Frau Plenk, Sie sind seit 2018 Programmgeschäftsführerin des Kinderkanals von ARD und ZDF, erst im vergangenen Jahr wurde ihr Vertrag um drei weitere Jahre verlängert. Nun wechseln sie zum 1. April ins MDR-Landesfunkhaus Thüringen. Warum?
Astrid Plenk: Die Zeit beim Kika war eine tolle Gelegenheit, um sich für die Programmvielfalt im Öffentlich-Rechtlichen stark zu machen. Und das bei einer sehr wichtigen Zielgruppe, den Kindern. Ich bin 2018 angetreten und seitdem gibt es einen permanenten Wandel, Mediennutzungsgewohnheiten verändern sich in allen Zielgruppen und es gibt viele Diskussionen darüber, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk zu leisten hat. Als Verfechterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks will ich mich einbringen, wenn sich Möglichkeiten ergeben. Mein neuer Job als Leiterin des MDR-Landesfunkhauses Thüringen ist eine schöne Möglichkeit für mich, an den vielen aktuellen Themen zu arbeiten und mich dort für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzusetzen.
Für Sie endet damit eine lange Zeit. Sie sind ja nicht nur seit 2018 Programmgeschäftsführerin des Kika, Sie haben im MDR auch schon die Redaktion "Kinder und Familie" geleitet. 2013 promovierten Sie mit einer Dissertation zum Thema "Die Perspektive der Kinder auf Qualität im Kinderfernsehen".
Das stimmt, ursprünglich komme ich aber gar nicht aus dem Kindersegment. Ich hatte immer viel mit Nachwuchs zu tun, das ist, gerade auch im Kreativen, eine schöne Sache. Bei Universal habe ich damals aber auch unter anderem für einen Spielfilmsender gearbeitet, auch bei RTLzwei gab es vielfältige redaktionelle Themen. Und doch sind Kinder auf meinem bisherigen Karriereweg wichtig gewesen. Alle Menschen, die im Kinderprogramm tätig sind, verantworten ein großes Genre-Portfolio. Im öffentlich-rechtlichen Kosmos ist es möglich, dass man den Kindern alles anbietet. Sei es von Nachrichten und Dokumentation bis hin zum Spielfilm oder auch Animation. Diese Vielfalt an Erfahrungen ist ein großer Wert, den man auch auf andere Zielgruppen übertragen kann.
Zumal es im Kinderfernsehen ja nicht nur um die Kinder geht, sondern bekanntermaßen auch um deren Eltern.
Genau, die Eltern sind ganz wichtig. Und auch diese Zielgruppe verändert sich permanent. Da sind wir im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefragt und müssen schauen, wie wir diese jungen Zielgruppen noch besser für unsere Themen begeistern können. Da ist es für mich von Vorteil, dass ich mich in den Zielgruppen, die unsere Zukunft prägen werden, auskenne.
Sie wollten im vergangenen Jahr auch MDR-Intendantin werden. Geht das perspektivisch besser als Chefin des Landesfunkhauses Thüringen als von Ihrem jetzigen Posten?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist etwas so Tolles, dafür will ich mich einsetzen. Egal, auf welcher Position. Hier will ich etwas beitragen, das ist das wichtigste.
Sie haben schon angekündigt, das Landesfunkhaus Thüringen enger mit dem Kika vernetzen zu wollen. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?
Vernetzungsthemen sind innerhalb der ARD und mit dem ZDF gelernt und heute mehr gefragt denn je. Ich bringe da durch meine Zeit beim Kinderkanal viele Erfahrungen mit, denn hier arbeiten die Öffentlich-Rechtlichen bekanntlich eng zusammen. Es wird sicherlich inhaltliche Themen geben, bei denen wir uns die Frage stellen, wie wir jüngere Zielgruppen erreichen. Oder auch, wie wir Themen des Kika breiter zugänglich machen. So genau will ich das aber noch gar nicht ausdefinieren, weil es für mich erst einmal darum geht, in die neue Position zu kommen und zu schauen, welche Themen aktuell sind. Der Kika sitzt jedenfalls auch hier im Landesfunkhaus Thüringen und da gibt es für eine Zusammenarbeit sehr gute Voraussetzungen.
