Vor einem Jahr hat Sky Deutschland seinen Abschied aus fiktionalen Eigenproduktionen bekannt gegeben. Wie oft mussten Sie seitdem Produzentinnen und Produzenten erklären, dass das nicht für Non-Fiction gilt?

Asanger: Das kann ich nicht an zwei Händen abzählen – zuletzt vergangene Woche beim Empfang der Produktionsallianz. Auch da musste ich die Frage beantworten, ob wir wirklich ganz raus sind. Die klare Antwort ist: Nein. Wir machen unverändert mit non-fiktionalen Originals weiter. Umso besser, dass ich es jetzt über DWDL, das alle lesen, nochmals erklären kann: Sky investiert jetzt und auch künftig nachhaltig in die deutsche Produktionslandschaft.

Wobei man anmerken muss, dass wir natürlich nicht mehr von den Budgets sprechen, die es gab, als auch noch Fiktion bei Sky in Deutschland eigenproduziert war.

Asanger: Völlig richtig. Es waren früher andere Zeiten und andere Budgets. Die unternehmerische Entscheidung, sich aus der Fiction zurückzuziehen, hatten wir damals ausführlich begründet. Sie betrifft allerdings das Budget für Non-Fiction in keiner Weise.



Wir haben vergangene Woche beim Screenforce Festival in Düsseldorf Cowgirls und -boys gesehen, Football oder Tequila. Sky war nicht auf der Bühne dabei. Wie würde denn Ihr Screening aussehen?

Asanger: Bei uns stünde ein riesiger Drachenkopf im Mittelpunkt. Wir haben unser absolutes Entertainment-Highlight des Jahres, nämlich Staffel zwei von "House of the Dragon" vergangene Woche bei einem großen Premieren-Event in Berlin gefeiert, eben genau mit einem fast vier Meter hohen Drachenkopf als Dekoration. Dieser steht übrigens inzwischen vor unserem Unternehmenssitz in Unterföhring und ruft großes Interesse hervor.

DrachebeiSky © Sky / J. Angelina


Sie sprechen "House of the Dragon" an. Sie verzichten derzeit darauf, die brandneuen Folgen auch linear zu zeigen und setzen voll aufs Streaming. Damit verzichten Sie aber auch auf teils 40 Prozent Marktanteil bei den Premieren auf den linearen Sendern. Warum?

Asanger: Unser Fokus liegt ganz klar auf On-Demand-Nutzung und paralleler Ausstrahlung zur US-Premiere. Wir gehen daher jeden Montag ab 4:00 Uhr mit den Folgen auf Sky und Wow live. Sie sprechen die AGF-Zahlen an, die aber nur ein Teil der Gesamtnutzung sind. Man muss Folgendes wissen: Die linearen Sender haben bei der ersten Staffel weniger als 20 Prozent der Gesamtnutzung ausgemacht. Heißt: Mehr als 80 Prozent der "House of the Dragon"-Nutzung war schon vor zwei Jahren auf Abruf, da die wenigsten auf eine feste Uhrzeit warten wollen. Wir gehen hier also auf unsere Kundenwünsche ein, indem wir den Fokus auf On Demand legen.

Wäre Natascha Ochsenknecht denn ein Teil des diesjährigen Sky-Screenings gewesen?

Asanger: Natascha war in Berlin bei unserem "House of the Dragon"-Event dabei. Sie und die ganze Familie Ochsenknecht bleiben fester Bestandteil der Sky- und Wow-Familie. Wir haben eine vierte Staffel von "Diese Ochsenknechts" in Auftrag gegeben und werden die Geschichten von Natascha, Wilson, Cheyenne, Nino und Oma Bärbel weitererzählen. Jimi wird sicher auch in irgendeiner Form dabei sein – und sei es als Gesprächsthema. Doch nicht nur das: auch der Spin-Off "Unser Hof – mit Cheyenne und Nino“ wird mit einer zweiten Staffel fortgesetzt. Da haben wir unter anderem in Japan gedreht, wo sich Cheyenne und Nino auch über Wagyu Rinder informiert haben, die ihre Chianina-Zucht ergänzen sollen. Und natürlich gibt es viele weitere neue Geschichten vom Landleben in der Steiermark. "Unser Hof" planen wir bereits für Herbst diesen Jahres, "Diese Ochsenknechts" laufen dann in ihrer vierten Staffel 2025.

