Herr Andorfer, RTLzwei wird 30 Jahre alt. Auch für Sie ein Grund zum Feiern?
Nein, ich habe ja nichts mehr mit RTLzwei zu tun. Auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass ich eine wirklich schöne Zeit dort hatte.
Wie viel von Ihrem RTLzwei steckt denn noch im heutigen RTLzwei?
Tja, was trägt ein 30-Jähriger in sich von dem, was ihn zwischen seinem fünften und zwölften Lebensjahr geprägt hat? Damals war das Wesentliche unser Wir-Gefühl. Wir waren eine Bande von Lausbuben und Lausmädchen, die versucht hat, möglichst innovativ zu sein. Wie RTLzwei heute ist, weiß ich nicht, weil ich es nicht mehr verfolge.
Sie haben RTLzwei zum Reality-Sender gemacht – mit "Big Brother", "Popstars", "Frauentausch". War es von Anfang an Ihre Absicht, eine TV-Revolution anzuzetteln?
Angesichts der Entrüstung, die manche dieser Formate hervorriefen, klingt Ihre Erinnerung geradezu unschuldig. Dabei warfen Kritiker Ihnen kalkulierten Regelbruch vor.
Das war es aber nicht. Lausbuben tun einfach etwas und fragen nicht danach, was für Konsequenzen es hat. Ich glaube, das ist eine Frage des Alters. Im Sender fühlten wir uns damals alle jung. Der Spaß, den wir hatten, übertrug sich aufs Publikum und auch auf unsere Gesellschafter. Ein Herr Schmidt-Holtz, ein Herr Walgenbach und auch ein Herr Bauer hatten richtig Spaß an dem, was wir machten. Natürlich gab es auch Bedenkenträger, aber die ließen sich dann vom wirtschaftlichen Erfolg überzeugen.
Wie haben Sie es denn geschafft, den Sender in die schwarzen Zahlen zu hieven und dabei noch so viel Spaß zu haben?
Im Grunde fing alles mit Stefan Aust an, der mich im April 1997 während der MIPTV als eine Art inoffizieller Vermittler von Heinrich Bauer auf der Croisette in Cannes ansprach und fragte: Wollen Sie RTLzwei-Chef werden? Ich leitete damals die Programmplanung beim ORF und bat mir etwas Bedenkzeit aus, weil ich den Job nur machen wollte, wenn mir ein schlaues Konzept einfiel. Hinter dem Spaß stand immer das Ziel, dass mehr Geld herauskommen musste als wir hineinsteckten. Zu diesem Zweck habe ich die Deckungsbeitragsrechnung eingeführt und auf jeden einzelnen Sendeplatz gelegt: Wie viel geben wir aus, wie viel nehmen wir ein? Alle Sendungen, die hohe Verluste machten, habe ich sofort eliminiert. Es war faszinierend zu sehen, dass das, was ich mir zu Hause in Wien im Kopf ausgemalt hatte, dann auch in der Realität funktionierte: Innerhalb eines halben Jahres war der Sender von 100 Millionen D-Mark Minus in der Gewinnzone. Danach fühlte sich alles locker und leicht an. Und diese Leichtigkeit hat sich auf den ganzen Sender übertragen.
Nur Herr Kloiber war ehrlich zu mir und erzählte, dass man ihm viele Millionen für meinen Kopf bot.
Josef Andorfer, RTLzwei-Geschäftsführer von 1997 bis 2005
Bis es irgendwann mit der Leichtigkeit vorbei war und die Gesellschafter Sie im Februar 2005 loswerden wollten. Von außen betrachtet, war die RTL Group sauer, weil Sie ihr die Werbevermarktung von RTLzwei entzogen, und Herbert Kloiber, weil Sie kaum noch seine Filme zeigten.
Mit Kloiber verhielt es sich anders, als Sie es schildern. Aber ja, vielleicht habe ich ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, als ich den neuen Vermarkter El Cartel nannte, ohne die Gesellschafter zu fragen. Das hätte ich wohl anders handhaben können.
Sie meinen, nur der Name war das Problem, nicht die Gründung eines eigenen Vermarkters an sich?
Der eigene Vermarkter war das Ergebnis von langen Verhandlungen der Gesellschafter untereinander. Das hatte weniger mit mir zu tun als mit der Frage, wie viel der Sender für die einzelnen Gesellschafter wert war.
Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass Eltern – um mal in der Lausbuben-Analogie zu bleiben – ihr eigenes Kind so verraten würden, nachdem sie es kurz zuvor noch über den grünen Klee gelobt hatten. Nur Herr Kloiber war ehrlich zu mir und erzählte, dass man ihm viele Millionen für meinen Kopf bot. Da ging es nicht ums Programm oder die Vermarktung, sondern bloß um die Frage, wer die Macht bei RTLzwei hatte.
Nagt das heute noch an Ihnen oder haben Sie's abgehakt?
Das ist längst abgehakt. Wäre ich bei RTLzwei geblieben, dann hätte ich all das nicht erlebt, was ich später bei meinen internationalen Geschäften in Kasachstan, Moskau, Peking oder Hongkong machen durfte. So ist es doch immer im Leben: Wenn man nichts Neues wagt, trocknet man irgendwann ein. Und zum Neuen wird man manchmal auch gezwungen.
Was machen Sie heute?
Ich bin kein operativer Geschäftsführer mehr, aber unternehmerisch nach wie vor im Mediensektor engagiert. Vor allem im Bereich des Free Ad-Supported Streaming Television (FAST), einer der momentan spannendsten Entwicklungen überhaupt, und bei einem Software-Hersteller, der es Rechteinhabern und Programmvertrieben leichter machen will, ihr Programm zu vermarkten.
Und was schauen Sie privat am liebsten?
Ich liebe türkische Serien, aber auch indische und argentinische. Das ist mir von meiner Tätigkeit in den internationalen Märkten geblieben. Wäre ich heute noch für einen deutschen Sender verantwortlich, würde ich definitiv türkische Serien einkaufen, so wie ich damals bei RTLzwei Bollywood-Filme ins Programm genommen habe, weil sie mir so gut gefielen und ich davon ausging, dass ich damit nicht allein war.
Herr Andorfer, herzlichen Dank für das Gespräch.