Herr Klamroth, wie anders wird "Hart aber fair" mit Ihnen?
"Hart aber fair" ist eines der am längsten laufenden linearen Gesprächsformate im deutschen Fernsehen und hat dementsprechend Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, die die Sendung schätzen. Ich werde versuchen, die Sendung zu verändern und weiterzuentwickeln, aber würde ich mit einer Abrissbirne ins Studio geschossen kommen, würde ich schnell wieder rausgeworfen werden. Ich bin ja auch nur der Moderator des Formats. Alleine der Wechsel von Frank Plasberg zu mir ist ein Riesenschritt für "Hart aber fair" und den WDR - hin zu einem halb so alten Moderator, der noch dazu Bart und kein Jackett trägt.
Bei Frank Plasberg galt es einst schon als kleine Revolution, weil er ohne Krawatte moderierte.
Ganz ausdiskutiert ist das noch nicht. Aber die werden mich schon lassen. (lacht) Aber im Ernst: Ich werde am 9. Januar nicht alles anders machen. Wenn man mit Umsicht und Respekt an ein solches Format geht, dann lässt sich einiges verändern. Der Kern aber, dass Politik auf Wirklichkeit trifft, bleibt.
Hilft es, dass das Format "Hart aber fair" heißt - und bisher nicht "Frank Plasberg" hieß?
Das hilft ungemein, schon alleine weil wir jetzt kein neues Logo entwerfen müssen. (lacht) Es hilft aber natürlich auch deshalb, weil es einen wesentlich leichteren Übergang ermöglicht. Es gibt zwar einen neuen Moderator, aber trotzdem wissen die Leute, welches Format sie erwartet.
Ein wenig Plasberg steckt aber durchaus noch drin, immerhin produziert seine Firma weiterhin die Sendung.
Frank Plasberg hält sich bislang mit Ratschlägen zurück. Aber das Gute ist, dass ich ihn immer anrufen kann.
Bei ProSieben haben Sie zuletzt mehrfach versucht, mehr Show in die Politik zu bringen. Ist das aufgegangen?
Ich glaube schon. Zumindest inhaltlich und optisch bin ich sehr zufrieden, weil wir mit der "Bundestags-Show" und der "Politik-Show" sicher einige Highlights setzen konnten. Ich bin ProSieben, allen voran Daniel Rosemann, sehr dankbar, dass der Sender politische Inhalte auf diese große Bühne setzt. Klar, die Quoten der vergangenen beiden "Politik-Shows" waren nicht bombastisch, aber im Jahr der Bundestagswahl lief es sehr gut - auch in der jungen Zielgruppe. Es müsste solche Shows regelmäßiger geben, damit sich das Publikum daran gewöhnen kann. Wenn man nur zwei Folgen macht, dann lässt sich auch nur schwer beurteilen, ob ein solches Konzept aufgeht oder nicht.
Was folgt aus Ihren Erfahrungen mit der "Politik-Show" für das, was Sie künftig in der ARD machen wollen?
Politik und Show ist ein schmaler Grat, denn man sollte Politik nicht überinszenieren. Das Publikum hat ein feines Gespür dafür, wenn eine Debatte künstlich wird. Gleichzeitig muss man auf sich verändernden Sehgewohnheiten eingehen. Und neben aller Inszenierungen waren es in unserer Polit-Show vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die mit echten Anliegen echte Momente geschaffen haben, indem sie einfach frei Schnauze geredet haben. Das ist sicher eine Parallele zu "Hart aber fair", wo schon immer ganz normale Menschen mit Politikerinnen und Politikern im Panel saßen. Das weiter zu schärfen und zu fokussieren, tut der Sendung sicher gut.
Ist ein Polittalk nicht immer ein Stück weit inszeniert? Mitunter wirken diese Shows wie eine Schauspielaufführung, bei der jede und jeder seine Rolle übernimmt.
