Herr Raue, Frau Raue – kann es sein, dass Sie mit der kreativ wie geschäftlich enorm zeit- und kraftraubenden Spitzengastronomie nicht ausgelastet sind?

Tim Raue: Katharina, es geht ums Geschäft, also du bitte!

Katharina Raue: Wir sind beide durchaus ausgelastet, aber wenn uns etwas über den Weg läuft, von dem wir beide glauben, dass es ebenso spannend wie erfolgsversprechend ist, machen wir es einfach zu gerne, um nein zu sagen.

"Raue – Der Restaurantretter" ist Ihnen also auch über den Weg gelaufen und erschien erfolgversprechend?

Tim Raue: So muss es gewesen sein, denn bei Fernsehformaten bin ich eher schwierig. Deshalb hatte ich auch lange gewartet, bevor ich bei Magenta TV mein erstes eigenes Format gemacht habe. Ich möchte mich darin nicht nur wiederfinden, sondern überzeugt sein, dass es funktioniert.

Wobei die Spitzengastronomie als arbeitsintensiv am Rande menschlicher Belastungsgrenzen gilt. Wie schaffen Sie es, jetzt noch ein TV-Format reinzuquetschen?

Tim Raue: Dazu muss man vorweg sagen, dass meine jetzige Frau Katharina mit dem Restaurant Tim Raue, das ich mit meiner Ex-Frau Marie-Anne führe, nichts zu tun hat. Dafür haben wir die Raue-Consulting, in der acht weitere Restaurants verhackstückt werden.

Sie müssen also nichts quetschen, sondern gut delegieren?

Tim Raue: Ich muss schon auch quetschen, kann aber womöglich etwas zeitintensiver arbeiten als andere.

Katharina Raue: Dafür hat mein Mann aber auch exzellente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst dann exzellente Arbeit abliefern, wenn er nicht im Restaurant ist.

Tim Raue: Zum Glück habe ich die Fähigkeit, Menschen vertrauen zu können; nur so konnte ich schon sehr jung Küchenchef werden. Dass mir das nie gereicht hat, sieht man aber an den anderen Restaurants, die ich berate. Arbeit – selbst viel – ist für mich nichts, was ich machen muss, sondern Ausdruck meiner Persönlichkeit.

Katharina Raue: Geht mir genauso. Ich arbeite, weil es mir Spaß macht, und wenn ich dafür Geld bekomme – umso besser. Aber Geld ist nie mein Antrieb.

Tim Raue: Und da ist es bei aller Bescheidenheit ein großes Glück, dass wir in unseren Jobs gut genug sind, um nicht nur darin tätig zu sein, sondern aktiv zu gestalten. Deshalb sind wir auch in der RTL-Sendung keine Marionetten, sondern haben von Anfang an darauf bestanden, die Fälle – im Einvernehmen mit dem Sender natürlich – auszusuchen oder abzulehnen.

Katharine Raue: Es geht dabei immer um ein größtmögliches Miteinander.

Tim Raue: Das im Arbeitsalltag des ganzen Teams herrscht. Wir sind keine Egoshooter, die sich für die Größten halten, sondern beziehen jene, denen wir vertrauen, in alle Prozesse ein. Deswegen war es wichtig, das mit meiner Frau zu machen; was Marketing, Gestaltung, soziale Medien angeht, ist sie mir einfach um Längen voraus. Ich kann gut und gern Hilfe von denen annehmen, die etwas besser können als ich.

Tim kreativ, Katharina betriebswirtschaftlich – das ist also die Arbeitsteilung beim Restaurantretter?

Katharina Raue: Fast, auch Betriebswirtschaft erfordert Kreativität und umgekehrt. Weil wir beide gestalterisch tätig sind, besteht die Arbeitsteilung eher darin, dass Tim alles kulinarisch schön macht und ich optisch. Dafür schauen wir uns im Vorfeld des Castings an, inwiefern sie bei den Kandidaten der Sendung funktioniert.

 

Der Name ist das Einzige, was "Rach, der Restauranttester" ähnelt. Inhaltlich haben wir einen komplett anderen Ansatz
Tim Raue

 

Gemeinsam?

Katharina Raue: Gemeinsam, aber das visuelle Konzept vom „Restaurantretter“ folgt in aller Regel erst aufs kulinarische.

Tim Raue: Wobei der Name eigentlich das Einzige ist, was „Rach, der Restauranttester“ ähnelt. Inhaltlich haben wir einen komplett anderen Ansatz.

Nämlich?

Katharina Raue: Wir bespielen unterschiedlichere Dimensionen und betrachten das Restaurant als Gesamterlebnisraum, den wir auf bestimmte Zielgruppen zuschneiden wollen.

Tim Raue: Und zwar zu zweit auf 90 Minuten statt allein auf 45. Deshalb gehen wir tiefer in die Materie, arbeiten intensiver mit den Menschen und packen die Materie schon deshalb anders an, weil Gastronomie 2023 eine völlig andere ist als 2005 – gerade, was die Außendarstellung betrifft.

Katharina Raue: Außerdem haben sich die Gäste – nicht zuletzt durch die Pandemie – vom reinen Versorgungsdenken hin zu mehr Kost- und Küchenverständnis emanzipiert.

