Herr Steinbusch, ein Jahr nach dem Einbruch erholen sich die Werbeeinnahmen der großen Sender. Spüren Sie schon eine Erholung in der Produktionsbranche?
Die Situation ist noch genauso angespannt wie vor zwölf Monaten, aber es schwingt in der Branche meiner Einschätzung nach wieder mehr Hoffnung mit, dass es spätestens 2025 besser wird und sich die Auftragslage normalisiert. Dazu kommt, dass wir es als Spezialist für Entertainment-Shows in einem solchen Sportjahr noch ein bisschen schwerer haben. Umso mehr freuen wir uns, wenn der Sport dann neben dem Ü-Wagen Geschäft auch in unsere Studios rüberschwappt wie bei dem bei uns produzierten „RTL-EM-Studio“ von Raab Entertainment.
Nicht nur die Sendung wird hier produziert, die Firma hat sich auch hier niedergelassen. Wie wichtig ist das für EMG Germany?
Ja, wir sind sehr froh, dass sich Raab Entertainment wie auch schon Filmpool für ein Headquarter bei uns auf dem Gelände entschieden hat. Es ist der Start einer langjährigen Beziehung und ein wirklich partnerschaftliches Miteinander. Da liegt es natürlich nahe, gewisse Shows auch hier auf dem Gelände zu produzieren. Die Nähe von Redaktion und Produktion wird ja grundsätzlich sehr geschätzt. Für uns ist das auch ein Beweis für die Attraktivität des Standorts Hürth und unserer Produktionsumgebung hier. Ich glaube, wir hatten noch nie so viele Senderchefs und Streamingvertreter auf dem Gelände. Mit den Nachbarn von Filmpool freuen wir uns, dass Geschäftsführer Vittorio Valente jetzt auch CEO von All3Media Deutschland ist. Also: Es ist trotz der allgemein schwierigen Branchenlage viel los auf dem Gelände.
Und in wenigen Wochen feiert „Wer wird Millionär?“ seinen 25. Geburtstag in Studio 7. Herr Jauch amüsierte sich kürzlich in einem Gespräch mit uns über die Baufälligkeit des Sets…
(lacht). Wir sind als technischer Dienstleister dafür verantwortlich, dass wir unsere Technik laufend aufpolieren und das tun wir regelmäßig. Für das Studioset dagegen ist der Kunde selber verantwortlich. Da würden wir es mit Wonne und Lust begrüßen, wenn dort auch poliert wird, aber das liegt außerhalb unseres Einflusses. Wir freuen uns aber, dass wir seit einem Vierteljahrhundert die Heimat von Deutschlands beliebtester Quizshow sind. Und „Stern TV“ ist noch länger bei uns. Dafür steht EMG: Beständigkeit und Verlässlichkeit.
Ärgert es deshalb besonders, dass die Etablierung einer täglichen dreistündigen Live-Show bei Sat.1 im vergangenen Jahr nicht geklappt hat?
Das war natürlich schade. Aus unserer Sicht hat das Projekt hervorragend geklappt, es gab keine Kritik vom Auftraggeber. Wir konnten die Kreativen bei der Umsetzung der Idee unterstützen, damit sie sich um die Technik keine Gedanken machen müssen. Leider waren die Quoten dann nicht da, wo sie sein sollten. Aber mit der Daily haben wir neue Verbindungen nach Unterföhring geknüpft. Wir haben weiterhin Produktionen von ProSiebenSat.1 bei uns, wie die „Quatsch Comedy Show“
Noch als Nobeo wurde parallel zum Studiogeschäft auch das Geschäft mit Ü-Wagen ausgebaut. Wie positionieren Sie EMG Germany jetzt?
Während der Pandemie haben wir uns noch stärker auf unser Kerngeschäft, die Studio-Produktion von Entertainment fokussiert, auch weil natürlich während der Pandemie das Ü-Wagen Geschäft zeitweise zum Erliegen gekommen ist. Wir konnten hier auf dem Gelände unter wechselnden Auflagen - hingegen durch produzieren. Wir sind auch weiterhin als rasende Produzenten in Europa unterwegs, produzierten gerade den Europäischen Erfinderpreis für das europäische Patentamt auf Malta. Und sind bei der UEFA Euro in Köln und Düsseldorf gerade Hostbroadcaster, machen außerdem das Fan TV in allen zehn Stadien. Aber noch stärker als früher ist unser Kern die Studioproduktion und Postproduktion hier auf dem Gelände.
Und wie läuft das Kerngeschäft?
In der Post-Pandemie-Phase waren die Studiokapazitäten sehr knapp, weil viel aufgeholt wurde. In dieser Zeit hatten wir sehr lange Vorlaufzeiten. Aber in der jetzigen Phase, in der wieder mehr Studiofläche verfügbar ist, spüren wir einen Rückfall in das Muster der sehr kurzfristigen Anfragen, was nicht neu für uns ist. Es macht allerdings auch das Event-Geschäft schwierig, weil dort mit großem Vorlauf geplant werden muss und man möglicherweise dann verplant ist für kurzfristigere TV-Anfragen.
Inzwischen setzen auch Streamingdienste neben Fiction auch auf Entertainment-Formate. Fällt da was vom Kuchen für Sie ab?
Wir glauben fest an das Wachstumspotential von Entertainment-Programmen auch bei den Streamingdiensten, denn Sportrechte und die nächste Hit-Serie sind oft flüchtig und können nicht so stetig beim Aufbau eines USP‘s helfen wie Entertainment-Programme. Aber wir freuen uns natürlich, dass wir zum Beispiel bei Prime Video bei der Umsetzung der Champions League Übertragungen unterstützen können. Die Highlightshow entsteht hier bei uns. Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich, dass es künftig eher mehr als weniger Nachfrage nach Studios geben wird.
