Phil Laude, was ist – in Ihrer Definition – eigentlich genau ein "Alman" wie in Ihrer Serie "Almania"?
Phil Laude: Auf der Basis eher lustiger Beobachtung ist ein Alman prototypisch deutsch, ohne abhängig von der zugehörigen Nationalität oder Herkunft zu sein.
Also eher ein Habitus oder ein Mindset?
Ein Lifestyle aus beidem, den absolut jeder annehmen kann, sofern er lang genug hier lebt. Da ich viele Almans verschiedener Nationalitäten kenne, empfinde ich den Begriff also gar nicht als Schimpfwort.
Aber schon als despektierlich?
Auch nicht. Wer andere Alman nennt, siezt sie meistens. Das wirkt dann eher respektvoll. Es kommt halt drauf an, was man draus macht.
Was macht ihre Serienfigur, der Brennpunktschullehrer Frank Stimpel, denn aus dem Alman in sich?
Garantiert den King of Cringe, der zwar wahnsinnig peinlich sein kann, dabei aber als Lehrer und Pädagoge gute Arbeit leistet. Vielleicht mag ich Frank Stimpel umso mehr, je länger ich ihn spiele.
Weil er den Alman in Ihnen widerspiegelt?
So wie ein Stück davon er tief in allen steckt, die hier groß werden. Ich bin vorsichtig und beständig, investiere konservativ, habe eine Hausratsversicherung, in der Sauna ein Handtuch auf dem Holz – der Alman, über den ich mich lustig mache, hat den Alman, der viel länger in mir steckt, also nur nach außen gekehrt. Küchenpsychologisch gedeutet, könnte das erklären, warum ich ihn so gern spiele. Mein Vater war übrigens ziemlicher Alman, aber meine Mutter ist Künstlerin.
Klingt, als kämpfen zwei Seelen in Ihrer Brust.
Ja, aber meinen Alman hole ich dennoch eher aus Beobachtungen und lege dann komödiantische Facetten drüber wie Stimpels ständige Dad-Jokes. Dabei ist mir wichtig, mich nicht über ihn lustig, die Figur also lächerlich zu machen. Deshalb stehen andere Figuren der Serie auch gar nicht so in seinem Schatten, sondern entwickeln eigene Perspektiven. Alle teilen hier aus, alle stecken aber auch ein.
Ist das von Fall zu Fall unterschiedlich oder Ihr komödiantisches Prinzip?
Draufknüppeln finde ich generell nicht so cool. Selbst auf meinen Verschwörungstheoretiker oder den BWL-Schnösel, die ich auf Youtube spiele, blicke ich aus mehreren Blickwinkeln. Auch die sind ein Teil von mir, wenn ich sie ergründe, ergründe ich also auch mich selber.
In welcher "Almania"-Figur ergründen sie den Schüler Phil?
Am ehesten relate ich wohl mit Annika.
Die unbeliebte Außenseiterin der Klasse?
Das war ich auch und hatte wohl auch deshalb schon immer ein Herz für uncoole Außenseiter. So ab der sechsten Klasse war ich ja selbst ein Mobbing-Opfer. Schreckliche Erfahrung, wirklich schlimm, wünsche ich niemandem.
War "Y-Titty" so gesehen die späte Rache des Mobbing-Opfers an den Täter:innen?
Der erste Ansatz, die 8. Klasse freiwillig zu wiederholen, nicht mehr der Kleinste zu sein, ans Schultheater zu gehen, hatte schon vorher funktioniert. Daraus ist am Ende dann auch Y-Titty entstanden. Dieser Impuls, es den anderen mal zu zeigen, steht ja am Anfang vieler Comedy- und Kunstkarrieren.
Empfehlen Sie das auch anderen Mobbing-Opfern?
Ich finde das Thema zu komplex, um anderen Empfehlungen auszusprechen. Bis auf die, offen und ehrlich darüber zu sprechen. Je mehr das auch auf Social Media machen, desto transparenter werden die Konsequenzen des Mobbings – auch für die, die es selber tun.
Was war an "Y-Titty" denn heilsamer: der Inhalt oder dessen Erfolg?
Letzteres, glaube ich. Inhaltlich haben wir uns eher unterschwellig an unserer Vergangenheit abgearbeitet. Davon thematisiert "Almania" definitiv mehr als Y-Titty. Witzigerweise waren wir drei Jungs, die zwar ihr Ding durchgezogen haben, im Rückblick aber wahnsinnig uncool waren – nur, dass es eben auf selbstbewusste Art uncool war. Gerade weil wir uns so wenig Gedanken um unser Auftreten gemacht haben, waren wir aber vielleicht Vorbilder für andere. Zur Uncoolness zu stehen, kann ganz schön cool sein.
Ist Ihnen diese Uncoolness acht Jahre später dennoch manchmal peinlich?
Ich war auf einer Party und als dann plötzlich das Video unseres Songs "Ständertime" lief, fanden wir’s eher lustig als peinlich. Man kriegt da heute vielleicht einen leicht roten Kopf, ist am Ende aber schon auch ein bisschen stolz drauf.
Kann man die Anarchie des Youtubens mit der redaktionell betreuten Arbeit am ARD-Format "Almania" vergleichen, was steckt von ersterem im letzteren?
Einiges, wir durften relativ frei sein, haben auch am Set viel improvisiert und ohnehin meine Vorstellung von Humor umgesetzt.
Welche genau?
Möglichst viele verschiedene Menschen damit abzuholen. Klingt langweilig und irgendwie ja auch öffentlich-rechtlich. Aber mir gefällt es sehr, dass "Almania" nicht nur für Jüngere ist, sondern auch Ältere.
Demokratische Comedy gewissermaßen?
Und damit verbindende Comedy, irgendwie wertvoller als ausgrenzende.
Steckt mehr Internet-Anarchie von gestern im Fernsehen von heute oder umgekehrt?
(überlegt lange) Ich glaube, das hält sich die Waage. Fifty-fifty.
Weil Ihnen grad nichts Besseres einfällt?
(lacht) Ich versuche halt einfach mein Mindset offen zu halten und weder nostalgisch zu werden noch besserwisserisch. Aber natürlich färbt das Internet stärker aufs ältere Medium Fernsehen ab als umgekehrt. Mein Anspruch ist da, das beste beider Welten zu verbinden und mit Leidenschaft gute Geschichten zu erzählen. Der Ausspielweg ist dabei eher nebensächlich.
Auf welchem sehen Sie sich in fünf Jahren – nach Digitalmaßstäben also einer Ewigkeit?
Je älter ich werde, desto stärker liegt mein Fokus auf langen Geschichten. Von daher sehe ich mich im Fernsehen, will aber auch keine Fünfjahrespläne aufstellen. Ich lasse mich treiben.
Herr Laude, vielen Dank für das Gespräch.
Die erste Staffel von "Almania" steht ab sofort in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.