Herr Mertz, Sie haben eine Sendung bei ZDFneo, aber wissen Sie eigentlich, wann sie dort läuft?
So genau weiß ich das wirklich nicht. Sie läuft irgendwann sonntags um 23 Uhr irgendwas. (lacht) Die letzte Staffel war irgendwann sogar mal nachts im Hauptprogramm zu sehen. Ich erinnere mich daran, dass ich während der letzten Staffel einmal durch ZDFneo gezappt habe, um mich zu entspannen – und plötzlich sah ich mich in meiner Sendung. Da bin ich regelrecht erschrocken, weil ich nicht damit rechnete. Aber letztlich ist der TV-Sendeplatz gar nicht so entscheidend. Die Sendung ist "Mediathek first", weil sie von der ZDF-Mediathek beauftragt wurde. Am wichtigsten ist es daher, dass sie vorwiegend auch dort ihr Publikum findet.
Wird das Fernsehen also überbewertet?
Über das Fernsehen erreichen wir sicher mehr Laufkundschaft, also Menschen, die eher zufällig in die Sendung geraten und sie dann in der Mediathek zu Ende schauen, weil sie schlafen gehen oder noch etwas erledigen müssen. Das Fernsehen wird in meinen Augen also nicht überbewertet, aber ich kann mir vorstellen, dass es vermehrt zur Zweitverwertungsplattform wird. Allerdings wundere mich auch immer darüber, wie viele Menschen sich noch Sendungen aufnehmen. Das ist echt wyld, weil man auf dem Fernseher doch auch einfach in die Mediathek gehen kann.
Was sagt das bloß über das Mediennutzungsverhalten aus?
Man merkt in vielerlei Hinsicht, dass es noch viel Nachholbedarf gibt. (lacht) Andererseits: Wie oft habe ich auf Partys schon den Satz gehört "Ich gucke gar kein Fernsehen, sondern nur Netflix oder die Mediathek" – dabei ist das doch basically auch Fernsehen. Ich fand die Debatte über den angeblichen Tod des Fernsehens schon immer albern, weil der Content, den wir produzieren, ja nicht stirbt, nur weil wir ihn auf anderen Plattformen konsumieren. Mir persönlich ist es völlig gleich, wo die Menschen meine Sachen anschauen. Es geht mir darum, dass sie schauen. Und wenn es darüber hinaus noch die Möglichkeit gibt, mit ihnen einfacher in Kontakt zu treten, dann ist das per se nichts Schlechtes.
Es sei denn, das Feedback ist grenzwertig.
Es ist nicht so grenzwertig, wie man vielleicht denkt. Es kommt schon vor, dass man mal in eine Blase sticht, die aggressiv ist. Wir hatten gerade erst eine Sendung über Maskulinimus. Da gibt es offensichtlich eine empfindliche Bubble, die auf so etwas direkt anspringt. Das kann tatsächlich grenzwertig werden, aber grundsätzlich empfinde ich die Kommunikation als angenehm.
Wie motivierend oder demotivierend ist dieser direkte Austausch?
Ich komme ganz gut damit zurecht, weil ich eine recht angenehme Zielgruppe habe. Aber 365 Tage im Jahr immer erreichbar zu sein, kann schon zehren, weil man ja dauerhaft bewertet wird. Da hilft es, sich zwischendurch auch mal zwei Wochen davon zu lösen. Ich bin glücklicherweise ganz gut darin, eine zeitlang keine Kommentare zu lesen. Ansonsten kann man schnell in eine Teufelsspirale geraten.
Auf welche Stimmen hören Sie?
Wenn ich mich mit Leuten gut identifizieren kann und spüre, dass aus dieser Ecke Kritik kommt, dann belastet mich das schon. Das braucht dann schon mal ein, zwei Tage, um die Kritik zu verstehen. Aber das sind Stimmen, die mir wichtig sind. Davon abgesehen ist es nie verkehrt, einen Anlass zu bekommen, seine Inhalte zu reflektieren – gar nicht so sehr, um es allen recht zu machen. Manchmal ist eine gewisse Provokation auch wichtig ist, um Debatten auszulösen. Man muss manchmal in das Auge des Shitstorms blicken, um zu wissen, was einen da erwartet.
Welches Ziel verfolgen Sie im Fernsehen?
