Herr Rasmus, kein Sender hat über die Jahre mehr Daily-Soaps oder Telenovelas probiert als Sat.1, von "So ist das Leben! Die Wagenfelds" über "Geliebte Schwestern" bis hin zu "Verliebt in Berlin", "Anna und die Liebe", "Eine wie keine" oder "Hand aufs Herz". Dann kam lange nichts, jetzt die Renaissance. Warum? 

Deutsche Fiction ist einfach immer schon ein Herz-Genre des Senders. Das fängt beim "Bergdoktor" an, geht weiter mit der "Wanderhure"-Trilogie und „Für alle Fälle Stefanie“ bis hin zu unseren Soaps wie "Verliebt in Berlin". Mit "Die Landarztpraxis" docken wir genau dort wieder an.  

Wie zufrieden sind Sie mit der zweiten Staffel, die kürzlich Halbzeit gefeiert hat?

Sehr. Sie läuft linear gut und bei Joyn hervorragend. "Die Landarztpraxis" lockt mehr Menschen um 19 Uhr zu Sat.1, aber – und das ist elementar – auch zu Joyn. Die Zahlen auf Joyn sind in Staffel zwei höher als in der ersten Staffel, und schon unsere Erwartungen für die erste Staffel wurden damals übertroffen. Man muss diese Serie nicht erklären, weil sie 100 Prozent Sat.1 ist. Ein tolles Gesamtpaket. Und bevor Sie fragen: Ich werde keine konkreten Zahlen nennen.

Vielleicht ja bei dieser Frage: Gibt es eine dritte Staffel?

Die Zahl drei kann ich nennen, ja! Wir werden eine dritte Staffel von "Die Landarztpraxis" produzieren, worüber sich alle riesig freuen, die seit mehr als einem Jahr an dieser schönen Serie arbeiten. Der Dreh wird auch noch 2024 beginnen. Selbstverständlich wird Caroline Frier wieder als Dr. Sarah König dabei sein. Und es gibt noch eine tolle Nachricht: Wir hatten 60 Folgen in Staffel eins, 80 in Staffel zwei – nun erhöhen wir erneut. Die dritte Staffel bekommt 120 Folgen.

Im Herbst wollen Sie auch den 18-Uhr-Slot mit einer Daily bespielen, die ebenfalls erstmal 80 Folgen lang ist. Wie sieht Ihr Plan für die Saison aus?

Eine kluge Frage, weil sie auch die Frage aufwirft, wie genau unsere künftigen Serien aussehen werden. Die Themen, die wir besetzen, sind so angelegt, dass sie lange tragen, ohne aber Telenovela-Stoffe zu sein. Wir wollen also mit mehreren Serien unterwegs sein. Das können pro Sendeplatz drei sein, aber auch zwei. 

Marc Rasmus © DWDL Jongliert mit immer mehr Serien: Sat.1-Zirkusdirektor Rasmus

Die "Spreewaldklinik" startet im Spätsommer, im Herbst dann "Für alle Fälle Familie". Was wird diesen Formaten ihren USP geben?

Wir wollen nicht 'more of the same' machen, aber den Menschen trotzdem ein vertrautes Gefühl geben. Sat.1 steht für Verlässlichkeit und bestimmte Emotionen. Bei der "Spreewaldklinik" setzen wir auf eine starke weibliche Hauptfigur, die Ärztin Dr. Lea Wolff, gespielt von Sina-Valeska Jung. Lea musste ihre Tochter als Jugendliche zur Adoption freigeben und findet nun nicht zur Ruhe. Deshalb fährt sie in den Spreewald, um ein klärendes Gespräch mit dem Kindsvater zu führen. Dort trifft sie auf das ein oder andere Geheimnis und merkt schnell, dass sie im Spreewald Antworten findet. Im Gegensatz zur "Landarztpraxis" sind wir viel mehr im Krankenhaus. Wir werden also ein bisschen "Grey's Anatomy" und "Schwarzwaldklinik" spüren. 

In dem Krankenhaus waren Sie selbst auch schon…

Man muss wissen: Es gibt diese "Spreewaldklinik" wirklich. Als ich da war und den Dreh besucht habe, war ich in einem Krankenhaus, in dem kranke Menschen versorgt und operiert werden. In diesem vollen Betrieb finden Dreharbeiten statt – in einer Art und Weise, die ich so noch nie erlebt habe. Alle gehen unglaublich respektvoll miteinander um. Das ist ganz toll und umsichtig organsiert. Vor Ort hat man das Gefühl, dass Fiktion und Realität verschwimmen. Dort wird eine Szene gedreht, und im Hintergrund steht jemand mit einem Gips-Arm und man weiß gar nicht: Ist er Statist oder ist er Patient, der es spannend findet, dass hier gedreht wird? Entsprechend ist es das lebendigste Set, das ich je erlebt habe. Wir starten mit der "Spreewaldklinik" am 23. August auf Joyn und am 29. August in Sat.1. Zu sehen sind darin neben Sina-Valeska Jung und Muriel Baumeister unter anderen auch Karsten Speck, Daniel Buder, Isabel Hinz und Daniel Scholz.

