2024 plant Tele 5 ohne seine Eigenproduktion "SchleFaZ", teilte Warner Bros. Discovery am Montag mit und trug die letzte große Marke des Senders in einer sehr nüchtern gehaltenen Mitteilung zu Grabe. Man wolle sich "stärker auf rein fiktionale Film- und Serieninhalte sowie Sci-Fi" konzentrieren, hieß es zur Begründung. Oliver Kalkofe hat da aber einen anderen Verdacht. Im Exklusiv-Interview mit DWDL.de berichtet er zudem von Produktionsbedingungen, die immer schwieriger wurden.

Herr Kalkofe, welches gängige Vorurteil erfüllt denn das deutsche Fernsehen jetzt im Falle von Tele 5 mit der Absetzung der aktuell einzig bekannten Marke des Senders, "SchleFaz"?

Das gängige Vorurteil, dass Fernsehen kaum noch von Menschen für Menschen gemacht wird. Was hier passiert, hat nichts mehr mit klassischem Fernsehen zu tun, bei dem man versucht, ein erfolgreiches Programm von Menschen für Menschen zu produzieren – um damit Menschen Spaß zu bringen und um rückwirkend Geld zu verdienen. So zumindest hat einst das Privatfernsehen angefangen. Diese Zeit ist anscheinend vorbei. Nach bisher vorstellbaren Kriterien müsste der Sender sich freuen und jeden Tag in die Hände klatschen, weil wir nach elf Jahren immer noch den dreifachen Senderschnitt erreichen. Wir machen das Lagerfeuerfernsehen von dem alle immer sagen, dass es das gar nicht mehr gibt. Daneben sind wir auch bei Social Media top.

Da Tele 5 sich in seiner Meldung zu den Gründen bedeckt gibt: Warum geht es denn nicht weiter?

Der einzige Grund ist: Dieses Programm kostet noch ein kleines bisschen Geld. Bei Tele 5 gab es ja schon die Entscheidung, dass keine Menschen mehr dort arbeiten und man entsprechend auch keine Programme mehr beauftragt. Das vergangene Jahr bei Tele 5 war das bizarrste meiner ganzen Karriere. Es gab da – aufgepasst – null Mitarbeiter. Null. Kein einziger von ehemals 76. Für uns zuständig waren noch zwei Mitarbeiterinnen, die sich aber im Konzern um alle Sender gekümmert haben. Tele 5 ist somit nur noch ein linearer Streamingdienst. Also sitzen irgendwo Verwalter vor Excel-Listen und gucken nach, wo man noch mehr streichen kann.

 

Es wird so lange umstrukturiert, bis nichts mehr übrig ist. Am Ende hatte auch niemand mehr einen Plan. Null Mitarbeiter, null Programm, null Plan, null Ausrichtung. 

 

War es ein absehbarer Schritt, weil die Leute, die "SchleFaz" bei Tele 5 groß machten, heute gar nicht mehr da sind? Gab es da Vorboten dieser Entscheidung?

Die dunkle Vorahnung hatten wir alle. "SchleFaZ" machte mit Blick auf die Tele 5-Struktur auch keinen Sinn mehr. Den Vertrag für 2023 hatten wir glücklicherweise schon 2022 und vor einer weiteren Umwandlung des Senders bekommen. Tele 5 war früher ja mal ein kleines, erfolgreiches Unternehmen, das dann von einem Konzern übernommen wurde. Dann wurde erst ein Teil der Belegschaft entlassen, dann ein weiterer Teil. Wie das eben oft ist: Es wird so lange umstrukturiert, bis nichts mehr übrig ist. Am Ende hatte auch niemand mehr einen Plan. Null Mitarbeiter, null Programm, null Plan, null Ausrichtung. 

Das klingt aber auch nach schwierigen Produktionsbedingungen in diesem Jahr.

