Es ist kurz vor Weihnachten, als wir uns zum Interview in seinem Büro treffen; ein paar Etagen über dem Studio von „TV Total“ in Köln-Mülheim. Sebastian Pufpaff moderiert die Sendung inzwischen seit mehr als zwei Jahren, darüber gesprochen hat er bislang nicht. Das lange Schweigen ist ungewöhnlich, weil man annehmen könnte, dass gerade in schwierigen Zeiten jeder Erfolg hervorgehoben wird.
Und „TV Total“ ist einer der wenigen neuen Erfolge von ProSieben in den letzten zwei Jahren, hat sich im zeitsouveränen Streaming-Zeitalter beim jungen Publikum als fixe Verabredung um 20:15 Uhr etabliert - als alleinstehender einstündiger Solitär. Wie Pufpaff an Bord kam und wieso es ihm nicht schwer fiel, dafür das Kabarett an den Nagel zu hängen. Es wurde ein Gespräch über Humor und Haargel, Erbe und Eigentum.
Herr Pufpaff, wenn man aktuelle Fotos von Ihnen mit Aufnamen aus der Zeit vor "TV total" vergleicht, fällt auf: Früher war weitaus mehr Gel…
(lacht) Ja, früher war mehr Gel. Früher war auch Bestatter-Anzug. Das war die Bühnenfigur Sebastian Pufpaff, von der ich mich verabschiedet habe. Wenn man eine Beziehung beendet, muss ja auch eine neue Frisur her, jetzt also ohne Gel.
Und jetzt spielen Sie nichts mehr?
Bei „Pufpaffs Happy Hour“ und auch in der „heute show“ war ich der Mann für die bösen Sachen. Das war die Kabarett-Figur; das kleine Arschloch in uns allen. Zynisch und schwarzhumorig. Ich habe jedes schlimme Wort, das man auf der Bühne nicht sagen darf, benutzt. Habe über alles Witze gemacht, über das man eigentlich keine Witze machen sollte. Was ich ganz offen sagen kann: Ich hatte keinen Bock mehr. Ich bin kabarettmüde.
Wie kommt’s?
Irgendwann ist mir auf der Bühne klar geworden - und da kann ich Volker Pispers extrem gut verstehen - das ist Klientel-Humor; ich habe modernen Ablasshandel betrieben. Man kauft sich ein Ticket, um dann mit Gleichgesinnten in einem Raum zu sitzen, die sich alle zusammen einig sind, zu den Guten zu gehören - und fährt danach im oberen Mittelklasse-Wagen mit Sitzheizung wieder nach Hause, fühlt sich bestätigt und ändert nichts.
Ist Kabarett eine analoge Filterblase?
Genau. Das kam mir irgendwann verlogen vor, ich fing an zu hadern und bei „Noch nicht Schicht“ habe ich gemerkt, dass ich Lust auf eine andere Humorfarbe habe. Plötzlich gab es einen ganz anderen Austausch mit den Fans. Im Kabarett war es ehrlich gesagt egal, was ich gesagt habe. Ich wusste bei jedem Thema welchen Duktus ich einschlagen muss, damit sich das Publikum einmal wohlig empören konnte und applaudiert. Das soll jetzt nicht despektierlich sein, aber wenn man es auf einen Grimme-Preis anlegen wollen würde, weißt du, was du liefern musst.
Sind Sie jetzt Ex-Kabarettist?
Ich war nie Kabarettist oder Comedian, ich bezeichne mich lieber als Humorfacharbeiter. Gerne auch als Komiker, weil ich Lacher produzieren will und nicht, um moralischen Kompass zu spielen. Aber ich wurde ja schon alles genannt. Das geleckte Kalb, die Systemhure und dann kam bei „Noch nicht Schicht“ Onkel Puffi auf und das hat sich mittlerweile irgendwie eingebürgert. Wenn ich jetzt unterwegs bin, höre ich meistens „Ey Puffi…Selfie?“ und wenn mich jemand nett nach einem Selfie fragt, dann mach ich ein Selfie. Das ist okay. Wenn ich meinen Freiraum haben will, darf ich halt nicht in die Kölner Innenstadt.