Sie haben den Wert der Familie Ochsenknecht ja schon früher angesprochen. Welche Zutaten sorgen für den von Ihnen genannten Erfolg der Doku-Serie?

Asanger: Das hat viel damit zu tun, dass sie so authentisch sind. Die Sendung beweist, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Natürlich haben wir vorher Ideen, was wir erzählen wollen. Etwa, die Familie beim Urlaub in Ibiza zu begleiten. Aber es gibt immer überraschende Momente und mit vielem, was passiert, haben wir überhaupt nicht gerechnet. Denn eines ist bei dieser Familie sicher: Langweilig wird es mit ihnen nicht.

 

Wir brauchen ein Ensemble, mehrere Charaktere, die zusammen agieren – so dass etwas Neues, Spannendes, gutes Entertainment entsteht. Mit nur einer Person ist das schwierig. Christian Asanger über Learnings aus der Doku-Serie mit Jeremy Fragrance



Mit Jeremy Fragrance wollten Sie an diesen Erfolg anknüpfen. Dass er vergangenes Jahr das falsche Umfeld wählte, ist das eine, Ihre Aussage, seine Reality-Show ohnehin nicht fortsetzen zu wollen, das andere. Das heißt aber: Er hat bei Ihnen die Erwartungen nicht erfüllt.

Asanger: Ein kleiner Exkurs, warum wir das gemacht haben. Er hat als Influencer sehr gut funktioniert, mit einer hohen Aufmerksamkeit in Social Media. Und sein Interview damals bei SSN hat hohe Wellen geschlagen, weil er ein 'Character' und unique ist. Dieser Erfolg hat sich aber letztlich leider nicht auf die Doku-Serie übertragen. Ein Learning daraus ist: Wir machen kein Format mehr über nur einen Protagonisten. Wir brauchen ein Ensemble, mehrere Charaktere, die zusammen agieren – so dass etwas Neues, Spannendes, gutes Entertainment entsteht. Mit nur einer Person ist das schwierig.  Das Endergebnis hat unsere Erwartungen jedenfalls nicht erfüllt. Der Skandal um seine Person kam später und war definitiv unschön. Für uns stand außer Frage, sofort zu reagieren und die Serie unmittelbar von der Plattform zu nehmen, was durchaus goutiert wurde, so mein Eindruck.

Es zeigt: Das Etablieren einer weiteren Reality-Show ist knifflig. Gibt es Pläne in dieser Richtung?

Asanger: Wir planen für dieses Jahr mit zwei Reality-Serien oder "Docu-Follows", das sind "Diese Ochsenknechts" und "Unser Hof". Für 2025 denken wir derzeit über weitere Namen nach, die passen könnten. Es müssen schon viele Kriterien erfüllt sein, weil die Ochsenknechts die Benchmark hoch gesetzt haben. Die aktuelle Ochsenknechts-Staffel war noch einmal erfolgreicher als die zweite und ist bisher der dritt meistgestreamte Wow-Titel in diesem Jahr. Besonders freut uns auch, dass er zudem von sehr vielen neuen Kunden zuerst gestreamt wird und damit mutmaßlich der Grund dafür ist, ein Wow-Abo abzuschließen. Auch bei unseren Sky Kunden befindet er sich unter den Top10 der meistgesehenen Entertainment-Titel der letzten 12 Monate. Neben der Viewing Performance ist für uns aber auch sehr wichtig, wieviel und was über unsere Produktionen geschrieben und gesprochen wird – die sogenannte Talkability. Auch hier wurden unsere ohnehin hohen Erwartungen noch einmal übertroffen. Wenn man sich die Berichterstattung in klassischer Presse, Social Media oder auch angesagten Podcasts anschaut bzw. anhört, kann man, glaube ich, bei aller Bescheidenheit sagen: Die Show hat in ihrer Fanbase bereits Kult-Status und ist Teil der deutschen Medien-Popkultur geworden.

