Frau Fraser, seit etwas mehr als einem Jahr sind Sie Geschäftsführerin von Good Times und als solche inzwischen auch alleine verantwortlich, nachdem Sylvia Fahrenkrog-Petersen die Firma rund 25 Jahre lang aufgebaut hatte. Wo steht das Unternehmen mit Ihnen an der Spitze heute?
Shona Fraser: Es war wirklich ein Good Year für die Good Times. Wir haben im Team sehr intensiv an unseren bestehenden Format-Säulen gearbeitet und gegen den allgemeinen Trend unsere Quoten verbessert und zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer hinzugewonnen. Wenn man so ein Unternehmen übernimmt, schaut man zuerst, was gut ist und was man vielleicht verändern möchte. Das ist ein Prozess, der länger dauert. Im Factual Bereich haben wir zusammen mit den Kollegen von Kabel Eins die Formate "Mein Lokal, Dein Lokal" und "Yes We Camp" inhaltlich noch mal angepackt und waren in beiden Fällen damit sehr erfolgreich. Dazu kommen unsere Sozial-Reportagen "Armes Deutschland" und "Armes Deutschland - Deine Kinder", die kannte ich noch gut aus meiner Zeit bei RTLzwei. Alle diese Formate gehen weiter.
Gab es auch etwas, das Sie verändern wollten?
Mein Fokus in den letzten zwölf Monaten war es zu schauen, mit welchen Inhalten wir unser Portfolio erweitern können. Gleichzeitig bringe ich natürlich ganz andere Werte mit in das Unternehmen. Das musste sich erst einmal einspielen.
Was hat sich schon verändert?
Ich versuche schon, die Firma mit einer neuen Kultur zu prägen. Ich sehe unsere Firma und unseren Erfolg als Teamleistung. Ich will als Geschäftsführerin nicht alles bestimmen und nicht nur allein entscheiden, sondern ich baue eine Mannschaft auf, die eigenverantwortlich für unsere großartigen Formate kämpft.
Und inhaltlich?
Im Sommer haben wir "Wettkampf in 4 Wänden" erfolgreich bei RTL in der Primetime etabliert. Damit ist es uns gelungen, mit den Kollegen in Deutz das Makeover-Genre endlich wieder ins Fernsehen zu bringen. Wir schauen uns gerade die Learnings der ersten Staffel an, damit wir mit einer möglichen neuen Staffel noch besser performen. Mehr Reality oder mehr Makeover, das ist die Frage. Ich sehe Good Times als Produktionsfirma für kreative Exzellenz, gleichzeitig sollen sich die Sender unsere Programme auch weiterhin leisten können. Der Markt steht finanziell unter Druck und deshalb wollen wir bezahlbar bleiben. Wir sind kein Unternehmen, das für große und teure Studio-Produktionen bekannt ist. Wir drehen da, wo das Leben spielt. Mein Leitfaden lautet: Don't settle for second best. Das kann nerven, wenn ich meine Teams immer wieder frage, wie wir noch besser werden können. Beim Thema Kreativität hat sich hier bei uns definitiv etwas verändert, wir haben auch ein neues Development-Team. Ein solches gab es vorher nicht und wir entwickeln sehr fleißig.
Der Markt steht finanziell unter Druck und deshalb wollen wir bezahlbar bleiben.
In welche Richtung gehen Sie in der Entwicklung?
Auf der einen Seite schauen wir, wie wir ein Katalog-Format erfolgreich in Deutschland adaptieren können. Wir entwickeln aber auch fleißig eigene Marken und wollen neue Formate produzieren. Und weil wir bestehende Formate nicht kopieren, sondern etwas Eigenständiges schaffen wollen, dauert das ein wenig länger. Good Times stand immer und steht bis heute für starke Gesichter. Wir haben Mike Süsser, der "Mein Lokal, Dein Lokal" moderiert, und mit ihm werden wir im nächsten Jahr viel enger zusammenarbeiten. Auch vom "Trödeltrupp" produzieren wir in diesem Jahr neue Folgen und schauen, was wir noch mit Otto Schulte, Mauro Corradino und Sükrü Pehlivan machen können. Und natürlich halten wir auch nach neuen Gesichtern Ausschau. Gleichzeitig überlegen wir, welche neue Art von Dokusoaps auch in Mediatheken gut funktionieren und wie man das Thema Reality neu aufladen kann.