Tim Raue: Umso mehr wollen wir niemandem beim Scheitern zusehen, sondern suchen gezielt nach dem Potenzial, etwas bewegen, also überleben zu können.

Klingt gastronomisch, also fachlich. Wie hat sich denn das Kochfernsehen seit Christian Rachs Pionierarbeit verändert?

Tim Raue: Ich kann da nicht fürs Genre sprechen, aber wir nehmen uns mehr Zeit für die Bilder, arbeiten also nicht mit schnellen Schnitten, sondern Konzentration aufs Wesentliche. Momente brauchen Emotionen und umgekehrt, wir legen den Fokus auf den Menschen, ohne ihm dabei zusehen zu wollen, auf die Fresse zu fallen.

Haben Sie den Restauranttester seinerzeit als Referenzobjekt gesehen?

Tim Raue: Natürlich, es war schließlich ein Format, das über zehn Jahre hinweg grandios gelaufen ist und damit eine echte Benchmark, die wir damals – noch unabhängig voneinander – beide gern gesehen haben.

Katharina Raue: Räumlich getrennt, aber vereint in der Faszination fürs Format.

Tim Raue: Bei dem ich jedes Mal wieder aufs Neue den Kopf darüber schütteln musste, warum nahezu jeder ein Restaurant eröffnen kann, ohne die geringste Idee davon zu haben. Wie viel weniger Not und Tragödie würde es geben, wenn Restaurant-Betreiber ein Lehrberuf mit Abschluss wäre.

Katharina Raue: Ich höre es jetzt noch klatschen, so oft hat Tim als Restaurantretter die Hände überm Kopf zusammengeschlagen.

Sie halten es nicht mit dem amerikanischen Business-Modell fail, try again, fail better?

Katharina Raue: Doch, aber bitte mit einem Konzept, von dessen Erfolg man vorm Scheitern überzeugt war.

Tim Raue: Wir hatten diesbezüglich Kandidaten, die zwar das falsche Konzept am falschesten Ort mit dem falschesten Personal hatten, was eigentlich zu sinnfrei ist, um daran zu arbeiten. Aber wenn die Überzeugung der Betroffenen groß ist, kann man versuchen, kulinarisch und gestalterisch neue Zielgruppen zu fokussieren.

Katharina Raue: Wer auf die Frage nach denen antwortet, sie sei Jung und Alt oder für jeden Geschmack was dabei, hat schon verloren.

Tim Raue: Das Problem ist, dass finanzielle Sorgen schnell dazu führen, Basics wie Disziplin und Hygiene zu vernachlässigen. Aus diesem Strudel herauszukommen, ist extrem schwierig.

Und wie helfen Sie dabei, es doch zu schaffen?

Tim Raue: Durch positives Bestärken.

Katharina Raue: Das Besinnen auf eigene Stärken und Konzepte, die anfangs vielleicht vorhanden waren, aber dem Misserfolg zum Opfer gefallen sind.

Würden Sie ähnlich vorgehen, wenn es in der Sendung um Ihr Restaurant ginge?

Tim Raue: Ja, aber das machen wir doch eh ständig. Ich bin 25 meiner 48 Jahre Küchenchef und wäre kaum so lange erfolgreich, wenn ich nicht jeden Tag mit dem Ansatz starten würde, mich und das Restaurant zu optimieren. Von daher macht der Restaurant-Retter gar nicht viel anders als der -Betreiber. Ich consulte mich an 222 Tagen, die ich zwischen all meinen Unternehmungen unterwegs bin, selbst.

Wenn Sie also maximal 143 Tage die Chance haben, Ihre Frau persönlich zu treffen – ist so eine Sendung dann auch ein bisschen We-Time für beide?

Tim Raue: Da haben Sie die falsche Vorstellung von Drehtagen und wieviel Gelegenheit zur Zweisamkeit sie bieten (lacht). Wir haben ein Beziehungsleben, das viele sich weder vorstellen können noch wollen, genießen die gemeinsame Zeit dafür halt umso mehr und bewusster.

Wie sieht ein gemeinsamer Feierabend bei Raues dann aus?

Katharina Raue: Wie bei normalen Paaren, die nach schwerem Arbeitstag gemeinsam essen, übern Tag reden, sich noch mal hinsetzen, entspannen, zu Bett gehen.

Tim Raue: Kein Halligalli! Und weil mir schleierhaft ist, was die Leute übers Kochen hinaus an mir finden, stehen wir auch nur zweimal pro Jahr auf red carpets und versuchen schon wegen unserer verschiedenen Lebensmittelpunkte Zeit gemeinsam zu genießen, und da gibt es ein Prinzip: keiner von uns beiden kocht. Auf gar keinen Fall!

Katharina Raue: Essen heißt bei uns zuhause daher, was Leckeres bestellen.

Tim Raue: Oder essen gehen, das machen wir natürlich auch sehr gern. Schon, weil man unsere Kollegen überall auf dem Planeten unterstützen sollte. Die haben’s nicht leicht gerade.

Vielen Dank für das Gespräch.

"Raue - Der Restaurantretter" läuft ab sofort dienstags, 20:15 Uhr bei RTL.