Der Abschied vom Kabarett fiel demnach nicht besonders schwer?
Ich habe meine Jahre im Kabarett extrem genossen. Ich bin mit Volker Pispers, Georg Schramm und Konsorten groß geworden; habe auch noch Dieter Hildebrandt kennengelernt, der mich extrem beeindruckt hat, auch menschlich. Als ich ihm begegnet bin, grüßte er mit den Worten „Wunderbar, Herr Pufpaff, sie kenn’ ich ja. Dürfte ich mich zuerst Ihrer Frau vorstellen?“ Das ist ein Stil, so weit weg von der Rote-Teppich-Welt von heute. Jahrelang gab es für mich Kabarett, Kabarett, Kabarett - und dann kam durch Corona „Noch nicht Schicht“ mit 118 Folgen. Das war eine ganz andere Form von Humor und mit vier Sendungen pro Woche fast ein bisschen Late-Night. Im Grunde die Essenz jeder Late-Night, weil wir nur sieben Minuten Stand-Up im Sitzen gemacht haben. Normalerweise kommen dann die Gäste oder eine Band und die Zuschauer schalten ab.
War „Noch nicht Schicht“ so etwas wie die Bewerbung für „TV total“?
Das klingt jetzt so strategisch. Wie allen anderen Künstlern nahm die Pandemie mir die Chance auf Tour zu gehen und ich hab mir zuhause überlegt, eine Satire-Sendung zu machen, die dem ganzen Wahnsinn irgendetwas entgegenhält. Ich habe Marcel Behnke, Freund und Regisseur der „heute show“, angerufen, der kam vorbei und wir sind in mein Büro gegangen. Das haben wir zum Studio umfunktioniert, ich hab in Mainz angerufen und gefragt, ob sie das haben wollen - sonst würden wir es bei YouTube machen. Roman Beuler kam dann auf die Idee, das vor den Nachrichten auf 3sat zu zeigen und der Rest ist Geschichte. Es wurden dann ein bisschen mehr als nur 40 geplante Folgen.
"Ich wäre bescheuert gewesen, das nicht zu machen."
Was an der Pandemie lag…
…und an den Fans. Wir hatten in der Spitze 1,1 Millionen Zuschauer für das Ding, wenn man 3sat- und ZDF-Ausstrahlung zusammenrechnet. Es gab eine sehr aktive Fangemeinde. Bei 3sat!
Klingt für mich wie eine Bewerbung für „TV total“…
Es war definitiv das Warm-Up. Zu „TV total“ kam es dann durch einen Zufall.
Jetzt bin ich gespannt...
Ich war für die „heute show“ im Haus und im Foyer traf ich Stefan Raab mit Maske im Gesicht und Mütze aufm Kopf. Er fragte „Na, kennste mich noch?“, ich antwortete „Mensch, Markus Krebs, cool!“ und er hat gelacht. Und schon waren wir im Gespräch! Drauf folgten weitere Gespräche, auch über „Noch nicht Schicht“. Stefan hatte das gesehen. Er hatte Ideen, was man anders machen könnte. Also haben wir ein Konzept entwickelt, was aber nichts mit „TV total“ zu tun hatte. Und nach Monaten meinte Stefan dann plötzlich „Unser Konzept, vergiss es.“ Und ich so: Was? Was sollte all das denn? Stefan überraschte mich dann mit der Frage „Wir bringen ‚TV total‘ zurück - traust du Dir das zu?“ Und ich hab’ sofort zugesagt. Ich wusste, das ist eine Chance, die so nie wieder kommen wird. Ich wäre bescheuert gewesen, das nicht zu machen.
Aus heutiger Sicht leicht zu sagen. Sie hatten keine Vorbehalte?
