Frau Engelke, Herr Pastewka: „Perfekt Verpasst“ ist Ihre Idee, aber längst nicht allein Ihr Werk. Können wir über die Genese der Serie sprechen?

Anke Engelke: Wir hatten während der Pandemie 2020 festgestellt, dass wir unbedingt mal wieder was miteinander machen wollen. Wir sind zweimal für eine Woche in Klausur gegangen, haben Ideen gesammelt, uns eine Story mit Figuren und allem Pipapo ausgedacht und sind dann gemeinsam zur btf gegangen mit unserer Idee und der Hoffnung, dass sie uns nicht für verrückt erklären. Stattdessen haben sie uns aber aufgenommen und uns in einen einen Writers' Room mit Profis gepackt. Also: Die Idee der Serie und die Figuren in ihrer Grundanlage kamen von uns, die Feinheiten haben wir dann den Profis überlassen.

Zum Beispiel die vielen kleinen Alltagsthemen, die in der Serie stecken? Literatur, die nach Farbe des Buches gekauft wird, sinnlose Typen-Tests als Marketing-Tool, der Fitness-Terror von Smartwatches und WhatsApp-Gruppen aus denen man ausgeschlossen ist…

Anke Engelke: Jeder sammelt im Leben eine Bibliothek an Beobachtungen und Themen, die man mal irgendwo aufgeschnappt hat, über die wir uns dann im Writers Room ausgetauscht haben, nicht nur mit den beiden Chefautoren Claudius Pläging und Sebastian Colley. Sintje Rosema war meist aus Portugal zugeschaltet, Fabienne Hurst war dabei und natürlich auch mal Philip Käßbohrer, mal Jule Everts und eben wir zwei. Da spielt man sich dann die Bälle zu, das ist das Tolle am Writers Room. Und dann entstehen eben beim Entwickeln Details wie der Kunde, der in der Buchhandlung seine Bücher nach Farben einkauft, weil Bücher zur Deko verkommen. Aber es ging uns jetzt nicht darum möglichst viele gesellschaftliche Schieflagen zu thematisieren. Das ist eher anders rum, wenn man sich freut, dass es solche Momente auch noch reinschaffen. Da hat vor allem Basti - correct me if i’m wrong - eine große Freude dran, noch das ein oder andere einbauen zu können.

Bastian Pastewka: Wir können uns mit Fug und Recht Ideengeber*innen nennen, auch die Marburg-Idee kam von uns…

Anke Engelke: Von Dir!

Bastian Pastewka: …also die Idee, bewusst die Innenstadt einer Kleinstadt zu wählen, bei der es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich zwei Menschen einfach nicht treffen. Und dieses Wimmelbild der Unwahrscheinlichkeiten, das die Serie ja am Ende des Tages auch sein will, war eine Prämisse mit der sofort alle gespielt haben. Philip Käßbohrer kam auf die Idee dieser beiläufigen indirekten Kommunikation über den Schmutz auf der Fensterscheibe eines Autos. Fabienne Hurst wiederum hat uns die ganze Holistik-Folge geschenkt. Mein Strang, auf den ich immer gesetzt habe - und für den ich ausgelacht wurde - war die Geschichte mit den Schuhen. Wir wollen nicht zu viel verraten. Aber das war so ein Detail das ich nicht verlieren wollte, weil es genau darum geht bei „Perfekt verpasst“: Wir legen am Anfang so viele Fährten aus, die wir dann später wieder aufgreifen.

Bei so vielen Kreativen: Wie viele gute Ideen musste man doch wieder opfern, um bei der Serie die Balance zwischen Gags und der Geschichte zu behalten?

Bastian Pastewka: Die Prämisse einer romantischen Komödie über zwei Personen, die für einander bestimmt sind, aber sich niemals treffen ist der Kern dieses achtteiligen Marburg-Puzzles. Und dem untergeordnet kann man dann gucken, was stilistisch geht und was nicht. Hin und wieder ist Slapstick möglich, aber uns lag am Herzen, das Genre der Romantic Comedy hier einmal auf links zu drehen. Mit so tollen Autorinnen und Autoren lässt sich dieser Rahmen dann mit Leben und denkwürdigen Dialogen füllen.

 

"In der Retrospektive lässt sich jetzt festhalten, dass das alles viel philosophischer und emotionaler geworden ist als bei unserer ersten Grundidee"

Anke Engelke

 

Für mich fühlte sich die Serie wie eine Sinnsuche in einem gewissen Alter an - mehr noch als eine Rom Com… 

Anke Engelke: Die Sinnsuche kam dann definitiv dazu. Bastian und ich waren die ältesten im Writers Rooms, aber auch die Kolleg*innen in ihren 30ern und 40ern konnten sich sehr mit der Frage identifiieren, wohin die Reise im Leben eigentlich geht. Der Angang war also recht synchron. Vielleicht ist das auch immanent bei Künstler*innen, die als kreative Menschen vielleicht besonders oft gewohnt sind, Fragen aufwerfen. In der Retrospektive lässt sich jetzt festhalten, dass das alles viel philosophischer und emotionaler geworden ist als bei unserer ersten Grundidee. Weil das im Miteinander so entstanden ist. Ich freue mich, wenn Menschen die Serie decodieren und für sich so viel mehr entdecken. Das ist ein ziemlich schöner Effekt. Es ist definitiv auch eine Serie über Lebensentwürfe und die Offenheit für Veränderung. Dass sich ein älterer Mann spät im Leben als homosexuell outet. Dass eine junge Frau ganz selbstbewusst nicht monogam lebt, sondern ihre Freiheiten liebt und lebt. 

