Frau Park, ausgerechnet im gerade schwächelnden deutschen Werbemarkt wollen Sie bei Disney+ nun auch auf Werbefinanzierung setzen. Konnten Sie Hollywood nicht bremsen?

(lacht) Nein, weil wir im Gegenteil sogar darauf gedrängt haben und uns jetzt wahnsinnig freuen, dass wir das neue Angebot in Deutschland starten können.

Was wissen Sie über den Werbemarkt, was der Rest nicht weiß?

Wäre ich Werbetreibender, würde ich - auch in diesen Zeiten - besonders auf zwei Aspekte achten, die immer schon wichtig waren: Reichweite in dem für mich relevanten Umfeld und dazu Brand Safety. Und da glaube ich, dass Disney wie kaum ein anderer ein wichtiges Versprechen abgeben kann. Aber ich bin da auch ganz offen: Wir starten von Null und brauchen natürlich ein bisschen Anlauf, aber ich bin überzeugt davon, dass das, was wir Werbetreibenden anbieten können, sehr gefragt ist.

Und das Publikum freut sich über Werbeunterbrechungen?

Die Akzeptanz von Werbung ist in Deutschland sehr hoch, weil wir ein ausgeprägter FreeTV-Markt sind. Wir geben dem Publikum die Wahl und ändern nichts an dem Versprechen, das wir bestehenden Kunden gegeben haben. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten geben wir eine neue Option, die Geld spart. Das klingt im Monat vielleicht nicht nach viel, aber summiert sich im Jahr dann schon. Wir öffnen uns damit neuen Zuschauergruppen, die jetzt eine Chance bekommen, uns zu entdecken.

Was heißt eigentlich Werbung bei Disney+ konkret?

Alle klassischen Werbeformen bis 30 Sekunden sind möglich, Überlänge ist auf Nachfrage und nur vereinzelt möglich. Wir haben PreRoll-Spots und bei den Serien auch Unterbrecher-Werbung. Zum Start werden wir Filme allerdings nicht unterbrechen. Der AdLoad pro Stunde wird bei circa vier Minuten liegen, also weit unter dem was man aus dem linearen Fernsehen kennt und ein Frequency Cap soll auch sicherstellen, dass nicht ständig die gleiche Werbung ausgespielt wird - im Interesse aller. Gerade deshalb war es so wichtig, gleich zum Start eine Vielzahl von Kunden an Bord zu haben.

Wie viele Kunden sind zum Start des werbefinanzierten Tarifs bei Disney+ denn dabei?

Wir haben zum Start knapp 50 Werbekunden an Bord und sind damit bis Jahresende auch ausgebucht. Dabei sind zum Beispiel Lego und Mattel aber auch L’Oreal und BMW.

Diese Werbekunden würden ja künftig dann auch gerne wissen, wie gut die Spots performt haben. Da kommt dann eine neue Transparenz auf uns zu. Vielleicht interessiert aber jetzt schon manchen potentiellen Werbekunden, wie viele Nutzerinnen und Nutzer Disney+ in Deutschland überhaupt hat…

(lacht) Wir sagen das im Moment noch nicht, aber natürlich werden wir unseren Werbekunden gegenüber künftig die üblichen Angaben transparent machen. Aber ich möchte nochmal betonen: Wir fangen ja jetzt gerade erstmal an und haben parallel zur Einführung des neuen Angebots auch neue Distributions-Partnerschaften abgeschlossen, die uns helfen, die Reichweite auszubauen: In der Schweiz haben wir schon einen Deal mit der Swisscom, die den Ad-Tier auch klar in den Mittelpunkt stellt und freuen uns jetzt sehr, dass wir auch mit der Deutsche Telekom eine neue Zusammenarbeit eingehen, die unseren Ad-Tier über Magenta TV verbreitet.

Während Amazon bei Prime Video den Standardtarif zum Werbetarif macht, muss man sich bei Disney+ aktiv für den günstigeren Werbetarif entscheiden. Warum?

Wer sich bisher für Disney+ entschieden hat, tat das mit dem Versprechen ein werbefreies Angebot zu bekommen. Diese Fans wollen wir nicht vor den Kopf stoßen, sondern ihnen lieber die freie Wahl lassen.

 

"Ein pauschales Werbeverbot sehen wir kritisch"

 

Die Medienbranche diskutiert leidenschaftlich ein mögliches Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel. Disney selbst hat sich einen Kodex auferlegt, der immer schon Werbung für gewisse Produkte verboten hat… wie stehen Sie daher zur aktuellen Diskussion?