Was sollte schon passieren? Ich hätte mich eher ein Leben lang geärgert, die Chance liegen zu lassen. Mir war klar, dass im Grunde eh alle super skeptisch sein werden, wenn ich da als der Neue komme. Das kann ich doch nutzen, dacht ich mir. So konnte ich doch nur gewinnen. Und ich freue mich, dass ich abends bei meiner Familie sein kann, weil ich jetzt einen stinknormalen Arbeitstag habe und nicht ständig auf Tour bin. Das war schon komisch: Man hat den ganzen Tag frei, aber weiß, dass man abends liefern muss, wenn alle Feierabend haben. Das sorgte auch für Stress.
Die erste Sendung von "TV Total" im November 2021 holte spektakuläre Einschaltquoten. Wessen Verdienst war das?
(lacht) So müssen sich Wolfgang Lippert oder Markus Lanz bei „Wetten, dass..?“ gefühlt haben. Das war natürlich die Marke „TV total“ und die große Neugier, ob Stefan dabei sein würde oder nicht. Ich war mir des Erbes bewusst, das ich angetreten bin.
Und jetzt, zwei Jahre später: Ist dieses Erbstück inzwischen Eigentum geworden?
Stefans Vermächtnis ist übergroß und die Grundidee wird immer seine bleiben, aber ich habe mich von Anfang an wie zuhause gefühlt, weil „TV total“ eine Gemeinschaftsaufgabe war und ist. Mir zaubert es jede Woche ein breites Grinsen ins Gesicht, wenn ich oben im Studio stehe und die Intro-Musik startet. Die meisten Skeptiker sind inzwischen verstummt. Lassen Sie mich die Frage mal so beantworten: Anfangs hieß es, „TV Total“ holt gute Quoten, inzwischen auch mal „Pufpaff holt gute Quoten“. Es scheint also, als hätte da eine Verschmelzung stattgefunden. Und ich finde: Das haben wir echt gut geschaukelt und auch bewiesen, dass wir kein Teil einer Retro-Welle sind! Das fand ich nach mehr als einem Jahr mit wöchentlich aktuellen neuen Shows schon schräg, wenn wir manchmal immer noch dem Retro-TV zugeschrieben wurden.
Wie sind die ProSieben-Fans im Vergleich zu den 3sat-Ultras?
Bei 3sat konnte ich problemlos zum Bäcker. Es waren eher Weinproben, bei denen ich mal angesprochen wurde mit einem „Ich schätze übrigens sehr, was sie tun.“ Die sind nicht unbedingt amused über meinen Wechsel. Zuletzt kam ein älterer Herr auf mich zu, der wissen wollte, wann ich mit dem Scheiß endlich aufhöre und mal wieder was Gutes mache. Wirklich in dem Ton. Da antworte ich dann jedes Mal: Ich habe keine Lust mehr, vorgefasste Meinungen zu spiegeln. Ich bin Entertainer. Heute sind es die Jungs am Tresen oder die Schaffnerin im Zug, die mich wissen lassen, dass sie gerne „TV total“ schauen. Das Spektrum ist viel breiter als früher. Viele bedanken sich auch dafür, endlich eine Stunde lang nicht das Gefühl vermittelt zu bekommen, etwas falsch zu machen. Einfach mal lachen und zwar über alles. Dafür steht „TV total“. Da waren Stefan und ich einer Meinung.
Wofür steht "TV total"?
Wir sind angetreten, um den Humor zurückzubringen. Wir müssen alle wieder lernen, mehr über uns selbst zu lachen. Wie furchtbar ernst sich die Menschheit nimmt, ist ja anstrengend. Manche Fans freuen sich, dass auch billige Gags bei uns noch erlaubt sind. Wir machen halt Blödsinn. Wir gendern nicht, aber sprechen trotzdem alle an. Zuschauerinnen und Zuschauer. Und bevor jemand sich beschwert, dass ein Witz soundso-phob sei oder einen Ismus bedient, ziehen wir uns danach einfach gnadenlos selbst durch den Kakao.
