Herr Gniffke, kann man heutzutage ARD-Vorsitzender sein, ohne regelmäßig bei LinkedIn zu posten?
Ich glaube schon, dass das geht, habe aber nicht die Absicht, es auszuprobieren. Es war eine bewusste Entscheidung von mir, über LinkedIn zu kommunizieren, weil ich den Eindruck habe, dass es eine Plattform ist, auf der respektvoll miteinander umgegangen wird und sich noch Gedanken entwickeln lassen. Deshalb bin ich dort und nicht bei X.
Ihnen folgen auf LinkedIn 6.600 Menschen. Wen sprechen Sie dort an?
Jeden, der es lesen will. Ich habe ja durchaus eine gewisse Tradition, die Menschen an meinen Gedanken teilhaben zu lassen, wenn Sie etwa an den "Tagesschau"-Blog denken.
Hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Ihren Augen in der Vergangenheit zu wenig mit denjenigen kommuniziert, die ihn bezahlen?
Menschen meines Alters kommen aus einer Tradition, in der der Broadcaster sendete, was er für richtig hielt, und das galt dann auch. Aber es hat sich sehr viel seither geändert. Durch den Wandel der Medienwelt gibt es Rückkanäle und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Das Dialogbedürfnis ist gewachsen, heute wird Dialog geradezu eingefordert. Darum fühlen wir auch eine Verpflichtung zum Dialog und machen mehr Angebote, mit uns ins Gespräch zu kommen.
Die Hälfte Ihrer Amtszeit als ARD-Vorsitzender ist bald vorbei. Wo steht die ARD heute?
Ich hätte nicht zu träumen gewagt, dass wir in diesem Jahr so weit kommen, denn wir hatten eine sehr ambitionierte Reform-Agenda, die ja nicht nur Zukunftsinvestitionen umfasst, sondern auch Kooperationen im Bereich Hörfunk und Video. Im Vorfeld hätte ich gedacht: Wenn es uns gelingt, die Hälfte zu erledigen, dann wäre das gut. Tatsächlich haben wir 95 Prozent geschafft. Das macht mir sehr viel Mut für das zweite Vorsitz-Jahr.
Meinen Sie denn, die jetzt in Gang gesetzten Reformvorhaben sind ausreichend für die Zukunft?
Was ist denn schon ausreichend für die Zukunft? Wir werden mit Sicherheit im nächsten Jahr über weitere Schritte sprechen. In der Medienbranche, wie aber auch in allen anderen Branchen, ist Veränderung der Dauerzustand. Damit leben zu lernen, auch mit einer gewissen Unsicherheit, ist im Moment die Hauptherausforderung.
Was hat aus Ihrer Sicht den Anlass gegeben, die Reformen anzuschieben?
Dass Kooperationen ein guter Gedanke sind, ist keine neue Erkenntnis. Manchmal muss jedoch die Zeit für bestimmte Prozesse und Einsichten reif sein. Zuletzt stellte sich die Frage immer drängender, ob wir es mit den uns anvertrauten Ressourcen schaffen, die notwendigen, aber gewaltigen Investitionen in Content und Technologie für die digitale Mediennutzung zu bewältigen – zusätzlich zu dem, was wir bisher schon machen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist einigen klar geworden, dass das ein ziemlich kühnes Unterfangen wird. Und sicherlich hat die RBB-Krise noch einmal als Beschleuniger gewirkt.
"Wir müssen das Tempo hochhalten, aber auch aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren."
Hatten Sie damals die Sorge, dass das öffentlich-rechtliche System in Folge der RBB-Skandale zusammenbrechen könnte?
Wir haben das wahre Ausmaß erst im Laufe der Zeit erkannt, weil jeden Tag etwas Neues ans Licht kam. Deshalb hat sich jeder gefragt: Was kommt da noch? Das Gute ist: es war ein Problem der damaligen Geschäftsführung des RBB, kein ARD-Problem. Und wir haben daraus gelernt und die Dämme gegen Fehlverhalten seither noch höher und massiver gebaut– im Bereich der Compliance, der Aufsicht und auch der Transparenz. Deshalb hatte das sicher auch etwas Gutes, obwohl ich auf diesen Auslöser gut hätte verzichten können.
