Herr Landgraf, Frau Braun. Die Sony-Sender gehören seit Anfang September zur High View Gruppe, das Rebranding ist bereits erfolgt und die Kanäle sind als AXN Black (ehemals Sony AXN) und AXN White (ehemals Sony Channel) on Air. Was war abgesehen davon Teil der ersten Maßnahmen, die Sie gesetzt haben?
Florian Landgraf: Bis zum Abschluss des Verkaufs wurden die Senderaktivitäten aus dem Sony-Konzern in der neu gegründeten Fiction First GmbH gebündelt, sodass wir die Distributions- und Content-Verträge in einer Gesellschaft übernehmen konnten. Wir haben parallel dazu die technische Sendeabwicklung neu aufgesetzt und das Rebranding sämtlicher VoD-Inhalte vorbereitet.
Susanne Braun: Inhaltlich gesehen haben wir zwei Sender übernommen, mit deren Ausrichtung wir sehr glücklich sind. Insofern übernehmen wir die Senderpositionierung auch. AXN Black ist der Sender im Pay-TV, bei dem Fans von hochwertigen US-Serien ihre Heimat finden. Dabei setzen wir vor allem auf die Genres Action, Thriller und Crime. AXN White ist der Sender, bei dem die Zuschauer hochwertige europäische Serien finden und setzen auf die Genres Drama, Krimi und Medical.
Welche inhaltlichen Veränderungen kommen auf die Zuschauerinnen und Zuschauer zu?
Susanne Braun: Wir werden die beiden Sender in einem ersten Schritt mit dem bestehenden Programm neu kuratieren und ab Oktober neue Themenabende in der Primetime einführen. Außerdem sind wir mit den Lizenzgebern in der Content-Akquise. Das läuft eigentlich schon seit Monaten, aber erst seit der Übernahme am 1. September können wir uns wirklich darauf konzentrieren, neue Inhalte für beide Sender zu kaufen.
Florian Landgraf: Es gibt marktüblich rollierende Sendepläne mit einem Vorlauf von vier bis sechs Wochen. Insofern haben – und wollten - wir nicht innerhalb weniger Tage nach der Übernahme das Programm komplett überarbeiten. Das war auch nicht unser Ziel, denn die Sender sind bereits gut aufgestellt. Radikale Maßnahmen wären da fehl am Platz. Natürlich haben wir jedoch in den letzten Monaten unsere Fühler schon nach neuen Inhalten ausgestreckt, konnten dabei aber nie sagen, für wen wir kaufen. Nun haben wir aber die Siebenmeilenstiefel angezogen und werden sicherstellen, dass der Zufluss an Leuchtturm-Content weiterhin bestehen bleibt.
Susanne Braun: Auf AXN Black startet wir im Oktober die italienische Mafiaserie "Gomorrha". Die Serie ist zwar nicht neu im deutschen Fernsehen ist, aber eine hochwertige Serie, die sehr gut zur Positionierung des Senders passt. Wir zeigen Staffel eins bis vier in der Primetime. Bei AXN White werden wir noch einmal die spanische Kostümserie "Grand Hotel" zeigen. Das sind die ersten kleinen Schritte, die wir schon im Oktober machen können.
Florian Landgraf: Auch unsere VoD-Angebote, wie z.B. AXN+ werden wir weiter ausbauen. Im Streaming-Bereich hat Sony ein attraktives Angebot geschaffen, auf dem wir aufbauen wollen. Hier liegt Wachstumspotential, das uns in Zukunft hoffentlich noch viel Freude bereiten wird.
Was ist die grundsätzliche Idee hinter der neuen Programmierung? Was wird anders ab Oktober?
Susanne Braun: Wir haben uns angeschaut, welche die prägendsten Serien der Sender sind. Gerade im Stripping versuchen wir, diese so zu kombinieren, dass unsere Zuschauer unsere Highlight-Serien in der Access Prime am Stück genießen können. Bei AXN Black sind das "Blacklist", "Chicago P.D." und "Unforgettable", bei AXN White "Murdoch Mysteries", "Call the Midwife" und jetzt neu im Stripping "Grand Hotel". Die sollen zu den starken Zeiten gemeinsam laufen, um einen guten Audience Flow zu garantieren. In der Primetime geben wir jedem Abend ein Thema bzw. Genre, dass den Abend bestimmt. "Yellowstone" ist zum Beispiel eine große Flagship-Serie für uns bei AXN Black, die werden wir ab Oktober in Doppelfolgen am Dienstagabend ausstrahlen und dazu noch die Neo-Westernserie "Justified" programmieren. Damit wollen wir unseren Zuschauerinnen und Zuschauern mehr Orientierung bieten. Das Wochenende auf beiden Sendern ist reserviert für Marathon-Programmierungen.