Am Anfang war es die große Show, klar. Aber dadurch, dass die Zielgruppe viel spezifischer geworden ist, habe ich schnell umgedacht. In Zeiten wie diesen kann es nicht die eine große Show sein, sondern es braucht vielmehr ein Streufeuer an verschiedenen Projekten, von denen die einzelnen vielleicht gar nicht mehr so groß sein müssen. Es gefällt mir, mich breit aufzustellen, von Podcast über die ZDF-Mediathek bis hin zu Stand-up-Auftritten. Gerade habe ich eine Kunst-Doku für 3sat gedreht. Mein Ziel ist es, so viele Inhalte umzusetzen, auf die ich persönlich Bock habe. Es gibt ja Leute in der Branche, die jahrzehntelang ein und dieselbe Sendung moderieren. Das ist echt hart.
Der "Glücksrad"-Moderator in den USA macht seinen Job schon seit über 30 Jahren.
Wahnsinn. Oder denken Sie an die ganzen Late-Night-Shows. Die Moderatoren gehen vier oder fünf Mal pro Woche raus auf die Bühne. Dafür muss man vermutlich ein richtiger Malocher sein. Das brennt doch aus.
Vielleicht nicht, wenn man seinen Namen am Broadway liest.
Fürs eigene Ego mag das natürlich gut sein. Gerade zur Trump-Zeit habe ich viel von Stephen Colbert gesehen. Aber da fiel mir auf, wie viel sich mit der Zeit wiederholt hat. Vermutlich ist das auch schon eine Kunst. Aber ich könnte das nicht. Ich konnte es ja schon nicht mehr hören. Wie soll ich es dann sagen? (lacht)
Haben Sie Vorbilder?
Als ich meine erste Late-Night gemacht habe, fand ich all diese Late-Night-Hosts toll – von Jimmy Fallon bis Trevor Noah. Aber in den letzten zwei Jahren habe ich mich davon entfernt.
Nicht mal Frank Elstner ist ein Vorbild?
(lacht) Ich habe viel von ihm gelernt, aber das ist eine andere Generation.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie seine Moderatorenschule nicht besucht hätten?
Ich hätte vermutlich dasselbe gemacht. (lacht) Nur der Weg wäre wahrscheinlich ein anderer gewesen. Eine Zeit lang wollte ich Journalist werden, habe dann aber relativ schnell gemerkt, dass Journalismus auch ziemlich deprimierend sein kann. Es ist ein großes Glück, den Witz in den Dingen zu finden. Dementsprechend wäre ich als Journalist vielleicht eingegangen.
Ist es schwerer geworden, die Leute in den letzten zweieinhalb Jahren zum Lachen zu bringen?
Ich finde, es ist sogar leichter geworden. In der Realität gibt es weniger zu lachen. Es ist den Menschen deshalb wahnsinnig wichtig, unterhalten zu werden. Das tut ihnen gut. Unsere Lebensrealitäten sind durch Corona vielleicht etwas zusammengerückt, indem wir alle völlig überfordert zuhause saßen. Diese kollektive Überforderung hält bis heute an und ist ein sehr guter Nährboden für Comedy und Unterhaltung.
Sie haben inzwischen eine eigene Produktionsfirma gegründet. Was erhoffen Sie sich davon?
Es geht um eine gewisse Kontrolle über Inhalte. Mit den meisten Partnerinnen und Partnern hat es in der Vergangenheit eine enge Zusammenarbeit gegeben, aber ganz am Anfang meiner Karriere habe ich es auch anders erlebt. Da wurde mir vieles aus der Hand genommen. Und weil ich ohnehin schon so viel für meine privaten Kanäle machen muss, war die Gründung einer eigenen Produktionsfirma letztlich ein logischer Schritt.
Sie sagen "muss". Wie viel Druck steht dahinter, immer zu liefern?
Ich kann nicht viel und wüsste gar nicht, was ich sonst machen würde. Das einzige, was mir wirklich Spaß hat, ist genau das: Stand-ups, Tweet schreiben, Podcasten. In allen anderen Berufen hätte ich vermutlich einen ziemlichen Druck, und jeder Nine-to-Five-Job, den ich bisher gemacht habe, hat mich ziemlich zermürbt.
Herr Mertz, vielen Dank für das Gespräch.
"Aurel Original", in der ZDF-Mediathek und sonntag, 23:45 Uhr bei ZDFneo