Frau Passmann, Herr Schmitt, was kann alles in einer Talkshow schiefgehen?
Tommi Schmitt: Hoffentlich ganz viel! In der Aufzeichnung der Pilotfolge unserer neuen Show „Neo Ragazzi“ musste ein Gast auf Toilette und ein anderer früher los.
Sophie Passmann: Und ich habe vor Aufregung mindestens ein Glas Wein zu viel getrunken. Am Ende der Aufzeichnung hatte ich eine ganz schwammige Sprache.
Bekommen alle Ihre Gäste Alkohol?
Schmitt: Jeder, der möchte. Wir werden aber niemanden abfüllen.
Passmann: Das Saufen wird bei uns nicht abgekultet. Ich selbst habe einfach eineinhalb Gläser auf nüchternen Magen getrunken, um mich etwas zu beruhigen.
Sie haben im Vorfeld gesagt, dass Sie die Talkshow neu denken und neu zusammensetzen wollen. Wie soll das gelingen?
Passmann: Das ist so eine Scheiße, die ich dann immer sage. Und dann muss ich mich jedes Mal dafür rechtfertigen. Aber das ist natürlich Quatsch. Da war ich großkotzig und unkonzentriert, weil es gar nicht stimmt. Wir wollen die Talkshow nämlich gar nicht neu erfinden. Wir wollen sie vielmehr dekonstruieren und anschließend entscheiden, was davon wirklich gutes Fernsehen ist und was man möglicherweise nur macht, weil es vermeintlich auf Twitter gut ankommt.
Schmitt: Ich mache diese Sendung auch deshalb, weil ich sie selbst gerne konsumieren würde. Die Anzahl der Talkshows, in denen jeder zu allem befragt wird, was politisch läuft, ist mir zu viel. Zu den großen politischen Themen höre ich gerne Menschen, die Expertise haben und nicht unbedingt den "Tatort"-Kommissar. Mir fehlte schlicht ein weiteres Angebot. Natürlich wollen wir nicht flach daherreden, es soll nicht langweilig und egal sein. Aber mit Leuten ganz normal zu sprechen, ohne das ganz große gesellschaftspolitische Thema auf den Tisch zu bringen, darauf habe ich große Lust.
Passmann: Die Hoffnung ist, dass wir Menschen zeigen, über die sich ganz viele Menschen seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit freuen.
Irgendwann wechseln fast alle Talkshows, die mal bunt angefangen haben, ins ernste Fach. Es gab eine Sendung, in der der Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath die Talkshow von Sandra Maischberger verlassen hat, weil er keine Lust mehr hatte, den UFO-Ausführungen von Nina Hagen zu folgen. Warum gibt es solche Sendungen heute nicht mehr?
Passmann: Die Formate sind politischer geworden, weil sich der Zeitgeist verändert hat. In der Zeit, in der sich dieser Wandel vollzogen hat, war das sicher die richtige Entscheidung. Jetzt befinden wir uns aber für mein Gefühl wieder in einer Art Gegenbewegung. Zumal man plötzlich feststellt, dass vielleicht noch eine politische Talkshow die politischen Probleme gar nicht löst, sondern eher noch zementiert. Wir wollen dagegen einfach mal wieder quasseln.
Fast wie in einem Podcast?
Schmitt: In der Machart ist eine Fernsehtalkshow sicher nicht vergleichbar. Ein Podcast mit sechs Leuten würde kaum funktionieren. Außerdem lebt unsere Sendung auch von Spielen und vom Publikum, weil es hoffentlich auch lustig wird.
Passmann: Ich glaube, die Kombination aus Zuschauern und mehr als drei Leuten ist der Kipppunkt. Mir ist das gerade aufgefallen, als ich "Smartless" gehört habe, den Podcast mit Jason Bateman, Sean Hayes, Will Arnett und einem Gast vor Publikum. Es ist langweilig, weil Witze plötzlich nicht erklärt werden und man entweder das Schweigen oder das Lachen des Publikums wahrnimmt, die Reaktionen aber gar nicht nachvollziehen kann.
Ich zucke immer ein bisschen zusammen, wenn es heißt, dass es lustige Studio-Aktionen mit Prominenten gibt.
Passmann: Finden Sie das nicht lustig?
Ich habe schon zu viele schlechte erlebt als dass ich bei solchen Ankündigungen eine gewisse Vorfreude verspüre.
Schmitt: Es geht darum, Situationen zu kreieren, um nochmal anders miteinander reden zu können.
Passmann: Mich berühren lustige Spiele und Aktionen peinlich, die nur der Aktion willen passieren. Wir haben deshalb bei allem Nein gesagt, das die Sendung mutmaßlich nicht weiterbringt. Unsere Spiele müssen entweder sortiertes Chaos erzeugen oder für Verunsicherung sorgen. Das Ziel ist es, etwas aus den Gästen herauszukitzeln, das sie in einer anderen Situation vielleicht nicht gesagt hätten – und auch dann noch im Raum bleibt, wenn die Aktion zu Ende ist. Es reicht uns definitiv nicht, Steffen Hallaschka im Kartoffelsack durchs Studio springen zu lassen. Absoluter Horror.
Nach welcher Mischung setzen Sie Ihre Gäste zusammen?