Die Sender wirkten unter der Führung von Sony zuletzt ziemlich verwahrlost. Warum passen sie dennoch zur Gruppe?
Florian Landgraf: High View ist auf die Entwicklung und den Betrieb von Nischensendern spezialisiert. Mit der von der Gruppe gegründeten Channel Factory betreiben wir mittlerweile mehr als 20 Sender. High View ist sehr gut darin, mit hohen Synergien zu arbeiten. In einem schwierigen Marktumfeld verfügen wir daher über eine gute Kostenstruktur. Das ist besonders wichtig im schwierigen Pay-TV-Markt, in dem die Umsätze unter Druck stehen und die Content-Kosten bestenfalls stabil sind. Daher muss man auf der operativen Seite sehr effizient sein, um die Programmqualität dauerhaft zu gewährleisten und für User und Plattformen nachhaltig attraktiv zu bleiben. In der operativen Effizienz liegt unser strategischer Vorteil. Zwar ist dies zunächst für die Endkunden nicht sichtbar, verschafft uns aber die finanzielle Flexibilität, das Geld dort einzusetzen, wo es sichtbar ist, in großartigen Content und unser redaktionelles Know-how.
Haben Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sony übernommen?
Florian Landgraf: Das stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Anders als bei großen Fernsehsendern reden wir aber auch von weniger als einem Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wie viele Menschen sind jetzt aktuell bei Ihnen angedockt und wie viele sollen es perspektivisch werden?
Florian Landgraf: Sagen wir es so: Wir denken, dass wir es durch unsere Spezialisierung und unser starkes Team besser schaffen als Sony. Auch, weil wir nicht in einer internationalen Konzernstruktur agieren. Wir setzen auf bestehende Abläufe, die in einem mittelständischen Unternehmen von Anfang an darauf getrimmt sind, effizient zu sein. Und allen Widrigkeiten am Markt zum Trotz sind wir angetreten, um den Erfolg der Sender dauerhaft zu gewährleisten.
Die Wege sind wieder kürzer und neue Ideen und Projekte können schneller umgesetzt werden
Susanne Braun über ihren neuen Job
Vor allem mit Blick auf AXN Black: Wie sehr trifft Sie der Streik der US-Gewerkschaften? Perspektivisch bedeutet das weniger Programm. Für einen Sender im Aufbau eher schwierig, oder?
Susanne Braun: Das ist nicht optimal, aber darin besteht die Kunst des Programmmachens und setzt meistens kreative Ideen frei. Bei "Yellowstone" trifft es uns ganz aktuell, weil auch wir darauf warten, dass die letzte Staffel von unserer AXN Black Highlight Serie nach dem Ende des Streiks gedreht werden kann. Was die neue US-Serien betrifft haben alle damit zu kämpfen, dass in nächster Zeit nicht viel nachkommt. Aber es gibt so viele Serien, die noch gar nicht in Deutschland gezeigt wurden und aufgrund des großen Angebots bis jetzt untergegangen sind. Ich bin mir sicher, hier werden wir für AXN Black noch Highlight-Programme finden. Und bei AXN White liegt unser Fokus sowieso auf europäischen Produktionen. Entsprechend ist der Sender davon nicht betroffen. Also insgesamt mache ich mir deswegen keine Sorgen.
Florian Landgraf: Auch aufgrund der aktuellen Situation haben wir in der Außenwahrnehmung von AXN Black darauf geachtet, dass wir nicht ausschließlich auf amerikanische Produktionen setzen. So haben wir auch die Möglichkeit, im Zweifel auf andere Teile der Welt auszuweichen. Wir glauben aber nicht, dass der Streik in den USA Jahre andauern wird.
In der Pressemitteilung zur Übernahme war die Rede von einer "langfristigen Content-Partnerschaft mit Sony". Wie sieht das aus und wie lange geht der Deal?
Florian Landgraf: Wir haben einerseits den gesamten Content-Stock der Sender von AXN+ übernommen. Das Gute daran ist, dass dieser Stock sehr groß ist und auch Produktionen beinhaltet, die erst noch veröffentlicht werden. Der Content-Fluss ist für eine gewisse Zeit aus diesen Deals gewährleistet. Sony hat durch die Fokussierung auf den Lizenzhandel ein Interesse daran, Abnehmer für ihre Inhalte im Pay-TV finden und Lizenzgebühren zu generieren. Wir wollen das gemeinsam langfristig sicherstellen. Über die Laufzeit von Verträgen möchten wir jedoch nichts sagen, weil sich dann möglicherweise die Konkurrenz in Stellung bringt. Aber natürlich war für uns der Zugang zu den Sony-Inhalten ein wichtiger Punkt, weshalb wir letztendlich den Deal gemacht haben.
