Herr Bartels, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Besuch in einem Fitnessstudio?

Timur Bartels: Ja, daran erinnere ich mich noch grob. Damals war ich 16 Jahre alt. Ich war danach oft im Fitnessstudio und habe dort viel Lebenszeit verbracht.

Und warum haben Sie sich angemeldet?

Ich war damals schmaler als heute und wollte besser, muskulöser aussehen. Ich war in der Schule nie der sportlichste und gleichzeitig hatte ich sehr sportliche Mitschülerinnen und Mitschüler. Da habe ich mich vielleicht mit den falschen Personen verglichen.

Was ist das Fitnessstudio für Sie heute?

Ich war jetzt lange nicht im Fitnessstudio, weil ich für den Dreh zu "Pumpen" weniger Sport machen sollte, um nicht zu fit auszusehen, weil das besser zu meiner Rolle passte. Generell ist es für mich aber ein Ort zum Abschalten, ich kann dort entspannen und denke nur an eine saubere Ausführung der Übungen und an nichts anderes.

Sie spielen in der neuen ZDFneo-Serie "Pumpen" die Rolle des Tom, einem schüchternen Nerd, dem durch den Tod seiner Mutter plötzlich ein Fitnessstudio gehört. Es ist eine Welt, die ihm eigentlich fremd ist. Wie passt diese Rolle zu Ihnen?

Diese Rolle passt auf den ersten Blick überhaupt nicht zu mir. Ich war zuerst für die Rolle des Felix (Bänker, Anm.) beim Casting, die hat dann aber Felix Everding bekommen. Der passt zur Figur grandios und ist ein ganz anderer Typ als ich. Von Produzent Tobias Ketelhut kam dann die Idee, es mit der Rolle des Tom zu versuchen. Einer Figur, die ich so noch nie gespielt habe und die auch deshalb so reizvoll war. Die Rollen von schüchternen Nerds bekomme ich selten angeboten, weil ich bislang oft in eine andere Schublade gesteckt wurde. Da war ich dann oft der Überhebliche und Selbstbewusste. Bei "Pumpen" wollte ich riskieren, auch mal over the top und ganz anders zu sein.

Ich bin auch gar nicht so ein großer Fan von Social Media und versuche meinen Konsum so niedrig wie möglich zu halten, weil man andernfalls in viele negative Spiralen kommt. 


Wie genau zeigt sich das?

Zum Beispiel: Tom desinfiziert vor allem zu Beginn alle Sachen und meidet den Körperkontakt zu allen Menschen. So deutlich war das zunächst gar nicht in den Drehbüchern angelegt. Ich wollte die Figur auch so anlegen, dass man mit ihr extremere Sachen erzählen kann, ohne dass es ihr übelgenommen wird. Tom kann das ganze Ensemble in Schwierigkeiten bringen. Er versteht Zwischenmenschliches nicht immer sofort, aber im Herzen ist er ein guter Mensch.

Pumpen © ZDF/Florian Schueppel Im "Pumpen"-Fitnessstudio sind alle eine große Familie, auch wenn es mal schwierig ist. Neben Tom (Timur Bartels) sind auch Mia (Lotte Becker, l.), Papis (Tino Führer, 2.v.l.) und Shae (Taynara Silva-Wolf, 2.v.r.) wichtige Figuren der Serie.

In der Serie geht’s auch darum, dass sich alle so akzeptieren wie sie sind, mit allen Eigenheiten. Und es sind alle eine große Familie. Wird die Vorstellung eines Fitnessstudios damit nicht idealisiert?

Am Ende geht es in der Serie mehr um das Gefühl von Familie, weil alle Figuren auf ihrem Weg jemanden verloren haben oder einsam sind. Natürlich ist es eine romantisierte Vorstellung eines Fitnessstudios in einer kleineren Stadt, aber am Ende des Tages ist eine Serie, die leichte Kost sein soll. "Pumpen" lebt von den komischen Figuren, die nicht zueinander passen, aber dann natürlich doch zu einer Familie werden.

Sie gehen offen damit um, dass Ihnen Ihr Psychologe zum Sport rät. Wie lange haben Sie überlegt, ob Sie das so offen sagen wollen?