Das ist die Number-one-Kritik, die Menschen an diesen Talkshows haben. Das kann ich total nachvollziehen. Im besten Fall können Talkshows jedoch Orientierung schaffen im Wettbewerb verschiedener Argumente. Unsere Aufgabe als Fernsehmacher ist es, Komplexität zu reduzieren, ohne gleichzeitig unterkomplex zu werden. Wenn wir das schaffen, dann können wir auch dieser Kritik begegnen. Aber klar ist auch: Sobald Kameras laufen, verändert sich die Atmosphäre eines Gesprächs. Deshalb ist es mein Ziel, dass die Gäste die Kameras möglichst vergessen und dadurch unerwartete Momente und echte Aha-Effekte entstehen. Das kann gelingen, indem die Momente manchmal unvorhergesehen sind und man sich darauf einlässt, dass eine Debatte einen Lauf nimmt, den man vorher vielleicht nicht erahnt hat. Sich diese Flexibilität auch in einer Livesituation zu bewahren, ist wahnsinnig schwer, macht aber auch Spaß.
"Journalistische Unabhängigkeit ist mein Grundsatz. Darauf können sich meine Zuschauerinnen und Zuschauer immer verlassen."
Hilft es Ihnen, dass Sie mal Mitglied in einem Debattierclub gewesen sind?
Ich habe dadurch mitgenommen, Argumentationsketten relativ schnell zu erkennen und diese dann auch zu durchbrechen. Ganz häufig werden von Politikerinnen und Politikern spezifische Argumentationsmuster angewandt und dabei wichtige Gegenargumente ausgeblendet - zu wissen, wann es sich lohnt, sie zu unterbrechen und die Debatte in eine andere Richtung zu lenken, hilft total.
Wie wichtig sind Ihnen die eigene Meinung und Haltung?
Jeder Mensch hat eine eigene Haltung, das ist doch klar. Aber wenn man als Moderator journalistisch ein Gespräch leitet, dann geht es nicht um die eigene Meinung sondern darum, die Argumente der Gäste herauszuarbeiten.
Ich stelle die Frage auch deshalb, weil Sie mit Luisa Neubauer zusammen sind, die das bekannteste Gesicht der deutschen Klimaschutzbewegung ist.
Es ist logisch, dass mit der neuen Aufgabe mehr Aufmerksamkeit auf meiner Person liegt. Mein Privatleben wird auch in Zukunft privat bleiben, aber um auf den Hintergrund Ihrer Frage einzugehen: Da ich mit einer Person des öffentlichen Lebens zusammen bin, hat das Publikum aus meiner Sicht einen Anspruch darauf, das zu wissen. Deshalb ist es mir wichtig an der Stelle transparent zu sein. Gleichwohl gilt: Journalistische Unabhängigkeit ist mein Grundsatz. Darauf können sich meine Zuschauerinnen und Zuschauer immer verlassen.
Erwarten Sie einen Aufschrei?
Ich glaube, die meisten Leute wissen, seriöser Journalismus ist vor allem sauberes Handwerk. Dazu gehören sorgfältige Recherche, kritisches Nachfragen, Überparteilichkeit, Unabhängigkeit und natürlich Transparenz. Dieses Handwerk beherrsche ich. In der Praxis bedeutet das konkret, dass wir eine sehr erfahrene Redaktion haben, in der offen darüber diskutiert wird, welche Themen wir fürs Publikum relevant halten, wie wir sie aufbereiten und wen wir einladen. Und dass meine Partnerin nicht Gast meiner Sendung sein wird, versteht sich doch von selbst.
In den vergangenen Jahren hat es in Talkshows viele Sendungen zu Corona, dem Krieg in der Ukraine und seinen Auswirkungen gegeben. Da hat sich also einiges wiederholt. Wie sehr kann man sich in einer solchen Sendung davon lösen?