Seit Monaten ist das Projekt als erste gemeinsame Serie von Ihnen Beiden angekündigt - und dann spielen Sie fast gar nicht zusammen…

Anke Engelke: (lacht) Wir wollten dringend miteinander spielen und tun das ja auch, aber wollten einander auch viele Freiräume geben und dafür war die Grundidee so ideal.

Bastian Pastewka: Unser Sonderangebot: Bei uns bekommt man zwei Sitcoms in einer.

Herr Pastewka, Sie haben sich lange selbst gespielt - in einer fiktionalen Version. Wie sieht es bei diesen beiden Rollen aus: Wie nah sind Anke und Bastian an Maria und Ralf? Wenn Maria darüber sinniert ob Mut eigentlich was Positives ist… identifizieren Sie sich damit?

Anke Engelke: (überlegt) Ist Maria mutiger als ich? Nein ich glaube eher unverschämter fremden Menschen gegenüber. Im privaten Umfeld bin ich selbst schon auch eine kritische Person und sage meine Meinung, weil ich das schon auch wichtig finde. Bastian verdreht dann schon mal die Augen, wenn ich was anmerke. Aber kein Vergleich zu Maria. Die ist ja richtig übergriffig, unverschämt und schnell beleidigt. Mir ist die Maria daher eigentlich recht fremd, aber zugleich  interessant, weil man hängen bleibt und sich fragt, in welche Richtung es noch geht. Ich weiß jetzt gar nicht ob ich mit der gerne befreundet wäre? Man würde sie auf jeden Fall gerne mal kräftig durchschütteln, um sie aufzuwecken, wie bei Ralf ja übrigens auch. Der rafft ja noch weniger.

 

"Streaming hat das Seriengeschäft nicht nur inhaltlich und stilistisch sondern auch in der Rezeption diversifiziert."

Bastian Pastekwa

 

Ralf kommt in der Serie immer wieder in hochgradig unangenehm-peinliche Situationen, die man als Zuschauer kaum erträgt. Ist das Sadomasochismus oder macht Ihnen das Spaß?

Bastian Pastewka: Das macht Spaß und wie! Das ist die Komik die ich so liebe und bin dankbar, dass es solche Situationen für meine Figur in den acht Folgen von „Perfekt verpasst“ mehr als genug gibt und es wird immer schlimmer. Dieses wiederholte Scheitern mit Ansage; das macht die Figur nahbar und damit so anders. Maria versucht permanent ihren Alltag zu kontrollieren und verliert sich dabei. Ralf ist hingegen ja gütig bis zur Schmerzgrenze und merkt gar nicht, wie er von seinem direkten Umfeld immer wieder hops genommen wird. 

Sie arbeiten beide nicht das erste Mal mit einem Streamingdienst. Schön, dass es nicht gleich am nächsten Morgen eine Quote gibt? 

Bastian Pastewka: Auch wer sehr gerne Serien guckt, schafft es nicht, jede neue Serie sofort zu sehen. Manche entdeckt man sogar erst später für sich oder hebt sie sich auf. Streaming hat das Seriengeschäft nicht nur inhaltlich und stilistisch sondern auch in der Rezeption diversifiziert. Persönlich finde ich das eigentlich ganz funky. Deswegen kann es so schnell kein Urteil geben. Aber natürlich guckt auch ein Streamingservice wie Prime Video am Ende irgendwann auf die Zahlen - und wenn keiner „Perfekt verpasst“ guckt, dann kriegen wir wohl auch keine Einladung mehr zu „LOL“ (lacht). 

Gutes Stichwort: Sie haben nun schon mehrfach zusammen bei „LOL“ mitgemacht, jetzt die gemeinsame Serie: Ist Prime Video das neue Sat.1?

Anke Engelke: (lacht) Wir werden niemals vergessen, dass Sat.1 der Sender war, der die „Wochenshow“ möglich gemacht hat und über den wir uns perfekt gefunden haben. Das war ein Sender, der großen Mut bewiesen hat in dieser Zeit. Aber die Phänomenologiebei Sat.1 ist ja, dass der Sender inzwischen mehr Geschäftsführer hatte als wir Staffeln unserer Sendungen dort. Es spielt für mich übrigens erstmal eine untergeordnete Rolle, ob es Fernsehen, Kino oder Streaming ist. Das überlese ich ganz oft auch erst einmal, weil mir der Inhalt gefallen muss. Alles andere ist sekundär.

Letzte Frage: Erleben wir gerade - nach Jahren von Relevanz und Impact Comedy - die Rückkehr des leichteren, unbeschwerteren Humors?

Anke Engelke: Mein eigenes Portfolio richtet sich nie nach sozialgesellschaftlichen Aspekten oder möglichen Botschaften. Ich fände es anmaßend, dazu empfinde ich mich als ein zu kleines Rädchen. Wir wollen, und da kann ich für Basti mitsprechen, Dinge machen, die uns selbst erfreuen. In den letzten 28 Jahren haben wir gemerkt, dass das offenbar ansteckend ist und wir hier und da Menschen damit erreichen und echt erfreuen. Aber wir haben keine Mission.

Frau Engelke, Herr Pastewka, herzlichen Dank für das Gespräch.

Bastian Pastewka: Aber gerne. Ich hab ja im Grunde kaum was gesagt!

Alle acht Folgen von "Perfekt Verpasst", produziert von der btf, sind ab sofort abrufbar bei Prime Video. Die DWDL-Kritik zur Serie erscheint am Nachmittag.