Das ein oder andere Sendeschema, das jetzt noch total unantastbar scheint, wird sich verändern.
In welchem Zustand übergeben Sie den Kika? 2023 gab es ein neues Sendeschema für die letzte Sendestunde. Wie hat sich das etabliert?
Wir haben uns mit dem Sendeschema auf die Preteens konzentriert und hatten da einige schöne Erfolge im linearen Programm. Da haben wir teilweise zweistellige Marktanteile erreicht und lagen vor ProSieben, wo ja traditionell viele Preteens und jüngere Menschen unterwegs sind. Wir haben unterschiedliche Inhalte getestet und an bestehenden Formaten gearbeitet, um sie noch stärker auf die anvisierte Zielgruppe auszurichten. Durch das neue Schema ist es uns gelungen, die Vielfalt des Programms besser darzustellen. Wenn die 10- bis 13-Jährigen lineares Fernsehen schauen, machen sie das genau zu dieser Uhrzeit. Da war es uns wichtig, abwechslungsreich zu sein. Wir schauen uns das noch immer an. Aber schon jetzt sehen wir, dass sich lineare Programmierungen auch in der Zukunft weiter verändern werden.
Wie meinen Sie das?
Das ein oder andere Sendeschema, das jetzt noch total unantastbar scheint, wird sich verändern. Da ist aktuell viel Dynamik im Markt und in den Zielgruppen. Man muss sich linear so aufstellen, dass man die Zielgruppen erreicht, wenn sie das Medium TV nutzen. Aktuell sind wir da gut aufgestellt, das kann aber auch schnell in eine andere Richtung gehen. Binge-Watching spielt bei Kindern keine große Rolle, die schauen lieber eine Folge nochmal an. Ob das so bleibt, werden wir weiter beobachten und uns eine gewisse Flexibilität bewahren.
Welche konkreten Veränderungen hat es in der Kinder-Zielgruppe gegeben, auf die Sie reagiert haben?
Wir haben die Fiktion stärker in die Abendschiene gebracht, aktuell vor allem mit einem Fokus auf den Montag und den Mittwoch. Non-fiktionale Inhalte gibt es Dienstag und Donnerstag. Es bilden sich zudem Cluster heraus und wir können beispielsweise sehen, welche Art von Fiktion genutzt wird und welche nicht. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die digitalen Ausspielwege. Lineare Programme funktionieren digital ganz anders.
Binge-Watching spielt bei Kindern keine große Rolle, die schauen lieber eine Folge nochmal an.
Und was wird linear genutzt in der Fiktion?
Was immer sehr gut funktioniert, ist das Abbilden von realem Leben. Mit amerikanischen Highschool-Serien haben wir keine guten Erfahrungen gemacht, für unser Publikum sind heimische Settings wie die Schule vor Ort wichtiger. Also zum Beispiel "Schloss Einstein", da finden sich unsere Zuschauerinnen und Zuschauer eher wieder.
Sie haben jetzt mehrmals betont, die Kinder linear dann abzuholen, wenn sie auch tatsächlich noch schauen. Wie wichtig ist ein lineare TV-Sender für Kinder im Jahr 2024 überhaupt noch?
Da hat sich seit 2018 tatsächlich viel verändert. Wir sehen aber weiterhin, dass der lineare Sender für uns ganz wichtig ist. Er korrespondiert stark mit dem digitalen Angebot, beide Seiten befruchten sich. Aus aktuellen Nutzungsbefragungen und einer Studie aus dem letzten Jahr wissen wir, dass Kinder Medien stark hybrid nutzen. TV ist da längst nicht mehr das einzige Medium, spielt aber nach wie vor eine große Rolle. Übrigens auch, um von dort in ein digitales Angebot zu kommen. Deshalb müssen wir uns im linearen Programm immer wieder neu anstrengen und das Sendeschema überdenken. Mediennutzung bei Kindern verändert sich einfach viel schneller als bei Erwachsenen.
Welche Bedeutung hat dabei die klassische Konkurrenz im Kinderfernsehen?