Auch wenn Sie vieles angeschoben haben, geht manchen der Reformprozess der ARD nicht schnell genug. Können Sie das nachvollziehen?
In meinen Augen geht es um zwei Pole. Ola Källenius, der Daimler-Chef, sagte einmal im Gespräch: "Whatever you do, do it faster!" Und so schief liegt er damit nicht. Das ist der eine Pol. Der andere Pol ist, dass wir die ARD momentan an den Rand der Belastbarkeit führen. Aus allen Bereichen erhalte ich das deutliche Signal: „Wir sind Oberkante Unterlippe. Wir holen alles raus, was geht, aber lasst uns unsere Arbeit bitte jetzt auch mal erledigen! Packt nicht sofort noch fünf neue Prozesse drauf.“ In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Wir müssen das Tempo hochhalten, aber auch aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren.
Gleichzeitig wird in der Politik die Debatte über ARD und ZDF lauter geführt denn je. Täuscht der Eindruck oder sind Sie ein bisschen still, wenn es darum geht, der Politik Contra zu geben?
Manches ist sicher ein bisschen schriller geworden, aber an dieser Stelle sind wir nicht mimosenhaft, sondern stellen uns der Kritik. In der Debatte schärft man die eigenen Argumente, prüft sich noch einmal. Deshalb habe ich damit kein Problem. Hin und wieder müsste man alle Beteiligten allerdings daran erinnern, dass ein respektvoller Ton hilfreicher ist als ständig draufzuhauen.
Sorgen Sie sich, dass das öffentlich-rechtliche System vom ständigen Draufhauen dauerhaften Schaden nehmen könnte?
Ja, das treibt mich sehr um. Wenn ich mir anschaue, was derzeit auf der Welt passiert, was Menschen in anderen Weltgegenden Menschen antun. Wenn ich lese, dass unser Bildungssystem in die Knie geht, unsere Wirtschaft stagniert, der öffentliche Verkehr nicht mehr funktioniert und wir ein extremes Finanzierungsproblem im Bundeshaushalt haben. Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl an Krisen befinden wir uns in einer Phase der Verunsicherung, die alle Menschen in Deutschland umtreibt. Das darf aber nicht die Stunde der Vereinfacher sein, die mit Schwarz-Weiß-Lösungen daherkommen, und auch nicht die Stunde der Populisten und Fälscher. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass öffentlicher Rundfunk so wichtig ist wie noch nie.
Aber sieht das die Politik auch so?
Ich war bei nahezu allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten – und alle teilen diese Auffassung. Auf dieser Basis können wir natürlich darüber diskutieren, welche Ressourcen es braucht, um der Rolle des vertrauensbildenden täglichen Begleiters der Menschen gerecht zu werden.
Sieben Bundesländer haben bereits erklärt, einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmen zu wollen. Das ist möglicherweise ein Verfassungsbruch. Wie finden Sie das?
Wir haben in Deutschland ein sehr bewährtes, geregeltes Verfahren, wie der Rundfunkbeitrag ermittelt wird und wie er dann zustande kommt. Dieses Verfahren läuft gerade. Es basiert darauf, dass eine unabhängige Kommission errechnet, was es braucht, um den Auftrag zu erfüllen. Diese Kommission sollten wir ihre Arbeit machen lassen, ohne den Vorgang vorzeitig zu kommentieren. Daran fühle ich mich gebunden.
Sie sprachen vorhin schon die Kooperationen innerhalb der ARD an. Wie sollen diese umgesetzt werden?
Die Idee ist die eines Baukastens, aus dem sich jedes Dritte Programm für sein Nachmittagsprogramm ein Modul von zwei oder drei Stunden nehmen kann, damit nicht jede Landesrundfunkanstalt ihr eigenes 24-Stunden-Programm machen muss. Ich hatte ursprünglich mal die Idee eines gemeinsamen Mantelprogramms mit einem Regionalfenster...
… wie es Das Erste ganz früher einmal war.