Im Zweifel ist die High View im Lizenzhandel aber doch schwächer aufgestellt als andere Unternehmen, die mit Geld um sich schmeißen können, wenn sie etwas haben wollen.
Florian Landgraf: Das kommt drauf an, mit wem wir uns vergleichen. Wenn Netflix ein Produkt haben möchte, kaufen sie es einfach. Wenn wir uns aber mit Weggefährten vergleichen, die unserer Größenordnung entsprechen, sehen wir, dass auch bei ihnen bestimmte ökonomische Notwendigkeiten greifen. Die Pay-TV-Sender stehen alle vor der gleichen Herausforderung: Der Content hat einen Preis und die Umsätze entwickeln sich in diese oder jene Richtung. Die Kunst besteht darin, die operativen Kosten so weit wie möglich im Griff zu haben, ohne dass die Qualität vor den Endkundinnen und Endkunden leidet. In dem Punkt glauben wir, besser aufgestellt zu sein als andere.
Die Partnerschaft mit Sony geht aber nicht so weit, dass Sie den Namen Sony im Namen der Sender behalten wollten oder konnten?
Florian Landgraf: Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir die Sendernamen behalten. Aber Sony wollte generell die Sony-Brand aus dem Sendermarkt zurückziehen, wenn sie nicht länger Veranstalter sind. Dies scheint auch in anderen Ländern der Fall gewesen zu sein.
Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir die Sendernamen behalten.
Florian Landgraf
Bei AXN ist das aber kein Problem? Das ist schließlich auch eine Sony-Marke.
Florian Landgraf: Bei AXN liegt die Verantwortung beim Studio in Los Angeles, bei Sony entscheidet die Konzernmutter in Tokio. Bei AXN konnten wir ein fertiges Corporate Design und UI übernehmen, das war sehr gut vorbereitet und wir sind froh und dankbar, dass wir das so nutzen können. AXN ist zudem eine auch in Deutschland sehr gut eingeführte Marke.
Langfristig wollen Sie sich aber nicht auf Sony-Inhalte beschränken, sondern reden aktuell mit mehreren Distributoren über Deals?
Florian Landgraf: Schon heute befindet sich auf den Sendern eine beträchtliche Menge an Inhalten von anderen Lizenzgebern. Wir sind somit weiterhin frei in unserer Entscheidung, von wo wir unsere Inhalte kaufen und arbeiten auch weiterhin an Deals mit anderen Lizenzgebern. Allerdings wollten wir auch Sony als starken Lizenzgeber eng an uns binden, weil wir nicht wissen, ob einige Studios doch irgendwann wieder eine Kehrtwende machen und keine Lizenzen an Dritte mehr vergeben. Wenn man dann bereits große US-Studios als Partner hat, ist das aus unserer Sicht eine gute Sache.
Sind die Sender profitabel bzw. wenn nicht, bis wann sollen sie es sein?
Florian Landgraf: Die Sender sind gesund und arbeiten operativ profitabel, dennoch müssen wir in der Startphase auch ein bisschen anschieben.
Und die bestehenden Social-Media-Auftritte konnten Sie nicht von Sony übernehmen? Da fangen Sie jetzt wieder von 0 an und müssen sich mühsam eine neue Community aufbauen.
Florian Landgraf: Das geht nicht, weil wir nicht die Gesellschaft gekauft haben, die die bestehenden Social-Media-Accounts betrieben hat. Wir haben mit der Fiction First ein neues Unternehmen gegründet und es war nicht möglich, die alten Accounts in ein neues Unternehmen umzuziehen. Mit Sony ist jedoch vereinbart, dass die Follower der alten Social-Media-Seiten auf die neuen Angebote hingewiesen werden.
Frau Braun, sie waren zehn Jahre lang Programmchefin bei Tele 5 und zuletzt auch noch für Warner Bros. Discovery als Director Programm Development Fiction tätig. Da ist das jetzt schon ein risikoreicher Neustart, oder?
Susanne Braun: Nein, überhaupt nicht. Es ist ein sehr spannendes Projekt für mich. Bei Tele 5 habe ich 2011 angefangen, als der Sender innerhalb der Tele München Gruppe noch Inhabergeführt war. Ich freue mich sehr bei der High View wieder in so einer Unternehmensstruktur zu arbeiten. Das bedeutet für mich mehr Handlungsfreiraum als in einem internationalen Großkonzern. Die Wege sind wieder kürzer und neue Ideen und Projekte können schneller umgesetzt werden. Das bringt natürlich Herausforderungen mit sich, aber das macht es umso spannender.
Frau Braun, Herr Landgraf – vielen Dank für das Gespräch!