Es war total schwer für dieses Jahr überhaupt noch an Filmrechte ranzukommen. Es hieß zuerst: Nur noch Filme aus dem eigenen Archiv. Also war die Entscheidung absehbar, aber wir hatten noch die Hoffnung, da wir schließlich noch das einzige Programm waren, das Tele 5 zu einem richtigen Sender machte. Aber mit der Meldung am Montagmorgen, die genauso unemotional getroffen wurde wie alle anderen Entscheidungen rund um den Sender, bestand dann Gewissheit. So besteht der Sender Tele 5 nun also als leeres Haus weiter, in dem kein eigenes Leben mehr steckt.

Wie sind die ersten Reaktionen ausgefallen, gab es vielleicht sogar schon erste Interessenten?

Noch nicht, die Meldung ist ja auch erst wenige Stunden alt. Wir warten aber darauf. Und wir bieten uns an, gehen offensiv raus und sagen: Wir haben eine starke Marke plus eine unfassbar treue Fangemeinde, die wir mitbringen. Eine Sendung, die man ohne Zweifel ‚Kult' nennen darf und die aktuell noch extrem erfolgreich ist. Wir werden ja auf der Höhe des Erfolgs gegangen. Gerade in einer Zeit, in der die Formate sowieso wechseln und von Sender zu Sender springen wie noch nie, sind wir hoffnungsvoll, dass wir ein neues Zuhause finden. Auch deshalb, weil wir gar nicht mal so teuer sind. Das ist eine sehr wichtige Information für viele Programmchefs. Neben Fans, Marke und "Kult" sind wir auch noch günstig!



Wie würden Sie denn diese Reise durch zirka 160 Folgen "SchleFaz" zurückwirkend beschreiben: Eine ruhige Fahrt war es ja sicher nicht. Gabs schwierige Momente und wenn ja welche?

Das war oft schwer. Als wir anfingen, wussten wir ja gar nicht, was wir da tun. Wir hatten nie viel Budget. Wir wussten nie, wohin die Reise geht. So hat sich jedes Jahr etwas Neues entwickelt. Neben schweren Momenten gab es aber vor allem unzählige wundervolle Momente. Egal wie kaputt und müde wir waren, Spaß hatten wir immer. Auch Jana König in der Regie hat so viel Liebe und Kreativität in die Sendung gesteckt, das war beeindruckend. Ich möchte da keine Minute missen. Ich denke auch gerne an die 100. Sendung, die wir live im Tempodrom aufgenommen haben: Was uns da fühlbar für eine Welle von Liebe entgegenschlug, hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Das war einer der tollsten Momente, die ich in diesem Business erlebt habe. 

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Fällt es an Tagen wie diesen schwer, das Fernsehen zu lieben?

Das Fernsehen macht es einem nicht mehr so leicht, es lieb zu haben. Andererseits: Problemkinder hat man meist ja besonders lieb. So ist das auch beim deutschen Fernsehen, das mich mit aufgezogen hat. Fernsehen und Radio sind toll. Entsprechend macht es mich traurig, dass es ein Medium gibt, an dem so viele Menschen auf beiden Seiten so viel Spaß haben könnten. Wieso sitzen da dann keine Menschen mehr, die sich im Sender einfach jeden Tag fragen, was man heute Tolles dort machen könnte? Zum Großteil wird verwaltet und somit auch Kreativität verhindert. Geld war immer wichtig im Fernsehen, heute ist es das Allerwichtigste. Das macht mich sehr traurig. Aber die Hoffnung werde ich nie aufgeben. Irgendwie findet sich immer irgendwo ein kleiner stolzer Kämpfer, so ein kleines, mutiges gallisches Dorf, wie es eben Tele 5 früher einmal war.

Das "SchleFaz"-Finale bei Tele 5: Nach der laufenden und am 27. Oktober endenden Staffel, geht es ab 1. Dezember nochmals mit vier Folgen weiter. Für Silvester steht zudem noch ein Best-of auf dem Programm.