Herr Thorwarth, bei "Blood Red Sky" dauerte es 16 Jahre, bis Sie den Film realisieren konnten. Auch bei "Blood & Gold" lagen 16 Jahre zwischen der ersten Idee und dem ersten Drehtag. Woher nehmen Sie die Geduld?

Aus dem Bewusstsein, dass das Schicksal es am Ende doch ganz gut mit mir meint. Das hätte ja auch alles tragisch enden können. Wenn ich nicht durch Netflix die Chance bekommen hätte, diese beiden Filme doch noch irgendwann zu machen, dann wäre ich jetzt vermutlich dieser komische Vogel, der ewig mit Stoffen rumläuft, die er nicht finanziert bekommt.

Dafür brechen Sie nun zum zweiten Mal mit den üblichen Genre-Konventionen einer deutschen Filmproduktion. Die Geschichte eines Deserteurs gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Action-Thriller mit ebenso viel Humor wie Gewalt und dann noch einer Prise Schatzsuche-Abenteuer zu erzählen – das durften bisher allenfalls die Amerikaner.

Wir sind zwar nicht die Ersten, die Historie und Genre vermischen, aber es ist wohl immer noch ungewohnt, wenn wir uns als Deutsche auf diese Weise ans Dritte Reich herantrauen – und dann auch noch mit einem anständigen Budget ausgestattet. Ob wir das dürfen? Keine Ahnung, wer dafür zuständig ist, so eine Erlaubnis zu erteilen. Ich kann Filme generell nur so machen, wie ich sie für richtig halte. Filmemachen heißt für mich auch, Dinge zu verarbeiten, die einem Angst machen. Und das ist eben meine Art, mit Angst umzugehen: indem ich einen gewissen Humor und Sarkasmus hervorhole. Nicht alle Leute werden damit etwas anfangen können. Ich erwarte nicht, dass jeder meinen Geschmack und meinen Humor teilt. Umso dankbarer bin ich Netflix. Wenn man sich nicht ständig rechtfertigen muss für jede kreative Entscheidung, die man trifft, dann stärkt einem das ungemein den Rücken. Ich hoffe, der Film wird zumindest so erfolgreich, dass Netflix das nicht bereut. (lacht)

Die mahnenden Stimmen, dass man so nicht mit dem schlimmsten Teil unserer Geschichte umgehen könne, haben Sie schon einkalkuliert?

Solche Stimmen wird es sicherlich geben, aber ich glaube, nicht mehr so massiv, wie es gewesen wäre, wenn wir den Film tatsächlich schon 2007 gemacht hätten. In der Zwischenzeit hat sich viel getan, und natürlich war "Inglorious Basterds" ein wichtiger Wegbereiter. Im Netz habe ich schon gesehen, dass wir auch mit Kritik aus ganz anderer Richtung rechnen müssen: Da ärgern sich manche über die vermeintliche Nestbeschmutzung, dass wir die SS zu Unrecht als marodierenden Haufen zeigen, der deutsche Frauen vergewaltigt. Polarisierung ist da zu erwarten.

Spielt historische Authentizität dennoch eine Rolle für Sie?

Aber sicher. Drehbuchautor Stefan Barth hat sich regelrecht eingegraben in die historischen Details. Wir haben 2007 einen Historiker hinzugezogen und sind das Buch mit ihm Seite für Seite durchgegangen. Er bescheinigte uns, dass es zwar eine verrückte, aber keine völlig abwegige Geschichte sei. Mein persönlicher Ansatz ist trotzdem eher spielerisch. Ich habe von klein auf Filme von "Mad Max" bis Italo-Western verschlungen, die wir hier zitieren. Mir geht es darum, ein bestimmtes Lebensgefühl zu treffen und das Ganze nicht zu ernst zu nehmen, aber natürlich auch nicht lächerlich zu machen.

Blood & Gold © Netflix/R. Bajo "Keine völlig abwegige Geschichte": Der SS (v.l. Florian Schmidtke, Alexander Scheer) geht's an den Kragen

"Blood Red Sky" ist bis heute der meistgesehene deutsche Streaming-Film. Glauben Sie, dass er auch im Kino funktioniert hätte und dass "Blood & Gold" dort funktionieren würde?

