Herr Fitzek, die Verfilmung vom Auftakt Ihrer Romanreihe „Auris“ nimmt von der ersten Minute an Fahrt auf. Entspricht die gesendete Beschleunigung 1:1 der literarischen oder wird sie am Bildschirm nochmals hochgefahren?
Es entspricht jedenfalls meiner Art zu arbeiten, aber auch der von Vincent Kliesch, mit dem ich Teil 1 ja noch sehr eng gemeinsam geplottet und geschrieben habe.
Hat „Auris“ demnach Ihr persönliches oder eher typisches Thriller-Tempo?
Stephen King hat mal gesagt, beim Schreiben eines Thrillers gäbe es nur zwei Transportmittel: Speed-Boot oder Ozean-Dampfer. Ersteres setzt in Höchstgeschwindigkeit ab und fesselt damit pausenlos, letzteres dagegen langsamer, ist dafür bei voller Fahrt aber kaum noch aufzuhalten. Ich bin erkennbar ein Speed-Boot-Fan.
Auch als Konsument?
Auch als Konsument. Obwohl ich mir da eher mal gemächliche Thriller gefallen lasse.
Mittlere Bootsklassen, um im Bild zu bleiben, interessieren Sie als Autor gar nicht?
Doch. Wenn ein Thriller zum Psychothriller wird, darf er selbst über Hunderte Seiten hinweg zum Kammerspiel ohne Action oder Leiche geraten. Bei mir ist es nur so: Ich lese mir alles – ob Roman oder Drehbuch – immer laut vor. Und wenn dabei auffällt, dass ich Stellen schneller als nötig lese, streiche ich sie tendenziell raus. Erst durch Kürzung entsteht oft Spannung. Aber nur, weil ich Fan einer gewissen Ereignisdichte bin, haben Millionen andere Arten natürlich trotzdem ihre Berechtigung.
Das ist also kein Stil- oder Genre-Urteil?
Nein, es ist meine persönliche Präferenz. Weil ich mich selbst nicht langweilen will, lege ich daher schnell den Rotstift an. Ein großer Regisseur meinte mal, gute Filmszenen beginnen so spät wie möglich. So halte ich es beim Schreiben auch und glaube, das tut ganz gut.
Wo Frank Schätzing gerade die Serien-Verfilmung von „Der Schwarm“ kritisiert hat…
Ach, hat er das?
Ziemlich offen und sogar ein bisschen wütend über die vermeintliche Mutlosigkeit des ZDF. Wie zufrieden sind Sie mit der Verfilmung von „Auris“ bei RTL?
Ich finde es gelungen und die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache wirklich gut!
Wobei die Reihe zwar Ihre Idee war, aber das Werk eines anderen.
Na ja, ich wollte Auris zunächst als Hörspiel umsetzen, das ich mit Audible dann auch entwickelt habe. Aber weil mir mehrere Eisen im Feuer die Konzentration rauben, arbeite ich generell nur an einem Projekt zurzeit und hatte Glück, dass mein Kollege Vincent, den ich sehr schätze, angeboten hat, daraus auch noch Romane zu machen, die dann vom Hörbuch abweichen. Anfangs habe ich daran noch als Co-Autor mitgearbeitet.
Und dann?
Wurde ich von Teil zu Teil mehr zum Sparringspartner und bin sehr glücklich mit den Ergebnissen. Und letztlich wurde auch bei der Verfilmung mehr richtig als falsch gemacht: Schauspiel, Production Value, visuelle Ausarbeitung, also Look & Feel finde ich wirklich gut. Geradezu brillant finde ich dagegen, wie das akustische Empfinden der Hauptfigur Hegel in Szene gesetzt wurde.
Wie kommt man eigentlich auf die Idee eines forensischen Phonetikers? Ich wusste nicht mal, dass es so was gibt…
Ich auch nicht. Die Idee kam mir beim Telefonieren auf der Autobahn, als die Verbindung so schlecht war, dass ich nicht wusste, wer mich anruft. Da dachte ich, wie spannend es wäre, anhand von Geräuschen allein Rückschlüsse auf die Person am anderen Ende der Leitung zu ziehen. Über Recherchen habe ich mich dann ans Thema herangetastet und bin auf Fachleute gestoßen, die bei Geiselnahmen Stimm- und Geräuschanalysen vornehmen. Für Verfilmungen, insbesondere bei Thrillern, ist dieses sensorische Werkzeug perfekt.
Auf welchen Ihrer sieben Sinne könnten Sie als Mensch und Autor auf keinen Fall verzichten?
Das Sehen, unbedingt. Sätze, die ich schreibe, muss ich sehen und verändere sie deshalb beim Lesen am Computer. Leider fehlt mir nämlich die Gabe, schon im Kopf druckreife Sätze entstehen zu lassen.
Können Sie am Computer druckreife Sätze entstehen lassen, die sich automatisch zur Verfilmung eignen?
Das nicht, aber ich habe beim Schreiben Bilder im Kopf, die sich daher auch visuell leichter umsetzen lassen. Andererseits ahne ich oft schon beim Schreiben, wenn dies nicht der Fall sein wird, und schreibe es trotzdem hin, weil es für die Geschichte wichtig ist
Nehmen Sie dennoch Einfluss auf Verfilmungen?
Auch hier bestenfalls als Sparringspartner, der seine Meinung nur sagt, wenn er gefragt wird. Schließlich ist alles, was am Set passiert, eine Kunst für sich, die ich zu beherrschen mir niemals anmaßen würde. Ob Drehbuch, Casting, Ausstattung, Regie, Schnitt – niemand aus der zweiten Reihe sollte den Profis sagen, wie es läuft. Nur weil ich schon viele Fußballspiele gesehen habe, könnte ich – auch wenn 80 Millionen Trainer das vor jeder WM glauben – keine Nationalmannschaft aufstellen.
Schön, dass Sie den Gewerken hier mal Ihren Respekt zollen!
Klar, sie liefern auch meinen Romanen das Fundament funktionierender Verfilmungen. Ohne sie bricht alles zusammen! Jeder Film ist ein Kunstwerk, das aus Kunstwerken anderer Künstler und ihren Visionen besteht.
Welche Kunstform macht Ihnen mittlerweile den meisten Spaß – das Recherchieren, das Schreiben, das Verkaufen, das Lesen, das Podcasten, das Verfilmen lassen?
Recherchieren definitiv am wenigsten; es sei denn, mir kommen Aha-Erlebnisse wie beim forensischen Phonetiker. Mein Kollege und Freund Peter Prange sagt, am meisten Spaß mache ihm das Geschrieben-haben. Wenn etwas den Anschein erweckt, es könnte so ineinandergreifen, dass es funktioniert, bereitet mir schon das Schreiben ein gutes Gefühl. Ob es am Ende dann wirklich aufgeht, bleibt am Anfang aber immer nur eine Hoffnung.
Herr Fitzek, vielen Dank für das Gespräch.
"Auris - Der Fall Hegel" läuft am 28. Februar um 20:15 Uhr bei RTL, am 7. März folgt "Auris - Die Frequenz des Todes". Beim Streamingdienst RTL+ sind die beiden Filme schon seit Mitte Dezember verfügbar.