Das hat eine Weile gedauert. Ich gehe seit 2016 zum Psychologen und bis ich das erstmals öffentlich angesprochen habe, sind bestimmt zwei oder drei Jahre vergangen. Vorher habe ich mich bis zu einem gewissen Punkt nicht mal getraut, es in meinem Freundeskreis zu erzählen oder meiner damaligen Freundin.

Hatten Sie Bedenken, was ein solcher Schritt für Ihre Karriere bedeuten könnte?

Ja, ich habe mir immer wieder Gedanken darum gemacht, ob das negativ auf mich zurückfallen könnte. Und es hat ja auch negative Folgen: Ich hatte zum Beispiel mal überlegt, meine Krankenkasse zu wechseln. Das konnte ich aber nicht, weil ich dafür zuvor mindestens 10 Jahre lang in keiner psychologischen Behandlung sein durfte. Das verstehe ich überhaupt nicht. Ich finde, viel mehr Menschen sollten zum Psychologen gehen, vielleicht auch einfach nur aus prophylaktischen Gründen.

Und konkret auf Ihre Karriere und die Branche gemünzt?

In meinem Beruf geht es um Authentizität und ab einem gewissen Punkt ist man eine Person des öffentlichen Lebens. Man hat eine Community und viele Menschen verfolgen mein Leben in den sozialen Medien. Ich will dort einfach so authentisch sein wie es geht und irgendwann habe ich festgestellt, dass es Menschen hilft, wenn man offen über gewisse Themen spricht. Mentale Gesundheit ist in einigen Teilen Deutschlands leider noch viel zu oft ein Tabuthema. Da muss man aber aufpassen, was man sagt…

Ich glaube man sollte immer die Ambition haben besser zu werden. Dass alte Strukturen aufgebrochen werden müssen, ist etwas ganz normales. Beim Film gibt es hier noch viel zu tun. 


Wie meinen Sie das?

Man bekommt in Deutschland schnell das Image aufgedrückt, ein gewisses Thema für sich ausnutzen zu wollen. Ich will mich nicht als guter oder besserer Mensch darstellen und will das Thema überhaupt nicht für mich beanspruchen oder aus PR-Sicht ausnutzen. Aber ich merke einfach, wie es bei Menschen in meinem Umkreis kein Thema mehr ist, wenn man zum Psychologen geht. Und woanders wird sowas aber immer noch tabuisiert, was Menschen davon abhält, sich für dieses Thema zu öffnen und einen Termin beim Psychotherapeuten zu vereinbaren wenn man es braucht.

Sie sprechen recht offen auch über andere Dinge: Toxisches Verhalten, ungesunde Rivalitäten und Neid im Beruf, ökologisches Bewusstsein und soziale Verantwortung. Einige der Themen kommen auch in der Serie vor. Warum machen Sie das?

Weil mich diese Dinge beschäftigen, außerdem glaube ich, dass es sinnvoll ist, über gewisse Themen zu sprechen. Als Schauspieler mit einer gewissen Bekanntheit hat man auch eine bestimmte Verantwortung. Ich habe das Bedürfnis, meine Reichweite für Themen zu nutzen, die mir am Herzen liegen. Ich bin auch gar nicht so ein großer Fan von Social Media und versuche meinen Konsum so niedrig wie möglich zu halten, weil man andernfalls in viele negative Spiralen kommt. Natürlich verdiene ich mit Social Media auch Geld und es gehört zu mir und meinem Beruf, doch in erster Linie ist es meine Plattform auf der ich eine Stimme habe. Ich will dort authentisch und keine Werbeplattform sein. Meine Community soll inhaltlich einen Mehrwert bekommen und unterhalten werden, auch auf Social Media und das sind die Themen, die mich unter anderem bewegen.

Über Negativspiralen haben Sie ein Video gemacht. Es handelt davon, dass Sie sich nicht mehr so sehr mit Ihren Kolleginnen und Kollegen vergleichen wollen. Wie schwer fällt Ihnen das?

