Herr Schmid, was steckt hinter der Entscheidung, mit BBC Studios Germany eigenständig im deutschen Markt zu produzieren?
Es gibt den strategischen Anspruch von BBC Studios in für uns maßgeblichen Märkten wie u.a. USA, Frankreich, Skandinavien und eben Deutschland als globaler Player auch unter eigener Flagge zu produzieren. Als kommerzieller Arm der BBC war BBC Studios immer schon selbstbewusst im Markt unterwegs und wir liefern natürlich auch einen wichtigen Beitrag, um für unser Mutterhaus die Einnahmen aus der Licence Fee zu ergänzen. Gleichzeitig sind wir ja nicht neu im deutschen Markt und haben bereits seit mehr als zwanzig Jahren den Vertrieb aufgebaut und Koproduktionen realisiert, sowie in unserem vorherigen Production Joint Venture aktiv produziert. Hinzu kommt jetzt eben der Einstieg in die lokale Produktion mit einem eigenen Team, der getrieben ist von dem immer größeren Appetit im deutschen Markt - von Sendern und Plattformen - nach lokalen Produktionen.
Den Umbau von BBC Studios Germany zur Produktionsfirma haben Sie vor zwei Jahren angekündigt. Jetzt startete mit „Ruby“ die erste Produktion. Es wirkt als hätte der Umbau länger gebraucht als erwartet…
Wir sehen uns im Soll unserer Timeline. Unser Anspruch war nicht, an Tag 1 den Markt leerzukaufen und riesige Strukturen aufzubauen. Unsere Prämisse war ein ambitionierter aber organischer Aufbau von BBC Studios Germany als Produktionshaus hier im Markt. Der Umstand, dass man als Produzent oft schon lange an Projekten arbeitet, bevor man darüber reden kann, hat vielleicht den Eindruck verstärkt, aber wir sind gut beschäftigt. Die Sitcom „Ruby“ war genau genommen noch eine Koproduktion mit unseren tollen Partnern bei Studio Zentral, im Juli haben wir aber mit „Jetzt knallt’s“ eine selbstentwickelte fünfteilige Primetime-Show für RTL produziert. Das Vertrauen und die Geduld von RTL, diese Idee mit uns über ein ganzes Jahr hin zu entwickeln und realisieren, ist toll. So ist unsere wirklich eigenständige Premiere im Markt eine Eigenentwicklung unserer Non-Scripted-Abteilung um Markus Templin.
Sie wollen also nicht nur aus dem BBC Studios-Katalog für Deutschland adaptieren?
Nein, wir wollen in allen Genres auch in Deutschland selber entwickeln. Aber starke Formatvorlagen sind und bleiben natürlich gewissermaßen das Kerngeschäft. Entsprechend freuen wir uns natürlich sehr auf die kürzlich schon vermeldete Produktion einer deutschen Adaption des bei ITV sehr erfolgreich gelaufenen „The 1% Club“ für Seven.One Entertainment. Das ist nach langer Zeit mal wieder ein echtes Hit-Format im Katalog von BBC Studios und ein wirklich tolles Quiz.
Aber vorerst liegt der Fokus von BBC Studios Germany im Non Scripted Entertainment?
Für den Moment mit Sicherheit. Wir haben mit „Das große Backen“ und „Let’s dance“ ja auch noch zwei langlaufende und sehr erfolgreiche Koproduktionen mit der Tower Productions und Seapoint Productions. Für „Jetzt knallt’s“ und den „1% Club“ konnten wir nun organisch und nachhaltig schon ein starkes Team aufbauen, das gilt es jetzt auch langfristig an PS auf die Straße zu bringen. Was natürlich nicht heißt, dass wir nicht ebenso Ambitionen in der Fiktion haben. Aber auch die gilt es eben schrittweise und nachhaltig aufzubauen.
Wo sie gerade „Das große Backen“ und „Let’s dance“ ansprechen: Haben die Ambitionen, unter eigener Flagge im deutschen Markt zu agieren, Auswirkungen auf diese beiden Produktionen?
Wir haben uns bei der strategischen Entscheidung zum Ausbau von BBC Studios Germany erst einmal die Hausaufgabe auferlegt, uns selbst beweisen zu wollen. Deshalb auch die etwas längere Anlaufphase, um dann bei einer ersten Produktion auch sagen zu können: Das kommt zu 100 Prozent von uns. Bei den beiden Formaten, die Sie nennen, sind wir in mehrjährigen Partnerschaften, mit denen wir sehr zufrieden sind. Im Fall von „Das große Backen“ ist es ja auch so, dass ich selbst lange bei der Tower Productions involviert war und auch mit dem Seapoint Team von Nina Klink herrscht ein sehr vertrauensvoller und enger Austausch, den wir sehr zu schätzen wissen.