Schmitt: Wir verfolgen keine Marschroute, sondern gehen danach, was wir uns selbst gerne ansehen würden. Stieße ich beim Zappen auf eine Talkshow, in der Maren Kroymann auf Jumbo Schreiner trifft, dann würde ich vermutlich hängen bleiben, weil diese Kombination fast schon "Promi Dinner"-Vibes besitzt.
Passmann: Vermutlich trifft diese Beschreibung auf unsere Sendung besonders gut zu: Wie "Promi Dinner", nur ohne Essen.
Herr Schmitt, Ihre ZDFneo-Sendung "Studio Schmitt" war ausgesprochen erfolgreich. Trotzdem haben Sie nach fünf Staffeln damit aufgehört. Warum eigentlich?
Schmitt: Es klingt sehr pathetisch, aber ich habe gespürt, dass ich nochmal etwas anderes machen möchte. Ich bin sehr dankbar, fünf Staffeln gemacht zu haben. Meine Sorge war, dass die Sendung irgendwann auserzählt sein könnte.
Dabei hat sich die Sendung selbst ja im Laufe der Zeit deutlich verändert.
Schmitt: Total. Anhand der Sendung erkennt man ganz gut meinen Veränderungsdrang. Jede Staffel war komplett anders: Mal war da ein Sidekick, mal gab's einen Stand-up, plötzlich war der Tisch weg. Wäre die Evolution weitergegangen, hätte die Sendung irgendwann wahrscheinlich ausgesehen wie "Precht". Dann wären wir aber bei einem Podcast gewesen.
Passmann: Ich selbst hätte im Gegensatz zu Tommi einfach eine klassische Late-Night-Show durchgezogen.
Schmitt: Für mich war es nicht erstrebendswert, eine klassische Late-Night-Show zu machen. Das festzustellen war allerdings eine Reise. Den Stand-up habe ich in meiner letzten Show ja als erstes abgesägt. Ich halte den in einer Weekly nämlich nicht mehr für zeitgemäß. Die Sendung lief donnerstags und wurde mittwochs mit Themen von Sonntag aufgezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt haben Micky Beisenherz und halb Twitter schon alle Pointen gemacht.
Passmann: Mein ganz großer Lebenstraum ist genau dieses Daily-Format – montags bis donnerstags auf Sendung zu gehen. In meinem ersten Interview, das ich mit 17 gegeben habe, habe ich auf die Frage, was ich einmal machen möchte, mit vollkommener Selbstüberschätzung geantwortet: "Passmann Late Night". Meine Faszination dafür hat sich bis heute kein bisschen verändert.
Haben Sie diese Lust auf Late Night auch gespürt, als Sie hier in diesem Studio vor einigen Jahren ein Praktikum gemacht haben?
Passmann: Mein damaliger Freund und ich sind damals, als ich in Freiburg studiert habe, mit dem Auto nach Köln gefahren. Als wir hier im Studio König saßen, dachte ich: Wenn ich jemals so etwas machen dürfe, ist mein Leben zu Ende wegen Glückseligkeit. Als ich ein paar Jahre später tatsächlich dort arbeiten durfte, war ich schon glückselig – und jetzt sitze ich mit Tommi hier mitten auf der Bühne. Eigentlich komisch: Kaum hat man ein Ziel erreicht, spricht man schon wieder über den nächsten Lebenstraum.
Schmitt: Das habe ich gerade irritiert zur Kenntnis genommen. (lacht)
Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit der btf, die die Show produziert?
Schmitt: Ich war auch mit Seapoint, die meine bisherige Show gemacht haben, sehr happy. Das war ein tolles Team.
Passmann: Meinst du, dass sie dich in Zukunft zu "Let's Dance" einladen?
Schmitt: Vielleicht. Oder "Sommerhaus". (lacht) Nein, im Ernst. Es war auch deshalb emotional, die Show zu beenden, weil hinter den Kulissen echte Freundschaften entstanden sind. Aber klar, die btf war immer eine Art Qualitätssiegel und für ihre Edgyness und ihre kreativen Menschen bekannt. Da wird immer über den Tellerrand hinausgeschaut.
Jetzt machen Sie eine Sendung, bei der man sich womöglich an "Roche und Böhmermann" erinnert fühlen könnte. Keine Angst vor Vergleichen?
Schmitt: Es ist völlig fair, das zu sagen. Allerdings waren auch Charlotte Roche und Jan Böhmermann nicht die ersten Menschen, die im Fernsehen vier Gäste interviewt haben. Und am Ende sitzen ja nicht Charlotte und Jan hier, sondern Sophie und Tommi.
Wie haben Sie Ihre Rollen in der Show definiert?
Schmitt: Puh...
Passmann: Tu nicht so, als würdest du darüber nachdenken. Es ist Good Cop, Bad Cop – ganz klar.
Schmitt: Wir machen uns gar nicht so sehr darüber Gedanken, wie unsere Rollen sind. Wir sind einfach so, wie es unserem Naturell entspricht.
Passmann: Good Cop, Bad Cop.
Bleibt die Frage: Woher kommt der Name der Sendung?
Passmann: Es ist definitiv kein Wortspiel mit Neonazi, wie wohl in der quatschigeren Ecke von Twitter behauptet wurde.
Schmitt: Man muss da gar nicht so viel hineininterpretieren. Wir finden diesen Italo-Vibe ganz cool. Sommer-Gefühl, Italo-Disco-Gefühl. Gibt Schlechteres, oder?
Frau Passmann, Herr Schmitt, vielen Dank für das Gespräch.