Für die Branche zusammengefasst: Gesucht wird eine Familienkonstellation bzw. eine Gruppenkonstellation, die positiv-verrückt und chaotisch ist, aber so unique, dass die Abgrenzung zum Free-TV möglich ist.

Asanger: Gute Zusammenfassung. Wir sind auch jetzt schon in Gesprächen und haben einige Ideen.

Was planen Sie für Sky Crime, Sky Nature oder Sky Documentaries?

Asanger: Auch unsere Original Dokumentationen bereiten uns große Freude. 2024 zeigen wir neben den beiden genannten Reality-Formaten sechs deutsche Sky-Dokumentationen, teils als Serie, teils als Einzelausstrahlung. Für 2025 planen wir mit einem ähnlichen Volumen. Wir haben kürzlich unsere True-Crime-Doku über den bekannten Münchner "Parkhausmord" gelauncht. Neben überregional positiven Kritiken stieß die Doku bei unseren Kundinnen und Kunden auf tolles Feedback. Es ist die zweiterfolgreichste Doku in den vergangenen anderthalb Jahren nach dem großen Hit "Daum – Triumphe und Skandale“. Von unserer Marktforschung wissen wir, dass Dokumentationen wie diese für sehr viele unserer Bestandskunden sogenannter "Content worth paying for“ sind, sprich ein wesentlicher Grund, für den es sich lohnt, bei Sky zu bleiben.  

Auch hier wieder gefragt: Worauf ist Ihr Fokus gerichtet?

Asanger: Im Doku-Bereich sind es drei Genres. Das ist zum einen natürlich der Sport. Ich habe die Daum-Doku schon genannt. Auch “Der Anschlag – Angriff auf den BVB“ - einer uniquen Mischung aus True-Crime und Sport – war einer der meistgesehenen Entertainment-Titel auf unserer Plattform im letzten Jahr. So viel kann ich schon verraten: Für 2025 produzieren wir derzeit eine weitere Doku über eine sehr namhafte Persönlichkeit aus dem Sport. Und es gibt noch mehr tollen Content: Bereits im Herbst zeigen wir mit "Klitschko – Der härteste Kampf“ eine Koproduktion mit unseren Sky UK-Kollegen, bei der Oscar-Preisträger Kevin Macdonald Regie führte und die die beiden Box-Brüder im Ukraine-Krieg begleitet.

Neben Sport setzen wir weiter auf True Crime, das bei uns weiterhin sehr gut funktioniert, auch wenn sich scheinbar einige unserer Mitbewerber aus diesem Genre schon wieder zurückziehen. Allein in diesem Jahr haben wir noch drei weitere True-Crime-Dokus im Programm: Schon am 27. Juni kommt mit "Kill Bitcoin“ eine dreiteilige Doku-Serie über die untergetauchte 'Krypto-Queen' Ruja Ignatova, bei der Rudolph Herzog Regie führte. Im zweiten Halbjahr folgen dann noch zwei: In der einen Produktion geht es um den sehr bekannten Fall eines gesuchten Mörders, in der anderen erzählen wir die fast unglaubliche Geschichte eines Schwindlers aus der queer Community, quasi eine Art „gay Tinder Swindler“. Das dritte Genre, das wir bespielen, nennen wir "Katastrophen & Skandale". Viele erinnern sich sicher an "Juan Carlos" oder die Costa-Concordia-Doku, die wir 2023 gezeigt haben. Für 2025 sind derzeit gleich drei Projekte in Entwicklung bzw. Produktion. Wichtig ist uns: Wir wollen keinen Sensationsjournalismus, sondern bleiben seriös. Ein gutes Beispiel dafür ist auch eine kürzlich veröffentlichte Doku-Serie über das Lockerbie-Attentat, die von den Sky UK-Kollegen kam. Sie war die bisher erfolgreichste Sky-UK-Doku bei uns in Deutschland.