Das ist lange her. (lacht) Ich habe allerdings erkennen müssen, dass die regionalen Programme unterschiedliche inhaltliche, aber auch zeitliche Schwerpunkte haben. Deshalb sind wir auf die Idee gekommen, solche Module anzubieten. Dadurch gewinnen wir Kraft, die wir für Investitionen in nicht-lineare Formate brauchen. So ähnlich stellen wir uns das auch im Audio-Bereich vor. Bei den Pop-Wellen werden daher künftig viele Sender schon ab 20 Uhr das Programm von SWR3 übernehmen, was den SWR-Intendant natürlich besonders freut, Bei den Infowellen bietet der NDR ein gemeinsames Programm an. An zwei Abenden werden wir sogenannte Dialogabende haben, in denen wir mit den Hörerinnen und Hörern über politische Themen, aber auch über unsere eigenen Angebote diskutieren– das ist uns sehr wichtig. Insgesamt entsteht kein Verlust an Regionalität, in Zeiten schwächerer Audionutzung schaffen wir so Freiraum, um mehr tolle Podcasts oder Hörspiele produzieren zu können. Würden wir weiterhin alles parallel machen, würden wir unsere Leute auf Dauer überfordern.
"Wir halten aber an der festen Absicht fest, mindestens einen unserer Spartenkanäle zu flexibilisieren."
Was nicht geklappt hat, war Ihr Vorhaben, bis zum Jahresende zu klären, welchen linearen Fernsehsender Sie einstellen wollen. Wieso sind Sie da nicht weiter?
Ich sprach vorhin von 95 Prozent…
Die Einstellung eines Senders wäre aber ganz sicher ein starkes Zeichen nach außen gewesen.
Ja, es hätte eine hohe symbolische Wirkung; die finanzielle wäre eher überschaubar. Aber sei's drum. Das hatten wir uns vorgenommen, aber nachdem wir priorisiert haben, was jetzt wirklich dringend gemacht werden muss, damit es einen spürbaren Effekt hat, sind wir zu dem Entschluss gekommen, uns in diesem Punkt noch eine kleine Nachspielzeit zu gönnen. Wir halten aber an der festen Absicht fest, mindestens einen unserer Spartenkanäle zu flexibilisieren. Das ist allenfalls aufgeschoben, nicht aufgehoben.
Die TV-Nutzung verlagert sich zunehmend ins Non-Lineare. Geht es Ihnen eigentlich schnell genug, wie sich die Mediathek entwickelt?
Wie gesagt: Whatever you do, do it faster! (lacht) Im Ernst, die Mediathek macht mir viel Freude. Inzwischen stehen wir oft bei zehn Millionen Abrufen pro Tag und zusammen mit dem ZDF sind wir schon die Nummer zwei auf dem Markt. Aus diesem Grund treiben wir unser Streamingnetzwerk weiter voran. Sie können in der ARD-Mediathek inzwischen ZDF-Inhalte suchen und umgekehrt. Zugegeben, am Bedienungskomfort – der Suchfunktion, der Übersichtlichkeit, also allgemein an der Usablity - arbeiten wir noch. Aber es ist meine erklärte Absicht, noch in diesem Jahrzehnt der relevanteste Streaminganbieter in Deutschland zu werden.
Wenn der "Tatort" in der ZDF-Mediathek läuft, dann können die Leute womöglich irgendwann gar nicht mehr unterscheiden, wer eigentlich der Absender ist. Da könnte noch jemand auf die Idee kommen, dass einer von beiden Anbietern verzichtbar ist...
Im Gegenteil. Publizistischer Wettbewerb ist wichtig. Da macht einer den Stuttgarter "Tatort" und der andere die "SOKO Stuttgart" – und jeder wird versuchen, mindestens so gut zu sein wie der Mitbewerber, möglicherweise sogar besser. Davon profitiert das Publikum, weil es Höchstleistungen bekommt. Zusammenarbeiten können wir vor allem bei der Technik, sie ist die Basis. In Zukunft wird die Plattform vielleicht um ORF oder SRG erweitert, oder wir arbeiten sogar noch mit privatwirtschaftlich geführten Medienhäusern zusammen, um ein großes, attraktives Angebot in Deutschland zu haben, das anderen Plattformen, insbesondere aus Übersee, die Stirn bieten kann.
ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets hat Ihnen ja bereits angeboten, Ihr Angebot zu seiner Plattform Joyn zu verlagern. Sind Sie weiter offen dafür?
Der Grundgedanke, wie ich ihn eben skizziert habe, ist mir sehr sympathisch. Das wäre für mich ein erstrebenswertes Ziel. Ob Joyn aber die Plattform ist, auf der sich alle versammeln sollen, oder ob man dafür besser das Netzwerk von ARD und ZDF nimmt, darüber sollten wir noch einmal intensiv reden.