Die sollte man immer im Blick behalten. Früher gab es häufig Gegenprogrammierungen in Reaktion auf ein Format bei der Konkurrenz, diese Zeiten sind vorbei. Der Erfolgsgarant für den linearen Ausspielweg in den kommenden Jahren ist der Blick auf die Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe.
In Ihre Amtszeit als Kika-Chefin fiel auch die Corona-Pandemie. Welche Auswirkungen hatte das auf die Mediennutzung der Kinder, vielleicht sogar bis heute?
Die Corona-Pandemie hat unsere digitalen Angebote stark transformiert. Für die Kinder war das eine Zeit, in der es sehr viel hin und her ging. Viele Kinder haben im klassischen Fernsehen in anderen, nicht kinder-spezifischen Angeboten gestöbert, die reine Kinder-TV-Nutzung ist also gar nicht so sehr gestiegen. Digital dagegen haben wir sehr profitiert und das hält bis heute an. Wir hatten im Digitalen also keinen Corona-Effekt wie andere Branchen, die Nutzungszahlen des KiKA-Players und auf kika.de sind hoch geblieben.
Früher gab es häufig Gegenprogrammierungen in Reaktion auf ein Format bei der Konkurrenz, diese Zeiten sind vorbei.
Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
Ich nehme mit, dass wir als Kika in Krisensituationen schnell auf Wünsche und Bedürfnisse der Kinder reagieren können. Wir können in unserem Angebot jederzeit eine Live-Sendung setzen und auch beratend zur Seite zu stehen. Partizipation ist ganz wesentlich und das wollen wir auch weiterhin stärken. Dazu haben wir auch den "KiKA-Award" eingeführt, bei dem wir Kinder für ihr Engagement, das sie in die Gesellschaft bringen, feiern. Entstanden ist der Award im ersten Corona-Jahr 2020 und auch in diesem Jahr werden wir ihn wieder veranstalten.
Apropos Partizipation. Seit 2022 haben Sie einen Kinderredaktionsrat…
Das Gremium haben wir nicht nur etabliert, um Feedback zu kommen. Sondern auch, damit wir ganz konkrete Dinge verändern. Die Kinder geben uns über den Redaktionsrat Hinweise und wir versuchen, das in unseren Angeboten umzusetzen. Die Kinder haben uns dadurch zum Beispiel deutlich gemacht, dass sie kurze Filme bei uns sehen wollen. So ist unser Kurzfilmfestival "KURZweilig" entstanden.
Noch was ganz Anderes. Bundesernährungsminister Cem Özdemir plant ein Gesetz gegen Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet. Der Kika wäre davon als werbefreier Sender nicht betroffen. Dennoch: Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Das Thema Gesundheit ist für uns als Kika sehr wichtig und spiegelt sich auch in unseren Angeboten wider. Neben spezifischen Formaten hatten wir dazu auch bereits einen Themenschwerpunkt. Die privaten Anbieter sind natürlich auf Werbeeinnahmen angewiesen und ein solches Verbot hätte wahrscheinlich zur Konsequenz, dass weniger lokale Inhalte produziert werden würden. Das wäre bedauerlich für die mediale Vielfalt.
Die Übergangszeit ist jetzt relativ kurz. Was geben Sie Ihrem Nachfolger bzw. Ihrer Nachfolgerin im Kika mit auf den Weg?
Ich würde es gerne etwas umdrehen und Ihnen sagen, was wir unseren Zuschauerinnen und Zuschauern mitgeben. Im April kommt die neue Version des KiKA-Players heraus. Das freut mich besonders, denn mit diesem Projekt habe ich hier im Sender 2018 angefangen. Das war damals der Start unseres zentralen digitalen Angebots. Der Relaunch ist jetzt ein größerer Aufschlag: Die App bekommt ein neues Design, die Userinnen und User können die Inhalte künftig schneller finden und es gibt mehr Möglichkeiten zur Personalisierung, sodass die Nutzung hoffentlich mehr Spaß macht. Und dass alles funktioniert, ohne eigene, personenbezogene Daten zu hinterlegen.
Frau Plenk, vielen Dank für das Gespräch!