Das muss man differenzieren. Unsere sehr strikten Healthy Living Guidelines gelten für explizit an Kinder gerichtete Angebote, das ist in Deutschland eben das Tagesprogramm des Disney Channels. Da waren wir Vorreiter. Im Streaming aber lassen sich die Profile personalisieren, da bieten wir Kindersicherung und auch den speziellen Junior Mode an. Damit können wir trennen zwischen Programmen, die für Kinder freigegeben sind und solchen, zu denen Kinder keinen Zugang haben. Dementsprechend haben wir bei Disney+ unterschiedliche Guidelines je nach Altersfreigabe, von besonderer Vorsicht im Pre-School-Umfeld bis zu den Programmen für Erwachsene, wo wir natürlich alle Möglichkeiten bieten und deswegen ein pauschales Werbeverbot kritisch sehen.

Kommen wir von der Werbung zu den Inhalten: Wie bringt man Erwartungen an eine Weltmarke wie Disney mit den beschränkten Möglichkeiten eines lokalen deutschen Budgets in Einklang?

Gute Frage. Wir gehen auf Qualität statt Quantität, weil wir mit der Marke Disney - auch dem Werbemarkt - ein Versprechen und eine Verpflichtung geben. Eine Qualität zu liefern, die der Marke gerecht wird, bedeutet: Wir fokussieren uns auf wenige, aber herausragende Produktionen.

Erwartungen an die Marke Disney zu managen, ist eine Aufgabe für sich, vermute ich…

Ich erinnere mich, dass vereinzelt - auch von Ihnen - kritisiert wurde, dass der Disney Channel gar nicht Disney genug war und wenn man sich den Sender heute in der Primetime anschaut, dann haben wir inzwischen fünf Filmabende und bieten so viel Disney wie noch nie. Wir bieten erwartbares und geliebtes Programm, das mit der Marke verbunden wird. Gerade in diesen Zeiten liefern wir damit die Erleichterung, zu wissen, worauf man sich mit dem Disney Channel einlässt. Bekannte Filme mit Gags bei denen man mitlachen kann und Charakteren, die man liebt. Unterhaltung mit Happy End, dieses Disney-Gefühl. Das haben wir auf dem Channel ganz bewusst gestärkt und es funktioniert gut.

Woran machen Sie das fest?

In absoluten Reichweiten verliert das Fernsehen in der Primetime knapp 13 Prozent und wir haben gegen den Markt über zehn Prozent gewonnen, weil die Menschen, die mit Disney aufgewachsen sind, bei uns genau das Gefühl bekommen, das sie mit der Marke verbinden. Auf unserem YouTube-Kanal, wo wir auch ganze Folgen zeigen, weil uns ja alle Rechte gehören, probieren wir eine andere Strategie mit jüngeren Programmen. Bei Disney+ ist es etwas anders: Hier haben wir mit dem Start von Star 2021 ja viele Katalog-Titel aus den unterschiedlichen Studios von Disney mit aufgenommen und sind breiter geworden.

Was sich ja auch in den Werbekampagnen spiegelt, die betonen dass Disney+ mehr ist als das was man bislang unter der Marke Disney kannte…

Das ist unsere Kommunikations-Challenge, ganz klar. Der Streamingdienst heißt Disney+ und wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren mit unseren Kampagnen daran gearbeitet, das Plus zu erklären: Also den großen Katalog an beliebten Serien, die aus unserer erweiterten Familie von Marken kommen, wie „Modern Family“, „Grey’s Anatomy“ oder „Die Simpsons“. Dazu die Filme unserer Studios, neue US-Serien wie „Only murders in the building“ oder „The Bear“ und unsere deutschen Auftragsproduktionen. Damit hat Disney für alle was im Angebot, nicht nur für Familie mit Kindern. Unser Dreistufen-Plan: Erst gab es die traditionellen Disney-Marken, dann kam mit Star eine neue Vielfalt dazu und die bauen wir jetzt mit lokalen Produktionen aus, die das Plus weiter aufladen.

Und das mit deutschen Themen. Brauchte es dafür Disney+?

Gerade am Anfang brauchen wir besonders deutsche Themen, aber mit einem Perspektivwechsel. Wir müssen uns ja unterscheiden und interpretieren Qualität als Mischung aus Relevanz und neuen Ansätzen, wie bei „Sam - ein Sachse“ oder jetzt unseren Neustart „Deutsches Haus“ aus der Feder von Annette Hess. Das war gerade bei den ersten Projekten serhr wichtig. Bei „Sam - ein Sachse“ haben wir ein bislang nicht betrachtetes Kapitel deutscher Geschichte verfilmt und vor wie hinter den Kulissen auf die kreative Power von People of Color aus Deutschland gesetzt. Wie wichtig das Thema ist, zeigten uns leider die Dreharbeiten wo unsere Crew in Ostdeutschland wegen einer anderen Hautfarbe mit Flaschen beworfen wurde. Da wird so eine Serie auch zu einem klaren Statement. Und beim „Deutschen Haus“ geht es, sehr persönlich erzählt, um mutige Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels Deutschlands in einer Zeit, in der das Wirtschaftswunder Wirkung zeigte, die „Beatles“ aufkamen und meist verdrängt wurde. Das große Schweigen, weil das Leben doch gerade wieder so schön war.

