "Bosetti Late Night" erhielt in diesem Jahr einen Fernsehpreis.

Weil Sie gerade von Aufmerksamkeit sprechen: Hierzulande lief "Die Zweiflers" vor allem in der Mediathek und nicht etwa zur besten Sendezeit, sondern im Nachtprogramm. Wäre es nicht ein schönes Signal, eine solche Geschichte auch einem Publikum zu zeigen, das nicht als erstes die Mediathek ansteuert?

Die Serie wurde von vornherein für die Mediathek bestellt. Dafür haben wir sie entwickelt und konzeptioniert. Man kann nicht für jedes Projekt eine One-Size-fits-all-Formel anwenden, die für sämtliche Ausspielwege passt. Unsere Serie hat im Übrigen sehr stark von diesem sehr klaren Fokus auf die Mediathek profitiert, weil wir nicht gebunden waren an eine feste Anzahl von Folgen und Längen. Es ist ein großes Geschenk, kreative Freiräume zu erhalten, die es ermöglichen, komplett anders zu denken als üblich. Aber natürlich ist es gleichzeitig eine immense Herausforderung, wirksame Strategien zu entwickeln, wie man die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Mediathek lockt, damit sie diese besonderen Formate auch entdecken können.

Bei so viel Aufmerksamkeit und Erfolg im Rücken - auch durch einen weiteren Fernsehpreis für Ihre Show "Bosetti Late Night": Gibt es da möglicherweise schon potenzielle Käufer, die bei Ihnen anklopfen oder kann Turbokultur auch perspektivisch eigenständig bleiben?

Wir alle spüren, dass sich der Markt im Umbruch befindet, und genauso wie ich bei der Auswahl der Inhalte und der Köpfe maximale Freiheit und Kreativität einfordere, gilt das auch für die ökonomischen Aspekte. Ich glaube, dass es an der Zeit ist, noch viel unkonventioneller zu denken. Am Ende zählt für mich die pure Leidenschaft für das Storytelling und dem Publikum einen bisher nicht dagewesenen Einblick in unbekannte Welten und damit eine einzigartige Erfahrung anzubieten. Dazu muss man maximal überzeugt sein von dem, was man macht, und sich immer wieder aufs Neue überlegen, wie man es umsetzt. Da sind bei der Auswahl der Partner und Kooperationen alle Wege denkbar und möglich – auch über Deutschland hinaus. Für mich ist gerade der internationale, europäische Aspekt ein interessanter. Deshalb möchte ich mich in Zukunft auch darauf fokussieren. 

Herr Hadda, vielen Dank für das Gespräch.