Vielleicht sollen Sie bei der Gelegenheit auch über den Namen sprechen. „ARD-Mediathek“ klingt nicht so sexy, oder?
Entscheidend ist, dass die Inhalte, um in Ihrem Jargon zu bleiben, sexy sind. Wie die Plattform heißt, ist völlig egal. Außerdem: wir sind die ARD. Das ist eine Marke, die man schon kennt.
Mit Blick auf die Mediathek wird viel von sogenannten Eroberungszielgruppen gesprochen. Ist das ein Begriff, den Sie verwenden?
Ich will niemanden erobern. Ich habe einen klaren Auftrag, nämlich die ganze Bevölkerung zu versorgen – und zwar unabhängig davon, ob die Menschen alt oder jung sind, ob sie viel oder wenig verdienen, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben. Natürlich schauen wir uns an, welche Altersgruppen und Milieus wir gut versorgen und wo wir noch etwas zu tun haben. Als ich beim SWR angefangen habe, haben wir festgestellt, dass drei Viertel unseres Budgets für Programmangebote verwendet werden, die vorwiegend von Menschen über 50 genutzt werden. Das ist nicht gerecht gegenüber den Jüngeren, das müssen wir in eine vernünftige Balance bringen.
Wie weit sind Sie auf diesem Weg?
Eine jüngere Zielgruppe erreichen wir eher mit digitalen Angeboten. Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich gesagt, dass wir unsere digitale Reichweite verdoppeln werden. Das ist mehr als gelungen. 2019 lag sie im Südwesten bei sechs Prozent, jetzt liegen wir sogar bei 18 Prozent. Das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Allerdings verfängt vieles von dem, was Sie speziell für junge Menschen machen, nicht so recht, beispielsweise der Mediatheks-Talk mit Eva Schulz.
Wenn ich den Anspruch hätte, dass alles funktionieren muss, was wir ausprobieren, dann würde ich vermutlich gar nichts ausprobieren. Ausprobieren ist immer mit Risiko verbunden. Wenn wir feststellen, dass Angebote nur von einer sehr geringen Zahl genutzt werden, dann probieren wir eben etwas anderes.
Spricht man mit jungen Redakteuren in Ihrem Haus, dann wird mitunter beklagt, dass Hierarchien und lange Entscheidungswege den kreativen Ideen im Wege stehen. Wie passt das zu Ihrer Vision des Ausprobierens?
Natürlich müssen wir unseren Leuten die Chance geben, verschiedene Ideen auszuprobieren. Auf der anderen Seite sind wir es den 15 Millionen Menschen in unserem Sendegebiet aber auch schuldig, dass wir verantwortlich mit ihren Beiträgen umgehen. Daher ist es wichtig, neue Formate auf Basis von Daten und Zielgruppenanalysen zu entwickeln. Wir probieren ja nicht wahllos irgendwas aus, sondern da wird vorher bei allen Beteiligten viel nachgedacht. Doch wenn wir dann gemeinsam feststellen, dass es sich lohnen könnte, die neue Idee zu verfolgen, dann sollten wir auch bereit sein, den Weg frei zu machen und ein Scheitern in Kauf nehmen.
Schauen Sie eigentlich noch auf die Quoten?
Nee.
Wirklich nicht?
Nein.
Wo steht der SWR gerade?
Weiß ich nicht. Wichtig ist mir am Ende die Zahl, wie viele Menschen wir jeden Tag mit einem Angebot des SWR erreichen. Aber klar ist natürlich, dass wir trotz der wachsenden Erfolge im Digitalen auch weiterhin jene Menschen gut versorgen wollen und müssen, die uns im Linearen sehen. Das ist ein ständiger Prozess des Ausbalancierens. Aber dass ich jetzt auf einzelne Quoten schiele - das ist echt nicht mein Ding.
"Nicht jeder muss für jedes Thema seine eigene Bude aufmachen."
Sie versorgen neben dem großen Baden-Württemberg auch das kleinere Rheinland-Pfalz. Dort sorgt sich mancher um den Standort Mainz, an dem inzwischen nicht mal mehr die Hörfunknachrichten für das eigene Bundesland entstehen. Muss man sich um diesen Standort auf Dauer Sorgen machen?