Joyn hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, dass Good Times das neue Reality-Format "Good Luck Guys" produzieren wird. Eine Programmfarbe, die Sie bislang nicht bedient haben. Ist das schon der erste sichtbare Baustein in der veränderten bzw. vergrößerten Ausrichtung von Good Times?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben verschiedene Säulen: Daytime-Formate, Sozial-Reportagen und jetzt neu auch Entertainment und Reality. Das liegt zu einem großen Teil an mir und meiner Vergangenheit, denn ich liebe Reality. Das ist eine interessante Programmfarbe und es ist toll, Geschichten nah dran an den Menschen und auch mit ein bisschen mit Humor zu erzählen. Für Good Times ist das eine sichtbare Veränderung.
Wo liegt der Reiz speziell in "Good Luck Guys"?
Wir freuen uns sehr, die Chance bekommen zu haben, dieses Erfolgsformat aus Frankreich für Deutschland zu produzieren. "Good Luck Guys" ist eine Art moderne und humorvolle Version von "Herr der Fliegen". Wir haben laute, luxusverwöhnte Reality-Stars an einem isolierten Strand mitten im Nirgendwo ausgesetzt. Es gibt keine Betten, kaum Essen und keinen Luxus – und damit tun sie sich richtig schwer. In Challenges kämpfen sie im Team gegeneinander und scheiden in der Muschelzeremonie nach und nach aus. Das ist unterhaltsam, aber gleichzeitig sieht man die Personen auch von einer gänzlich neuen Seite. Wir haben 20 Folgen gedreht und erzählen diese eher wie eine Soap.
Reality ist eine neue Farbe für Good Times. Ist "Good Luck Guys" mit dem bestehenden Team gestemmt worden oder musste dafür neue Expertise ins Unternehmen?
Wir haben neue Leute ins Unternehmen geholt und die bestehende Team-Power von Good Times ergänzt, um das Format umzusetzen. Teilweise auch mit Personen, die ich schon aus den Jahren zuvor von meiner Arbeit bei RTLzwei kannte.
Wir viele Menschen arbeiten aktuell für Good Times und wie hat sich diese Zahl entwickelt?
Bei der Good Times arbeiten rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da haben wir ein wenig reduziert, aber nicht im großen Stil.
Die Konkurrenz im Bereich Reality ist aber auch nicht gerade klein, oder? Da muss man sich gegen Unternehmen durchsetzen, die schon ziemlich gut wissen, wie man mit Formaten auffällt.
Aber das hat sich ja nicht verändert. Die Konkurrenz ist immer hoch und das belebt das Geschäft. Man ist gezwungen, besser zu sein als die anderen und eine neue Idee zu haben. Gleichzeitig boomt der Reality-Markt und alle Sender suchen nach neuen Ideen und Erzählweisen, da habe ich keine Angst vor der Konkurrenz. Man kann natürlich immer laut "think bigger" rufen, oder aber man bemüht sich um ein "think differently". Das ist ein bisschen das Motto von Good Times. Und es wird auch übrigens nicht beim Thema Reality bleiben.
Wie wollen Sie sich Good Times noch breiter aufstellen?
Ich habe angefangen bei der BBC und dem WDR und auch bei vielen anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus schlagen zwei Herzen in der Brust. Viele von uns haben in der Vergangenheit zwar laute Reality gemacht, besitzen aber gleichzeitig einen fundierten journalistischen Hintergrund. Wir wissen, wie wichtig das öffentlich-rechtliche Fernsehen und das duale Mediensystem ist.
Was folgt daraus?