In meinem Beruf ist es schwer, denn ich habe mich ständig mit anderen Schauspielerinnen und Schauspielern verglichen. Bei einem Casting ist die Konkurrenz groß und von einer Absage kann man sich schnell runterziehen lassen. Ich habe Absagen oft sehr persönlich genommen und mich als Mensch bewertet gefühlt. Darum geht es bei solchen Castings aber natürlich nicht. Und dann habe ich irgendwann versucht, einen Weg zu finden, um damit umzugehen. Ich will mich nicht alleine über meinen Beruf definieren. Und schon gar nicht will ich mich ärgern, nur weil jemand anderes einen Job bekommt oder ich irgendetwas nicht bekomme. Gleichzeitig versuche ich mich nicht übermäßig über Zusagen oder Ähnliches zu freuen, weil ich mich eben nicht zu sehr über meinen beruflichen Erfolg oder "Misserfolg" definieren möchte. Das Leben besteht aus viel mehr Facetten, die mich definieren, wie zum Beispiel meine Freunde oder Familie.

Ein Filmset ist per se kein entspannter Ort, es ist stressig und es gibt Zeitdruck. Das liegt in der Natur der Sache. 


Das Thema toxische Männlichkeit in Film und Fernsehen war in den zurückliegenden Jahren, angestoßen durch die Enthüllungen rund um Harvey Weinstein, sehr präsent. Gibt es sowas im Jahr 2024 in Deutschland noch?

Ich bin mir ganz sicher. Toxisches Verhalten kommt überall vor, in allen Branchen. Auch im Film und Fernsehen. In der Filmbranche gibt es ein starkes Machtgefälle und große Abhängigkeiten. Das wurde im Zuge von "Manta Manta - Zwoter Teil" breit diskutiert. Das bekommt man nicht so schnell raus, das liegt in der Struktur und so funktioniert es in Teilen einfach. Aber ich glaube man sollte immer die Ambition haben besser zu werden. Dass alte Strukturen aufgebrochen werden müssen, ist etwas ganz normales. Beim Film gibt es hier noch viel zu tun. Man könnte sicherlich gesetzliche Mechanismen einbauen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einem Machtmissbrauch besser zu schützen.

An was denken Sie?

Man könnte anonymisierte Befragungen verpflichtend durchführen lassen, wenn an einem Set mehr als 30, 40 oder 50 Menschen arbeiten. Das sollte nach Möglichkeit regelmäßig passieren und von einer externen Stelle durchgeführt werden. Wenn Produzentinnen und Produzenten das nicht lückenlos vorweisen können, müssen sie eine Strafe zahlen. Das wäre ein kleiner Mechanismus, mit dem man sicherstellen kann, dass Probleme überhaupt angesprochen werden. Das Problem ist ja, dass bei einem möglichen Machtmissbrauch nicht sofort darüber gesprochen wird, weil die Leute Angst um ihre Jobs haben. Ich möchte in jedem Fall einer der Kollegen sein, der bemüht darum ist, ein gesundes und sicheres
Klima am Set zu schaffen.

Sie waren als Schauspieler bei "Manta Manta - Zwoter Teil" mit dabei. Um die Produktion gab es viele Schlagzeilen. Würden Sie sagen, dort gab es ein gesundes und sicheres Klima am Set?

Ich bin mit Til Schweiger befreundet und habe mit ihm schon mehrere Filme gemacht, insofern bin ich da sicherlich als Freund voreingenommen. Gleichzeitig versuche ich, Dinge möglichst rational zu sehen. Den Kolleginnen und Kollegen, die sich damals in dem großen "Spiegel"-Artikel geäußert haben, glaube ich und würde ihnen ihre Gefühle nicht absprechen. Gleichzeitig gibt es ganz viele Menschen, die sehr gute Arbeit machen und die immer wieder gerne mit Til Schweiger zusammenarbeiten. Obwohl sie auch überall anders arbeiten könnten, entscheiden sie sich bewusst für eine Zusammenarbeit mit Til Schweiger. Nach meiner Wahrnehmung fühlt er sich der großen und hart arbeitenden Crew zugehörig und will nicht der Star sein, der zum Set gefahren wird, seine zwei Aufnahmen macht und dann wieder weggefahren wird. Wenn jemand eine Idee hat, hört er sich diese an und sagt seine Meinung dazu, egal von wem die Idee kommt. Til hat gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen eine sehr hohe Wertschätzung. Viele Menschen lieben es mit ihm zu arbeiten - inklusive mir.