Andere Standorte sorgen sich um eine dringend nötige Reform der Filmförderung, die mehr Investitionen in deutsche Produktionen sichern soll. Teilen Sie diese Sorge?
Wir sind als Mitglied des VTFF natürlich bei dieser Diskussion auch dabei und unterstützen die Aktionen, weil eine Reform wichtig wäre für unsere Branche. Auf EMG Germany hat die Diskussion aber keinen direkten Impact, weil wir hier in Hürth keine fiktionalen Produktionen realisieren.
Stichwort Impact: Seit vergangenem Herbst gibt es mit Bavaria Studios in Köln-Bocklemünd einen neuen Wettbewerber am Standort. Was ist Ihre Sicht darauf?
Wie ich schon sagte: Der Bedarf nach Kapazitäten steigt eher als er sinkt. Es ist außerdem ein Beweis für die hervorragenden Produktionsbedingungen hier in und um Köln, die wir schon seit Jahrzehnten mitprägen. Gegen Wettbewerb ist nichts zu sagen, der treibt meist an und hilft auch nochmal einen Blick auf die eigene Effizienz zu werfen. Wünschenswert wäre es allerdings, wenn alle Wettbewerber auch nach den gleichen ökonomischen Prinzipien arbeiten würden und da darf es nicht zum Missverhältnis kommen.
Veränderungen gab es auch bei Ihnen im Haus: EMG Group ist auf europäischer Ebene mit Gravity Media verschmolzen. Hat das Auswirkungen auf das Geschäft in Deutschland?
Wir sind durch den Merger als Gruppe jetzt noch internationaler vernetzt, und das über viele Kontinente hinweg. In diesem noch größeren Konstrukt wurden Regionen geschaffen; in unserem Fall ist das Belgien, Holland und Deutschland. Wir merken da schon sehr positive Effekte, weil wir stärker mit unseren Kolleginnen und Kollegen zusammenrücken bei wichtigen Themen. Es gibt es auch eine stärkere Management-Verflechtung. Innerhalb des Gesamtkonzerns sind wir der Spezialist für Studioproduktion und freuen uns, die Expertise einbringen zu können. Und ganz pragmatisch: Über den Merger ist in diesem Jahr auch die Produktionsunterstützung für Riot Games in Berlin in unsere Verantwortung gefallen. Aus diesem Grund sind wir jetzt auch in Berlin vertreten, auf dem Gelände von Studio Berlin. Als Gruppe sind wir gerade bei der Tour de France aktiv, auch bei den Olympischen Spielen in Paris inklusive der Eröffnungsfeier. Und ich freue mich, dass wir als EMG Germany diese Produktionen mit unterstützen können, und dabei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gelegenheit geben, innerhalb der Gruppe auch mal in andere Bereiche reinzuschnuppern, ihre Expertise mitzubringen und weiter zu lernen. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter gut qualifiziert sind und auch Spaß an der Arbeit haben. Ich war positiv überrascht wie viele von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.
Mit Blick zu Ihren Kolleginnen und Kollegen im Ausland: Ist die Herausforderung im Produktionsmarkt ein sehr deutsches Problem oder wird Ihnen das auch aus anderen Märkten gespiegelt?
Es gibt sicher europaweit eine gewisse Tendenz zu beobachten. War in der Pandemie schwerpunktmässig die Außenübertragung von Events betroffen, wird gerade eher durch die Werbemärkte bei einigen Studioproduktionen gespart. Dies zeigt sich auch in den andere Ländern der EMG Group. Aber das sind normale Schwankungen mit denen alle Dienstleister rechnen müssen. Wir bleiben optimistisch.
Der Umstieg auf HD war für alle Infrastruktur-Anbieter eine große Investition, die von Kunden nicht immer monetär honoriert wurde. Gibt es 2024 wieder technische Themen, die vor Herausforderung stellen?
Im klassischen Studiobereich, gerade auch im Entertainment-Bereich ist im Moment eher eine Stabilisierung der Technologien zu beobachten, auch aus Budgetgründen. Dieser alte Gedanke „ihr macht neues Fernsehen zum alten Preis“, der geht einfach nicht. Das haben auch alle verstanden, daher gibt es da gerade keine wesentlichen Evolutionsstufen. Aber einen Trend gibt es im Bereich Sport und Event: Es gibt schon den klaren Trend Richtung remote Production und dafür sind wir in der Gruppe europaweit sehr gut aufgestellt. Das heißt, wenn das Thema auch hier für uns eine größere Relevanz kriegt, können wir von den Erfahrungen der Gruppe profitieren. Und das zweite allgegenwärtige Thema ist ja immer KI, aber das ist im Bereich der Studioproduktion noch nicht so sichtbar. Umso mehr aber in der Postproduktion. Da treiben wir gerade verschiedene Entwicklungen voran, die KI zu nutzen, um Workflows zu optimieren, wir reden da z.B, über automatisierte Szenenerkennung und automatisiertes Logging.
Versteht sich EMG Germany als reiner Dienstleister oder gibt es Ambitionen auch stärker inhaltlich aktiv zu werden?
Wir haben keinerlei Absichten uns kreativ zu engagieren oder selbst unter die Produzenten zu gehen. Wir sind und bleiben Dienstleister. Wir bieten aber all unseren Kunden an, uns frühzeitig mit an Bord zu holen bei neuen Ideen und Projekten. Nicht weil wir kreativ sind und mitreden wollen, aber weil wir rechtzeitig Feedback zu Technik und Umsetzung geben können, was doch manchmal zu spät bedacht wird. Ein früherer Dialog kann helfen, das Endprodukt noch besser zu machen.
Herr Steinbusch, herzlichen Dank für das Gespräch