Wir haben die große Hoffnung, dass wir Antworten auf die Fragen finden, wie man junge Zielgruppen in den öffentlich-rechtlichen Medien erreicht. Darüber denken wir sehr viel nach und sprechen mit den entsprechenden Sendern, um zu schauen, was wir tun können. Da ist jetzt noch nichts spruchreif. Aber neben der Reality ist das für uns eines der großen Entwicklungsprojekte, die wir angehen wollen. Da geht es auch darum, die Sender besser zu verstehen. Deutschland profitiert vom dualen Rundfunksystem und wir haben als Produzenten eine Verantwortung, alles zu tun, damit wir für beide Seiten Inhalte liefern.
Wir haben die große Hoffnung, dass wir Antworten auf die Fragen finden, wie man junge Zielgruppen in den öffentlich-rechtlichen Medien erreicht.
"Good Luck Guys" ist ein Format aus dem Banijay Katalog. Ganz grundsätzlich gefragt: Wann produziert Good Times ein Banijay-Format und wann zum Beispiel Banijay Productions oder Endemol Shine Germany?
Das kann ich sehr gerne beantworten. Wir erhalten alle eine Einladung von Marcus Wolter und dann steige ich zusammen mit Arno Schneppenheim und Fabian Tobias in ein Schlammbecken und wir bewerfen uns so lange, bis der beste gewinnt und das Format erhält (lacht).
Das ist eine sehr schöne Vorstellung.
Aber im Ernst: Das geht sehr gesittet zu. Wer ein Format entdeckt, meldet das an. Sollte es Überschneidungen oder Uneinigkeit geben, sprechen wir miteinander. Und wenn wir uns nicht einigen können, steigt unser "Schlammcatching"-Chef Marcus Wolter mit in den Ring. Bislang ist mir das aber noch nicht passiert.
Sie sagten eben schon, dass Produktionen von Good Times bezahlbar bleiben sollen. Durch Inflation und Werbekrise halten sich viele Sender aktuell mit Beauftragungen zurück oder sind darauf bedacht, die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Welche Auswirkungen hatte das bislang auf Good Times?
Derzeit ist der Markt im Umbruch und da müssen wir zusammenwachsen. Unsere Kunden verspüren einen Kostendruck, der nicht von der Hand zu weisen ist. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Teil der Kreativindustrie zu schauen, was wir tun können, um hier zu unterstützen. Was können wir anders machen? Wie können wir Qualität liefern, die in den Kostenrahmen passt? Ohne – und das ist ganz wichtig – dass die Qualität leidet. Das ist schwierig, aber da muss man anders denken.
Geht das denn so einfach? Bei den Produktionsfirmen gibt es doch auch Kostendruck.
Was natürlich nicht geht, ist, alles gleich zu machen und dafür einen niedrigeren Preis zu verlangen. Deshalb müssen wir anders denken. Wir haben gerade erst ein Reality-Format ohne Fixed Rig produziert und stattdessen auf EB-Teams gesetzt, das hat sehr gut funktioniert. Man neigt als Kreativer oft dazu, zuerst mit den Ideen zu beginnen. Aber vielleicht ist es manchmal auch gar nicht so schlecht, mit einem Preis zu starten und dann zu schauen, wie man es umsetzt – dann ist man nämlich gezwungen, neu zu denken.
Gibt es dennoch etwas, das Sie sich von den Sendern wünschen?
Vor allem in Zeiten, in denen es schwierig ist, werden hierzulande viele von der ‚German Angst‘ getrieben. Da wird dann der vermeintlich sichere Hit gesucht. Wenn ich in Cannes über die MIPCOM laufe, finde ich es schade, dass man vergleichsweise wenige deutsche Hits sieht, obwohl unser Markt so groß ist. Das liegt sicherlich nicht daran, dass die deutsche Kreativwirtschaft weniger kreativ ist als andere in Europa. Aber man muss auch mutig genug sein, um Neues zuzulassen. Da brauchen wir die Sender als Partner. Wir alle müssen positiver und lauter werden, wenn es um die Stärkung eigener Marken geht. Wir haben bei Banijay einen wahnsinnig starken, internationalen Katalog. Da kommen hoffentlich bald neue Good-Times-Hits dazu.
Frau Fraser, vielen Dank für das Gespräch!