Herr Roeder, „Supertalent“ holte Lukas Podolski, „DSDS“ holte Florian Silbereisen. Beides ohne Effekt. Kann ein Peter Maffay bei „The Voice of Germany“ halten, was die Personalie verspricht?
Peter Maffay muss nichts halten. Er hat als einziger deutscher Künstler über zwanzig Nr.1-Alben herausgebracht und ist musikalisch über eine lange Karriere hinweg unverändert auf der Höhe der Zeit geblieben. Peter Maffay reflektiert immer gesellschaftliche Strömungen, weiß, was Haltung bedeutet und wie man den Kontakt zu seinen Fans hält. Das macht ihn dank seiner unglaublichen Disziplin zum Phänomen und sogar Vorbild für mehrere Generationen. Davon gibt es wenige. Deswegen hatten die Senderverantwortlichen und ich schon seit der ersten Staffel, die Idee, mit ihm zu sprechen. Wir kamen immer irgendwie nicht zusammen. Jetzt war es eine glückliche Fügung.
Erhoffen Sie sich, mit Maffay bei „The Voice“ eine andere Altersgruppe anzusprechen?
Natürlich erhoffen wir uns zusätzliches Interesse und können nach den Aufzeichnungen der Blind Auditions festhalten: Jemanden wie Peter Maffay dabei zu haben, war für viele im Publikum etwas Besonderes. Selten haben so viele Menschen nach den Sendungen auf Autogramme gewartet. Aber bei „The Voice“ gilt: Das Format ist der Star, dazu kommen mit Maffay, Rea Garvey, Stefanie Kloß und Mark Forster sehr starke Coaches mit viel musikalischer und menschlicher Erfahrung.
Die Blind Auditions prägen das Format als Element stärker als andere Sendungen, wo einzelne Personen im Mittelpunkt standen…
Absolut. Es kommt in der Inszenierung kraftvoller daher. Diese großen, drehenden Stühle, die Momente des Bangens während der Performances, das Buzzer-Geräusch und die Tatsache, dass dann das Mächteverhältnis gedreht wird und Kandidatin oder Kandidat sich den Coach aussucht, sind prägende Elemente. Dazu ist das Format immer positiv, einladend und anregend. Auf diese Tonalität haben wir immer sehr geachtet.
Wie fühlt es sich an, die einzige noch nicht terminierte deutsche Musik-Castingshow im deutschen Fernsehen zu sein?
Ich würde kein Geld darauf wetten, dass „Deutschland sucht den Superstar“ wirklich endet. Ich habe aber auf jeden Fall großen Respekt davor, wenn ein Format sich zwanzig Jahre lang im deutschen Fernsehen hält und meist die Balance gefunden hat zwischen Sehgewohnheiten und Weiterentwicklung. Da müssen wir mit „The Voice“ erstmal noch acht Jahre liefern.
Muss sich das Format dafür weiterentwickeln?
„The Voice“ bleibt „The Voice“ bleibt „The Voice“. Am Kern darf sich nichts ändern, drum herum natürlich schon und die Kunst besteht darin, Dinge zu verändern bevor das Publikum einen abstraft und danach verlangt. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie viel Reality das Format braucht. Was erzählt man, wie viel Raum gibt man dem? Wie privat wird man? Das sind Parameter, die wir immer wieder neu bewerten. Eine Veränderung ist natürlich Melissa Khalaj als Co-Moderatorin neben Thore Schölermann, die im besten Sinne von Moderation etwas Verbindendes mitbringt und im „The Voice“-Universum keine Unbekannte ist.
Mal allgemein gefragt: Worin besteht der Reiz des Castingshow-Genres obwohl inzwischen alle wissen, dass in der Regel keine Stars mit erfolgreichen Karrieren gefunden werden?
Wenn wir dreieinhalb oder vier Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer haben, gibt es genauso viele verschieden Motivationen, „The Voice“ einzuschalten, aber mehrheitlich gilt sicher: Der Weg ist das Ziel. Wir bieten musikalische Unterhaltung, manche Überraschungen und zeigen Weiterentwicklung. Die Blind Auditions allein haben viele Fans und der Siegeswillen der Coaches hat auch seinen Anteil. Die Klammer des Ganzen ist der Wettbewerb, aber „The Voice“ ist auf dem Weg zum Finale einfach gute Unterhaltung.
Wie bewerten Sie den Sendeplatzwechsel bei Sat.1 von Sonntag- auf den Freitagabend?
Ich find das toll. Der Sonntag ist schwierig für so eine lange Show, die mir dann den Start in die Woche verhagelt. Und wenn ich früher ins Bett will, die Hälfte der Sendung verpasse, bin ich nicht mehr mit dem Contest verbunden. Wenn die Bindung zu einem Teil der Kandidatinnen und Kandidaten fehlt, wird einem das Ganze dann egal. Am Freitagabend geben wir mehr Menschen die Chance, die Sendung problemlos komplett zu schauen.