Natürlich hat man, wenn man selbst sehr bekannt ist, die Verantwortung, die Leute so abzuholen, dass sie keine Angst vor einem haben.  


Aber?

Gleichzeitig will Til immer sehr effizient arbeiten und kann ungeduldig sein, wie fast alle Regisseurinnen und Regisseure, wenn es Zeitdruck gibt. Und dass es Zeitdruck gibt, liegt in der Natur des Filmemachens. Er kann dann eine strenge Art haben, mit der man total gut umgehen kann, wenn man sich kennt. Til ist teilweise sehr direkt, aber das ist überhaupt nichts Außergewöhnliches. Manche Leute am Set sind eher zurückhaltend und vorsichtig, andere eher straight. Wenn man dann ans Set kommt, die Person nicht kennt und der Ton rau ist, ist man vielleicht eingeschüchtert. Aber natürlich hat man, wenn man selbst sehr bekannt ist, die Verantwortung, die Leute so abzuholen, dass sie keine Angst vor einem haben. Schon im vergangenen Jahr hat Til in einem Interview gesagt, dass er an sich arbeitet und dass er nicht will, dass Menschen Angst vor ihm haben. So habe ich ihn auch kennengelernt. Til ist ein Mensch, der sich entschuldigen kann. Mich hat die Berichterstattung über Til Schweiger ehrlich gesagt sehr gestört und verärgert.

Warum? Und was genau?

Es geht mir nicht darum, dass über Machtmissbrauch in der Filmbranche gesprochen wurde. Das ist richtig und wichtig. Aber es hat mich gestört, weil die Berichterstattung für Leute, die nichts damit zu tun haben, nur schwer zu durchdringen war. In dem "Spiegel"-Text war auch von dem Trailer die Rede, in dem Til die Filme noch vor Ort schneidet. Da ging es darum, dass dieser Ort "Todesstern" genannt wird. Und ja, das Wohnmobil hieß so. Das kam von einer "Star Wars"-Parodie, die ein anderes Teammitglied gesehen und einem anderen gezeigt hat - und der war verantwortlich, die Schilder an den Trailern zu befestigen. Das war ein Witz. Es ist nicht so, dass sich Til selbst als Imperator bezeichnet. Das ist völliger Quatsch. Im Artikel kommt es aber anders rüber, das und viele andere Dinge fand ich nicht fair.

Constantin Film hat sich nach einer Untersuchung neue Standards für Dreharbeiten verpasst. Geht das für Sie in die richtige Richtung? Wie von Ihnen gefordert soll es künftig immer eine anonyme, App-gestützte Befragung der Personen vor Ort geben, um mögliche Missstände schnell zu entdecken.

Ich finde es gut, wenn Unternehmen sich hinstellen und Verantwortung übernehmen. Ich glaube Constantin auch, dass sie das machen werden. Es gibt an Sets ja üblicherweise schon heute immer eine Vertrauensperson. Aber ich habe in meinen letzten fast 70 Produktionen selten erlebt, dass das in Anspruch genommen wurde. Sowas ist immer mit einer Hürde verbunden. Daher würde ich es befürworten, wenn es einfacher wäre und wenn eine solche Regelung für alle gelten würde. Es braucht eine gesetzliche Regelung und einen wirtschaftlichen Schaden, sollten sich Produktionsfirmen nicht daran halten. Es sollte auch im eigenen Interessen der Unternehmen sein. Niemand will die Kolleginnen und Kollegen am Set schlecht behandeln und niemandem ist es egal, wie es den Menschen geht. Aber es kann trotzdem immer wieder zu Situationen kommen, in denen eine solche Regelung wertvoll sein kann. Ein Filmset ist per se kein entspannter Ort, es ist stressig und es gibt Zeitdruck. Das liegt in der Natur der Sache.

Herr Bartels, vielen Dank für das Gespräch!

Die ersten Folgen von "Pumpen" sind ab sofort in der ZDF-Mediathek abrufbar. Die lineare Ausstrahlung bei ZDFneo und im ZDF folgt ab März