In Mainz entstehen die klassischen Landesinhalte in den linearen Programmen, außerdem sitzen dort das junge Angebot funk, die ARD Audiothek, die ARD Mediathek und noch die ARD-Onlinekoordination. Ziemlich alles, was einen starken Bezug zur zukünftigen Mediennutzung hat, ist in Mainz, Daher mache ich mir um den Standort keine Sorge. Ohnehin ist die Frage um Standorte keine, die mich wirklich umtreibt. Wir müssen vielmehr schauen, dass wir auch innerhalb des SWR zu einer klugen Arbeitsteilung kommen. Das ist auch der Grund, weshalb wir vor einiger Zeit die Audionachrichten in Baden-Baden gebündelt haben.
… was aber nicht allen in Mainz gefallen hat.
Diese Standort-Arithmetik ist keine Kategorie, die das Publikum interessiert. Die Leute hören doch nicht, wo die Rheinland-Pfalz-Nachrichten geschrieben oder gesendet werden. Sie wollen einfach gute Nachrichten aus Rheinland-Pfalz hören – und die bekommen sie von uns. Wenn wir durch Zusammenarbeit dabei noch Effizienzreserven heben, dann haben wir einen guten Job gemacht.
In Rheinland-Pfalz wurde jüngst auch über die Medienstaatssekretärin Heike Raab diskutiert, weil sie sich in Programmangelegenheiten einmischte. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Ich habe es insbesondere in den Pressespiegeln wahrgenommen, die voll waren mit Berichterstattung über diesen Vorgang. Wir haben im Landesrundfunkrat Rheinland-Pfalz darüber gesprochen und der SWR hat seine Position noch einmal deutlich gemacht. Aber ansonsten ist das kein Vorgang, den ich weiter zu kommentieren habe.
Blicken wir abschließend in die Zukunft. Was sind Ihre Ziele fürs zweite Jahr Ihres ARD-Vorsitzes?
Die ersten drei Kompetenzcenter zu den Themen Gesundheit, Verbraucher und Klima, auf die wir uns innerhalb der ARD festgelegt haben, werden in der ersten Jahreshälfte 2024 an den Start gehen. Mein Ziel ist es, bis dahin die nächsten drei Kompetenzcenter definiert zu haben und für das Jahr 2025 drei weitere Kompetenzcenter auf die Schiene zu setzen. Dazu kommt, dass wir in der ARD zum ersten Mal die Arbeit bei allen technischen Investitionen föderal teilen. Jeder macht das, was er am besten kann – von Metadaten über den Mediathek-Player bis hin zu KI. Nicht jeder muss für jedes Thema seine eigene Bude aufmachen. Diesen Prozess voranzutreiben, dürfte für 2024 genug Arbeit bedeuten.
Worüber werden wir zum Ende dieses Jahrzehnts sprechen, wenn wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Allgemeinen und die ARD im Speziellen sprechen?
Es wird vermutlich dasselbe Thema sein wie heute, nämlich Vertrauen. Werden die Menschen im Jahr 2030 einen Anbieter haben, dem sie vertrauen? Glaubwürdigkeit ist und bleibt der Goldstandard für Informationsmedien, gerade im Zeitalter der Desinformation. Wem kann man in Zeiten technisch perfekter Fälschungen vertrauen? Wer macht zuverlässig deutlich, was Wirklichkeit und was Fiktion oder fake news ist? Die Antworten darauf werden am Ende auch darüber entscheiden, wie unser Gemeinwesen funktioniert. Was mich beeindruckt hat, war die Diagnose des Club of Rome, dass die zunehmende Unfähigkeit des Menschen, Wirklichkeit und Fiktion zu unterscheiden, den Sprengsatz an unser soziales Zusammenleben legt. Wenn niemand mehr etwas glaubt, dann wird dieses Land irgendwann nicht mehr funktionieren. Gerade deshalb braucht es Institutionen, denen die Menschen vertrauen, die ihnen sagen, was echt ist und was gefälscht, was wir wissen und was eben auch nicht. Das wird in den nächsten Jahren so dringend sein wie nie zuvor. Die Illusion, dass die Zeiten einfacher werden, die habe ich nicht.
Herr Gniffke, vielen Dank für das Gespräch.