Ganz losgelassen haben Sie das Kabarett nicht. Stefan Raab wollte von jedem verstanden werden; legendär wurde „Verstehen Sie?“. Sie winken einfach ab, wenn das Studio-Publikum einen Witz nicht versteht…
Oh, immer noch? Eigentlich hab ich versucht, mir das Abwinken abzugewöhnen und es dann einfach stehen zu lassen.
Wie zukunftsfähig ist „TV Total“, wenn sich die Mediennutzung immer weiter diversifiziert?
Ja, früher gab es wenige Sender und man konnte im Laufe der Woche mit Vorfreude erahnen, was thematisiert wird. Heute gibt es viel zu viel, um allein den Überblick zu behalten, was es für Quatsch da draußen gibt - und an der Stelle kommen wir mit „TV Total“ wieder ins Spiel! Happy to help. (lacht) Wir finden so viel Material, wir könnten ganze Sendungen ohne zusätzliche Einspieler füllen. Wir sind unverändert die Wächter der Medienwelt. Sobald irgendwo etwas in Eitelkeit abdriftet, sind wir das Korrektiv und machen uns lustig - aber über Menschen, die sich selbst zur Schau stellen. Solange Eitelkeit nicht ausstirbt, hat „TV Total“ eine rosige Zukunft.
"Parteitage sind auch nichts anderes als das Sommerhaus der Stars"
Aber zur Schau stellt man sich inzwischen nicht mehr nur im Fernsehen...
Wir werden vermutlich noch mehr Social Media und Podcasts dazu nehmen und das anschauen, wo immer sich Menschen produzieren. Dass die Streamer jetzt immer mehr Shows machen, finden wir auch super. Und ab und an gibt's sogar ein bisschen Politik, wenn sich ein Bundesparteitag anbietet. Aber das ist dann eine Spielwiese für Gags, kein Grund politisch zu werden. Parteitage sind auch nichts anderes als das Sommerhaus der Stars. Das unterscheidet sich nur in der Anzahl der Klamotten. Die Sorge, dass TV nichts mehr hergibt, ist unbegründet und „TV total“ beweist es ja selbst: Wir haben linear Erfolg und Zuwächse bei den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern. Es kommen inzwischen so viele Jugendliche auf mich zu und die müssen ja die Sendung gesehen haben: Ich selbst mache ja wenig Social Media. Das Lagerfeuer lebt also immer noch, vielleicht nur nicht mehr drei Stunden lang am Samstagabend mit Rumgefummel auf dem Wettsofa, sondern 45 Minuten lang Mittwochs um 20:15 Uhr bei ProSieben.
Weil sie es selber ansprechen: Sie sind nicht auf Social Media und auch kein Stammgast in Promi-Gameshows… warum?
Ich mache gerne meine Arbeit zu Geld, aber nicht meine Person. Willst du gelten, mach dich selten.
Gilt das auch für "TV Total"? Stefan Raab ist damals der Versuchung erlegen, mehr pro Woche zu machen als nur eine Folge…
Da sind wir uns alle einig und halten es wie mit Omas Kartoffelsalat: Mach lieber zu wenig als zu viel, dann wollen die Leute mehr davon. Es ist schon genug Arbeit, die Qualität hoch zu halten. Bei vier Sendungen pro Woche, schafft man keine Sendung nur mit Schnipseln, so viel gibt das Fernsehen nicht her und dann braucht es Lückenfüller und plötzlich kommen Gäste, Comedians und Bands. Und irgendwann verliert man das aus dem Auge, was die Sendung jetzt gerade so erfolgreich macht. Wir bleiben also lieber der Grundidee treu, Wächter der Medien zu sein.
Eine selbstbewusste Positionierung.
Deshalb tauche ich auch selber da nirgends auf. Kann mich ja schlecht über etwas lustig machen, was ich dann selbst tue. Der Schiri schießt ja auch keine Tore. Aber vielleicht fällt uns ja jenseits von „TV Total“ und über die „Wok-WM“ hinaus noch was ein. Wir sind ein super kreatives Team. Gute Ideen hat nicht nur einer.
Herr Pufpaff, herzlichen Dank für das Gespräch.