Ich fand es als Zuschauer ganz interessant, dass sich viele Talkshows gerade in der Corona-Pandemie gewandelt haben. Da gab es nicht unbedingt den harten Schlagabtausch, sondern es ging um das Bedürfnis des Publikums, Licht ins Dunkel zu bringen. Wenn Krisen wie die Pandemie oder der Krieg über einen langen Zeitraum relevant sind, ist es die Aufgabe des Journalismus, einer Themenmüdigkeit und Gewöhnungseffekten entgegen zu wirken. Das Schöne bei "Hart aber fair" ist allerdings, dass wir auch andere Themen setzen können. Es muss nicht in jeder Woche um Themen gehen, die auf Seite eins der Zeitungen stehen - da ist auch Platz für Sterbehilfe, Drogenlegalisierung oder Tierhaltung, also Themen abseits der hauptsächlichen Schlagzeilen. Daran möchte ich gerne festhalten. Trotzdem werden wir natürlich weiter in der Ukraine hinschauen und versuchen, unseren eigenen Zugang dazu zu finden.
"Zu 'Hart aber fair' gehört das Publikum zwangsläufig dazu."
"Hart aber fair" unterscheidet sich von der Konkurrenz auch dadurch, dass seit geraumer Zeit wieder Publikum im Studio sitzt. Da lauert an jeder Ecke die Gefahr des schnelles Applauses.
Bei "Hart aber fair" ist es richtig und wichtig, dass Publikum da ist, weil es sich ein Stück weit um einen Publikumstalk handelt. Das können wir ganz konkret nutzen: Ich habe eine Handmikrofon und kann die Menschen im Studio direkt befragen. Ich kann es aber durchaus nachvollziehen, dass Kolleginnen und Kollegen auf Studiopublikum verzichten, weil die Gäste auf eine bestimmte Publikumsreaktion hin sprechen und den Applaus provozieren, was die Debatte letztlich aber nicht weiterbringt. Wenn jemand nur auf den Applaus aus ist, werde ich versuchen, das transparent zu machen. Zu "Hart aber fair" gehört das Publikum aber zwangsläufig dazu.
Gehört auch Brigitte Büscher weiter zu "Hart aber fair"?
Natürlich gehört Brigitte Büscher auch weiterhin zu der Sendung. Schon alleine, weil sie wahnsinnig beliebt ist beim Publikum - und zwar völlig zurecht. Als ich sie gefragt habe, ob sie auch mit einem halb so alten Moderator zusammenarbeiten will, hat sie große Lust bekundet - das hat mich sehr gefreut.
Wie viel Zeit bleibt für Ihnen in Zukunft eigentlich für alles außerhalb von "Hart aber fair"?
Da bleibt schon noch Zeit. Der Vorteil einer so regelmäßigen Sendung ist, dass ich meine Zeit sehr viel besser einplanen kann als bisher. Durch diese Strukturierung eröffnen sich mir neue Räume. Daher werde ich weiter für unsere Produktionsfirma, die K2H, produzentisch tätig sein. Leider darf ich nicht mehr für unsere "ZDFzeit"-Dokus vor der Kamera stehen. Wir werden die Reihe jedoch mit einem neuen Kopf fortsetzen. Daneben arbeiten wir an weiteren Projekten, die sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzten.
So, Schlussrunde bei DWDL…
(lacht)
Werden Sie Ihre Sendung auch so beenden?
Die Schlussrunde hat eine schöne Funktion, weil sie die Panelteilnehmer zur abschließenden Reflektion der anderen Positionen zwingt und für ein konstruktives Ende sorgen kann. Es passt wahrscheinlich nicht zu allen Themen und soweit ich weiß, hat es auch bei Frank Plasberg nicht in jeder Ausgabe eine Schlussrunde gegeben - aber ich finde es eine gute Institution. Wenn mir eine schöne Schlussrunde einfällt: Why not?
Herr Klamroth, vielen Dank für das Gespräch.