Es gab kürzlich eine Bären-Doku bei Sky, eine Koproduktion mit dem BR. Ist das ein Modell für die Zukunft?

Asanger: Die Zusammenarbeit mit dem BR bei "Gefährlich nah – Wenn Bären töten" war sehr gut und sehr kooperativ. Wir hatten genau dieselbe Vision und die Abstimmungen verliefen rasch und geräuschlos. Das ist nicht selbstverständlich. Dafür möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen des BR ausdrücklich bedanken. Auch die Performance des Films hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Insofern ist das für mich absolut ein Modell für die Zukunft. Was bei einer solchen Kooperation für uns immer entscheidend ist, ist ein exklusives Vorab-Fenster. Die exakte Länge kann dabei von Projekt zu Projekt variieren. Wir sind auch mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern im Austausch über mögliche neue Projekte. Ich sehe das als Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten: für den Produzenten, der Budgets ergänzen kann, für die Sender-Partner, die sich Investitionen entsprechend teilen können und natürlich in erster Linie für die Zuschauerinnen und Zuschauer, die solche Produktionen dann auf unterschiedlichen Wegen und mehreren Kanälen angeboten bekommen – Sky Kundinnen und Kunden kommen dann als erste in den Genuss.

 

"Naked Attraction" oder "Love Island" etwa waren Titel, über die wir kurz nachdachten.

 

Nochmal Bezug nehmend auf das Screenforce Festival. RTL+ hat für die neue Saison 19 Reality-Shows in Aussicht gestellt – und fährt damit, das offenbaren die Zahlen der Programmmarken, erfolgreich. Wo könnte denn Sky sein, wenn es vor vier oder fünf Jahren in die Produktion von Reality/Dating-Shows eingestiegen wäre?

Asanger: Ich bin fast acht Jahre lang bei Sky und in diesen Jahren haben wir immer wieder auch über dieses Genre gesprochen. "Naked Attraction" oder "Love Island" etwa waren Titel, über die wir kurz nachdachten. Aber wir haben uns immer wieder dagegen entschieden, weil wir glauben, dass das nicht zu unserem Sky-Portfolio passt. Bei Wow würde ich es noch eher sehen, aber da müssten wir uns heute die Frage stellen, inwiefern wir uns überhaupt noch vom Free-TV oder anderen Streamern wie RTL+ oder Joyn unterscheiden und für unsere Zuschauer einen echten Mehrwert schaffen. Insofern bin ich überzeugt, dass wir im Reality-Bereich mit "Diese Ochsenknechts" und weiteren Projekten, die diesen Anspruch haben und aus der Masse hervorstechen, einen guten, eigenen Weg gefunden haben.

Wo wollen Sie künftig Schwerpunkte setzen?

Asanger: Unser Fokus liegt neben den zuvor genannten lokalen Produktionen weiterhin bei internationalen Fiction Serien-Highlights. Wir sind ja die Heimat von HBO-Serien wie der vierten Staffel von "True Detective" und anderen Top-Serien aus den USA, wie zum Beispiel den neuesten Staffeln von "The Rookie", die wir vorab und exklusiv haben. Diese führen die Rankings unserer Viewing-Performance im Entertainment an.  Bei den diesjährigen LA Screenings gehörten nach allgemeiner Einschätzung zwei der gezeigten Serien zu den Highlights: Zum einen "The Penguin" mit Colin Farrell und zum anderen das Sky UK Original "The Day of the Jackal" mit Eddie Redmayne. Beide Titel hatten wir schon vorher für uns gesichert und werden sie unseren Kunden noch in diesem Jahr parallel zu den internationalen Premieren zeigen können.

Sky-Group-Chefin Dana Strong zeigte sich optimistisch, dass Warner und somit HBO Sky auch über 2025 hinaus erhalten bleibt. Gleichzeitig soll aber auch Max nach Deutschland kommen. Teilen Sie den Optimismus?

Asanger: Ich habe der Aussage von Dana Strong nichts hinzuzufügen.

Danke für das ausführliche Gespräch.