Es gab tatsächlich mal ein Zeitfenster, in dem "Blood Red Sky" ein großer Studiofilm hätte werden können. Universal wollte ihn eigentlich 2011 machen, aber dann musste der Studiochef gehen, der das grüne Licht gegeben hatte. Mit ziemlicher Sicherheit hätte "Blood Red Sky" zumindest in deutschen Kinos nicht annähernd die Zuschauerzahlen erreicht, die der Film dann auf Netflix hatte. Meine letzte Kinoerfahrung hat mich, ehrlich gesagt, ziemlich ernüchtert: "Der letzte Bulle" ist ja 2019 leider nicht so toll gelaufen, obwohl der Film meines Erachtens ein viel größeres Potenzial gehabt hätte. Wir hatten ihn bewusst nicht nur für die eingefleischte Fangemeinde gemacht, die es gewohnt war, die Serie umsonst und bequem auf der eigenen Couch zu gucken. Leider haben wir das kinoaffine Publikum nicht erreicht. Das hätte mir leicht das Genick brechen können – nach dem Motto: Jetzt macht der Typ nach 20 Jahren immer noch Ruhrpott-Komödien und die sind nicht mal mehr erfolgreich.

 

Die Qualität der amerikanischen Bücher hat schon ein anderes Level, als ich das aus Deutschland gewohnt bin.
Peter Thorwarth

 

Also keine Kino-Sentimentalität, wie viele andere Filmemacher sie äußern?

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, die "Blood & Gold"-Premiere auf der großen Leinwand im Berliner Zoo-Palast nicht genossen zu haben. Aber ich bin pragmatisch genug, um zu wissen, dass ich jeden Film erstmal finanziert kriegen muss. Netflix hat mir diese Möglichkeit gegeben.

Nach dem weltweiten Erfolg von "Blood Red Sky" dürften Ihnen doch auch die Türen sämtlicher Hollywood-Studios offen stehen.

Tatsächlich habe ich jetzt einen ziemlich hochkarätigen Agenten in Los Angeles mit einem Line-up, bei dem ich gar nicht weiß, wie ich da hineingerutscht bin (Anm. d. Red.: Robert Newman von WME, der auch Guillermo del Toro, Kenneth Branagh, David Cronenberg und Baz Luhrmann vertritt). Über den bekomme ich viele Projekte angeboten. Die Qualität der Bücher hat schon ein anderes Level, als ich das aus Deutschland gewohnt bin. Trotzdem ist es gar nicht so einfach, das richtige zu finden. Oft denke ich nach dem Lesen: Es gibt mindestens ein Dutzend andere Regisseure, die das mindestens so gut können wie ich. Um wirklich etwas Besonderes zu machen, muss man brennen, und dafür braucht es eine zündende Idee.

Wie viele eigene Stoffe haben Sie denn noch in der Schublade, die seit Jahren auf Realisierung warten?

Ich habe jetzt noch vier Stoffe, die mir sehr viel bedeuten, und ich hoffe, dass ich die abarbeiten kann, bevor ich in Rente gehe. Wenn man mich lässt, würde ich meine Schlagzahl in den nächsten Jahren auf jeden Fall erhöhen.

Ausgerechnet zu einer Zeit, da Studios und Streamer ihre Ausgaben reduzieren und mehr auf Profit achten wollen? 

Ich hoffe, mit Netflix so eine Art Heimathafen für die nächsten Jahre gefunden zu haben. Ich arbeite nämlich unheimlich gern mit Sasha Bühler, Lars Wiebe und dem ganzen Team dort zusammen. Natürlich bekommen Streaming-Plattformen gerade zu spüren, dass die Abo-Zahlen nicht mehr so explodieren, wie das in der Pandemie der Fall war. Ich hoffe dennoch, dass Netflix weiterhin spannende Projekte macht.

Herr Thorwarth, herzlichen Dank für das Gespräch.

"Blood & Gold" läuft auf Netflix