Für den 18-Uhr-Sendeplatz, auf dem linear keine Soap mehr im deutschen Fernsehen läuft, machen Sie nun "Für alle Fälle Familie". Nächste Woche startet der Dreh. Was erwartet uns?

Zunächst einmal ist das nun eine Stunden-Serie. Wenn wir also von 60 Minuten sprechen, haben wir eine andere Dramaturgie und wir passen uns auch dem Sendeplatz an. Es wird nicht ganz so dramatisch, bekommt etwas mehr Leichtigkeit und Augenzwinkern. Wir sind wieder in einer Sehnsuchtsregion. Gedreht wird in Cochem an der Mosel, ein großartiger Ort für eine Serie. Das weiß ich, weil ich ganz in der Nähe groß geworden bin. Unsere Hauptfigur kommt als Familienrichterin in die Stadt. Sie hat sich von ihrem Mann getrennt und ist am Wendepunkt ihres Lebens: Jetzt verfolgt sie endlich ihren Traum, den sie damals für ihren Mann liegen gelassen hat, ordnet ihr Leben neu und stellt ihren Sohn, sich, ihre Träume und ihre Kernfamilie wieder in den Vordergrund. Also nimmt sie einen Job als Familienrichterin in ihrem Heimatort an der Mosel an. Und ja: Auch sie wird über die Liebe stolpern.

 

"Wir leben in einer Welt, die zurzeit von vielen als bedrohlich, vielleicht hässlich, empfunden wird. Dazu schaffen wir einen Kontrapunkt."

 

Wenn "Für alle Fälle Familie" kommt, was passiert dann mit "Notruf", das ja vor allem bei den jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern durchaus gute Quoten macht? 

"Notruf"ist auf einem guten Weg, und wir sind zurzeit guter Dinge, dass daraus eine neue Sat.1-Bestandsmarke werden kann. Deshalb produzieren wir weiter und ziehen die Sendung mit dem Start von "Für alle Fälle Familie" auf den 17-Uhr-Platz vor.

Für 2025 haben Sie dann also mehr von der "Landarztpraxis" - und was genau für 18 Uhr?

Normalerweise wäre das jetzt der Vorlauf, um diese Frage zu beantworten. Wir haben derzeit aber ungewöhnliche Vorläufe. Heißt: Der Januar ist noch weit weg. Wir haben einige Stoffe identifiziert und sprechen mit fast allen relevanten Fiction-Produzenten in Deutschland. 

Was reizt Sie an diesem ungewöhnlichen Modell, tägliche Serien abzuwechseln und damit auch mal pausieren zu lassen?

Würden wir jetzt Endlos-Serien herstellen, dann müssten wir den Charakter der Serie deutlich verändern. Wir glauben aber an das, was wir sehen, an unsere Strategie und sind uns sicher: Das ist exakt das Richtige für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer in Sat.1 – und auf Joyn. Ohne die Pausen würden die Formate anders aussehen und sich anders anfühlen. 

Zusammengefasst für die Branche: Sie suchen starke Familiengeschichten, weibliche Hauptfiguren, verortet in deutschen Wohlfühlregionen/Sehnsuchtsorten?

Lassen Sie uns das nicht kategorisieren. Ich würde nicht sagen, dass es zwangsläufig immer um Familie gehen muss. Auch nicht, dass wir ausschließlich deutsche Sehnsuchtsorte suchen. Würde ich das so bestätigen, würde ich gleichzeitig mögliche spannende Welten oder Stoffe ausschließen. Am Ende geht es doch darum, dass wir das Gefühl der Zuschauerinnen und Zuschauer treffen. Wir wollen das zeigen, was sie von Sat.1 erwarten dürfen.

Was wäre das?

Ein Sat.1, das ihnen wieder klar zeigt, dass Sat.1 sie versteht. Dass Sat.1 klar weiß und spürt, wo die Menschen sind und sie somit auch emotional berühren kann. Wir wollen ein selbstverständliches Miteinander anbieten. Mit unseren Serien möchten wir unsere Zuschauerinnen und Zuschauer nach einem schweren Arbeitstag abholen. Wir leben in einer Welt, die zurzeit von vielen als bedrohlich, vielleicht hässlich, empfunden wird. Dazu schaffen wir einen Kontrapunkt.

Herr Rasmus, herzlichen Dank für das Gespräch.