Für RTL produzieren Sie gerade eine neue Staffel „Die Puppenstars“ mit Thomas Gottschalk als neue Mirja Boes…
Das ist aber gemein. Thomas Gottschalk ist Thomas Gottschalk. Mirja hat das ganz toll gemacht, aber Gottschalk ersetzt niemanden. Er ist einer der wenigen Moderatoren, die in der Lage sind, mehrere Generationen zu umarmen, weil er sich immer mitentwickelt hat und eine Offenheit den Dingen gegenüber hat, die erfrischend ist. Ein großartiger, lustiger, kluger Moderator - und erfolgreicher denn je. Er moderiert für ProSieben „Wer stiehlt mir die Show?“, macht bei RTL „Denn sie wissen nicht, was passiert" und für das ZDF „Wetten, dass..?“. Wer sonst darf bei drei verschiedenen Häusern zur besten Sendezeit moderieren, weil er alle erreicht? Da ist Gottschalk einzigartig.
Neben der Moderation ist auch das Format verändert: Es gibt in jeder Show einen Gewinner bzw. eine Gewinnerin?
Wir glauben, dass der Reiz des Formats in der Vielfalt der Acts liegt und weniger darin, die Reise eines Acts bis zu einer Finalshow zu verfolgen. Außerdem haben diese Acts oft einen sehr eigenen, charakteristischen Stil, so dass es schwer fällt, sich da mal eben noch was Neues auszudenken, falls man ins Finale kommt. Wir schaffen stattdessen drei Abende an deren Ende es jeweils eine Gewinnerin oder einen Gewinner gibt. Damit werden die „Puppenstars“ nicht zu einer Verpflichtung für Wochen sondern zu einem schönen abgeschlossenen Abend und das jedes Mal aufs Neue. Das ist fröhlich, lustiges, buntes und positives Fernsehen.
Lohnt es sich noch Programm für abseits der Primetime zu entwickeln? Es scheint als fokussierten sich zumindest bei den Privatsendern alle Budgets darauf…
Ich glaube nach wie vor an den Bedarf für gutes Programm in der Daytime. Wir sind hier ja groß geworden mit Talkshows wie „Sonja“, „Andreas Türck“ und „Britt“…
Und jetzt werden Sie „Britt“ wieder für Sat.1 produzieren?
Nein, machen wir nicht. Wir sind da nicht im Gespräch. Also ich glaube aber, dass es in der Daytime, mindestens aber in der Access Prime, nach wie vor Bedarf an neuen Ideen gibt. Und es gibt auch relevante Budgets, um Programme zu produzieren, die alle qualitativen Erwartungen erfüllen. Und wenn man sich Vox anschaut, dann ist eine Daytime gelungen, die für sich spricht. Man weiß bei Vox schon, was man bekommt, bevor man einschaltet. Das ist gutes, positives Factual Entertainment mit unterschiedlichen Formaten aber einer ähnlichen Tonalität. Wir müssen immer weiter probieren. Erfolg ist die Summe von Misserfolgen, nach denen man nicht aufgibt. Aber die Abwesenheit von Trash ist auch noch keine Qualität.
Woran arbeiten Sie bei Bildergarten denn über „The Voice“, „Die Puppenstars“ und „Sing meinen Song“ hinaus?
Wir stehen bei Bildergarten für die Verbindung von Musik und Fernsehen, weil wir mit unseren Formaten bewiesen haben, dass Musik kein Abschalter oder Pause ist, sondern gezielt eingeschaltet wird. Dazu muss man Musik entsprechend in Szene setzen, was bei „The Voice“ anders aussieht als bei „Sing meinen Song“, aber ernst nehmen wir Musik immer. Auch bei unserem neuen Projekt für Seven.One Entertainment: Wir adaptieren die belgische TV-Idee „The Musical of your life“ und feiern dabei das Leben besonderer Stars in Musical-Form.
Das klingt alles so sorgenfrei bei Ihnen…
Für den Moment ist es auch so, wenn man mal von den Problemen absieht, die wir mit allen anderen in der Branche teilen: Den Kampf um Studio-Kapazitäten, um Cutter und Kameraleute. Aber die sind lösbar und betreffen viele. All unsere Formate gehen in nächste Staffeln und immer mehr Streamingdienste entdecken Non-Fiction für sich, suchen dabei immer nach den großen Primetime-Ideen. Und gute Musik ist zeitlos, was für eine On-Demand-Nutzung hilfreich ist.
Herr Roeder, herzlichen Dank für das Gespräch.