BBC Studios setzt also auch weiterhin auf Partnerschaftsmodelle im Markt?
Natürlich verfolgen auch wir sehr ambitionierte Ziele und Produktionen komplett selber stemmen zu können, ist da sicher immer der Plan A. Aber Beständigkeit und enge Partnerschaften widersprechen diesem Anspruch ja in vielen Fällen gar nicht. Das beschränkt sich im Übrigen auch gar nicht auf den Bereich der Auftragsproduktionen. Nehmen Sie zum Beispiel die tollen BBC-Naturfilm Koproduktionen, die wir ohne Partner wie das ZDF und den Terra X Sendeplatz gar nicht finanzieren könnten. Auf solche Partnerschaften sind wir sehr stolz und haben sie in den letzten Jahren unter Anderem auch im Fiction Bereich mit Projekten wie „Mallorca Files“ und der neuen Reihe „Chelsea Detective“ ganz gezielt mit den Mainzer Kolleg*innen ausgebaut.
Wie unterschiedlich ticken der deutsche und britischen Markt, wenn Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen?
(lacht) Ja, es gehört natürlich zu meinen Kernaufgaben, die Transferleistung von britischen Ideen und Formaten in den deutschen Markt verständlich einzuordnen, was mir als Deutscher der 16 Jahre in UK gelebt hat, aber großen Spaß macht. Da lernen wir stetig gegenseitig voneinander und übereinander - und hin und wieder haben auch beide Seiten noch Scheuklappen auf. Ein großer Unterschied zwischen den beiden Märkten ist die Bereitschaft der Briten, sich sowohl als Protagonisten als auch Publikum auf Experimente und abwegige Ideen einzulassen. In Deutschland lässt man sich nicht so schnell auf Neues ein, hinterfragt stattdessen häufiger. Was sich allerdings hier in den letzten fünf sechs Jahren geändert: Statt nur zu importieren, exportiert Deutschland auch und in Großbritannien schaut man mit einem gesteigerten Interesse auf Ideen von hier.
Wie muss eine erfolgreiche Show im Jahr 2022 eigentlich aussehen?
Ich denke die richtige Balance zwischen Innovation und Tradition. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Gewohnheiten und Anknüpfungspunkte sind wichtig, das gilt auch für „The 1% Club“, was zunächst einmal ein Quiz ist. Aber es braucht dann überzeugende Formattwists, die mehr sein müssen als ein Effekt. „The 1% Club“ ist ein besonderes Quiz weil es seine Fragen und Rätsel mit Prozentangaben versieht, die hinterlegen wie viele Deutsche korrekt geantwortet hätten. So entsteht eben ein total unterhaltsames Einbetten und ein repräsentativer Bezug zwischen meinem eigenen Wissen und dem der Nation. Bei einer Gameshow wie „Jetzt knallt’s“ wiederum kommt der spannende Twist durch die starke Visualität des Formats. Weil die Spielrunden im Grunde Mini-Experimente sind, bei denen es möglichst gut einzuschätzen gilt, wann es knallt - und wir dann alles Mögliche explodieren, platzen oder knallen lassen – lösen wir jedes Spiel mit Zeitlupen und Super Slow-Mo Aufnahmen auf. Das gibt dem Spielshow-Charakter noch ein besonderes Visual Treat.
Wo sehen Sie über Shows hinaus das größte Wachstumspotential für BBC Studios Germany?
Wir werden als BBC Studios im Bereich Dating und Cooking mit zwei tollen Formaten in diesem Herbst auch zur MIPCOM nach Cannes fahren und ich bin zuversichtlich, dass wir davon auch etwas in Deutschland umsetzen werden können. Factual bleibt ein sehr stark nachgefragtes Genre. So wie übrigens auch die fiktionale Adaption, wie bei „Ruby“. Wobei ich den Begriff Adaption irreführend finde, weil mal weniger, mal mehr angepasst werden muss. Ein Scripted Format zu adaptieren, würde ich immer als eine Art Vorsprung beim Development betrachten und genau dieser Vorteil wird auch weiter gesucht. Deswegen ist das auch ein Bereich, auf den wir setzen werden und uns perspektivisch auch noch personell weiter verstärken wollen.
Herr Schmid, herzlichen Dank für das Gespräch.