 

"Lasst uns zusammen Modelle finden. Da ist bei Koproduktion und Windowing heute so viel mehr möglich"

 

Beide Themen wären auch durchaus öffentlich-rechtlich wertvoll. Nun waren bei den Medientagen in München waren Kooperation und Allianzen große Themen. Sollen Disney+ Originals immer exklusiv bei Disney+ bleiben oder ist ein Windowing denkbar?

Wir würden das sofort machen, weil wir die Themen für relevant und wichtig halten. Deswegen machen wir sie ja. Ich kann mir einen Verkauf unserer deutschen Originals nach einem exklusiven Fenster bei Disney+ als Modell gut vorstellen. Meine Erfahrung ist allerdings, dass zwar einige mögliche Partner die Projekte durchaus spannend finden, aber dann lieber als Koproduktionspartner dabei gewesen wären. Und auch das ist ja interessant, auch da würden wir uns sicher anders als noch vor zwei Jahren - wo man noch ausschließlich für sich geplant hat - öffnen und sagen: Lasst uns zusammen Modelle finden. Da ist bei Koproduktion und Windowing heute so viel mehr möglich, um in dem sehr heterogenen Markt ein möglichst großes Publikum für solche sehenswerten Produktionen zu bekommen.

Auch Sie setzen bei den Auftragsproduktionen auf Miniserien, betonten aber gerade auch den Wert von langlaufenden Serien mit vielen Staffeln…

Serien funktionieren heute anders als früher. Damals hatte man auf der ersten Staffel die große Aufmerksamkeit und danach Schwierigkeiten, daran anzuknüpfen. Heute geht eine Serie wie „Only murders in the building“ erst mit der zweiten Staffel durch die Decke, weil es dauert bis sich rumspricht, was in dem großen Angebot von Serien richtig sehenswert ist. Und dann freuen sich alle auch übers Binge Watching. Das gleiche gilt auch für „The Bear“, da muss man nur in einer anderen Stimmung sein (lacht) Also ich glaube wir alle haben so viele Serien aufzuholen, dass die Miniserien mit ihrem klaren Versprechen eines überschaubaren Zeitinvestments eine gute Ergänzung sind. „Sam - ein Sachse“ und „Deutsches Haus“ sind in sich abgeschlossen und im Buch also von vornherein zu Ende gedacht. Als Serienfan hat es mich ja immer wahnsinnig gemacht, wenn eine nicht fertig erzählte Geschichte dann unvollendet blieb, weil sie doch eingestellt wurde.

Alle Streamingdienste sind mangels transparenter Zahlen immer „total zufrieden“. Ich frage gar nicht erst nach Zahlen, aber woran machen Sie denn fest, dass „Sam - ein Sachse“ sich für Sie gelohnt hat?

Im ersten Jahr ging es natürlich um einen möglichst aufmerksamkeitsstarken Aufschlag, gerade weil die Erwartungen an uns und die erste deutsche Produktion für Disney+ groß waren. Das Feuilleton und die Produktionslandschaft hat verstanden: Wir sind ein relevanter Player mit dem nötigen Budget für Produktionen dieser Größe. Schön ist, dass sich das auch aufs Publikum übertragen hat. Wie schauen wir uns das an? Wie alle anderen: Generiert der Content neue Abonnentinnen und Abonnenten und wenn er das tut, wie intensiv wird er dann konsumiert? Da setzt man sich vorher Erwartungen und die haben wir übertroffen. Natürlich haben wir diese Erwartungen für den Anfang nicht besonders hoch gesetzt, weil wir ja noch im Aufbau sind. Wir müssen nach der Branche schließlich auch das Publikum davon überzeugen, dass wir es ernst meinen und sich ein Abo-Abschluss lohnt. Wir stehen immer noch ganz am Anfang unserer Reise.

Wir sprachen jetzt schon mehrfach über die beiden Serien, dann gab es dieses Jahr auch noch „Farm Rebellion“ und „Die drei Ausrufezeichen“ - wie geht es 2024 weiter mit deutschen Auftragsproduktionen?

Wir haben schon einige weitere Aufträge erteilt, aber nicht über alles können wir heute schon reden. Wir erweitern die Genres und bedienen u.a. auch gezielt die Zielgruppe Young Adults. Die nächsten beiden Produktionen 2024 werden im Frühjahr die von Bantry Bay produzierte multikulturelle Dramedy „Habibi Baba Boom“, erzählt in Bielefeld. Hinter der Serie stecken zwei vielversprechende Nachwuchstalente: Omar El-Saeidi, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern gemeinsam mit Regisseur Sascha Vredenburg auch das Drehbuch schrieb. Und dann das Projekt „Pauline“ von der btf; sehr edgy, sehr anders. Beide Serien sind wieder völlig eigen, erfüllen aber unsere Kriterien Relevanz und Perspektivwechsels.

Frau Park, herzlichen Dank für das Gespräch.