Herr Buschmann, Sie stehen für die Neuauflage des "Turmspringens" vor der Kamera. Wie groß ist die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Stefan Raab?
Wir haben im Vorfeld bereits miteinander gesprochen. Alles fühlt sich ein bisschen so an wie früher – und Stefan ist natürlich auch wie immer. Er ist hochmotiviert, auch wenn er nur noch hinter den Kulissen tätig ist. Ich war ja nie einer von denen, die Stefan vergöttert haben. Ich mochte schlicht seine Herangehensweise an Unterhaltungsfernsehen.
Wie sieht denn seine besondere Herangehensweise aus?
Er schafft es, den größten Unsinn mit dem größtmöglichen Ehrgeiz und Willen zu einer bierernsten Sache zu machen, ohne das Lachen dabei zu vergessen. Für mich ist es immer schlimm, wenn Fernsehen völlig egal ist. Raabs Shows – ob Wok-WM, Stock Car oder Autoball – haben dagegen immer davon gelebt, dass alle Spaß hatten, aber dennoch jeder gewinnen wollte.
Raabs eigene Motivation war durchaus förderlich für den Erfolg der Show. Nur beim neuen "Turmspringen" bei RTL wird er gar nicht selbst antreten. Kann das gutgehen?
Ein Stück weit ist das ja das Dilemma aller Formate aus dem Raab-Kosmos. Ich glaube, dass auch ihm erst mit ein wenig Verspätung klar geworden ist, dass ein Konzept, das mit ihm funktionierte, nicht zwangsläufig auch ohne ihn funktioniert. Aber es kann funktionieren, wenn man nicht versucht, eine Ersatzfigur für Stefan Raab zu finden, sondern in der Präsentation ein eigenes Team zulässt. Da geben Jan Köppen, Laura Wontorra und ich unser Bestes. Was wir aber unbedingt haben wollen: Prominente, die keine Angst davor haben, sich zu blamieren. Wenn das gelingt, bin ich mir ziemlich sicher, dass die Leute vor dem Fernseher auch ohne Stefan relativ schnell mitfiebern werden. Wenn aber alle Klamauk machen, dann wird’s schwer.
RTL hat im Vorfeld angekündigt, dass das "Turmspringen" etwas "RTLig" werden soll. Heißt das, dass RTL schlicht das Team von "Ninja Warrior" mit einer Raab-Show kreuzt – und das war's?
Ganz ehrlich? Genau das wäre mein Wunsch. Ich weiß, dass RTL Vertrauen in Laura, Jan und mich hat. Und ich weiß, dass Raab TV eine ähnliche Sicht aufs Fernsehen hat wie wir. Hoffentlich entsteht daraus eine schöne Symbiose.
Nun ist das schon die dritte Show, die Sie in dieser Ninja-Kombination zusammen machen. Auf wie viele Konzepte lässt sich das noch übertragen?
Ich glaube, das ist endlich. Man muss aufpassen, es nicht zu übertreiben – auch, weil wir inzwischen ja schon einige "Ninja"-Ableger gemacht haben. Dazu kommt "Top Dog", jetzt das "Turmspringen", später noch die "Luftballon-Meisterschaft". Wir wollen das Publikum ja auch nicht langweilen. Ich selbst moderiere dieses Jahr wieder 30 Primetime-Shows. Das ist völlig ausreichend, glaube ich.
Und bei "Murmel Mania" waren Sie auch dabei.
(lacht) Aber da bin nicht ich der Hauptprotagonist, sondern Chris Tall. Da bin ich der, der Murmelrennen kommentiert, sehr zur Verzweiflung aller deutschen Sportfans, die mich am Ende meiner Laufbahn angekommen sehen.
"Es lässt sich teilweise kaum noch unterscheiden, wer überhaupt gerade am Mikrofon sitzt."
Sie selbst haben kürzlich gesagt, dass Sie zum Ende der kommenden Saison als Sportkommentator aufhören wollen. War das wirklich ernst gemeint?
Ich habe schon oft über das Aufhören sinniert, aber diesmal meine ich es ernst. Was soll denn auch noch kommen? Ich habe NFL-Spiele aus den USA kommentiert, habe Basketball-Welt- und Europameisterschaften kommentiert, mache seit sechs Jahren die Konferenz, die mir in der Vita noch gefehlt hat. Und ganz ehrlich: So wie heutzutage Sport präsentiert und übertragen wird, ist das ohnehin nicht mehr so ganz meine Welt.
Was meinen Sie damit?
Da geht’s um Produktionsstandards oder die Herangehensweise, was man als Reporter darf oder nicht. Ich frage mich: Wie viel Echtheit ist noch möglich? Wohin entwickelt sich der Sport generell? Wer möchte worauf Einfluss nehmen? Wir erleben derzeit eine unfassbar langweilige Gleichmacherei. Es lässt sich teilweise kaum noch unterscheiden, wer überhaupt gerade am Mikrofon sitzt.
Wie viele Emotionalen gehen verloren, weil Reporter oft gar nicht mehr live vor Ort sind?
Du kannst dir noch so viele Statistiken gemerkt haben, aber vor einem Bildschirm in einem Kellergewölbe, Büro oder Tonstudio wird man niemals das Gefühl für das Ereignis bekommen. Und wenn man dieses Gefühl nicht hat, wird man es auch dem Publikum nicht vermitteln können. Natürlich weiß ich auch, dass es bei der absurden Masse an Sportereignisse, die übertragen werden, nicht möglich ist, für Roda Kerkrade gegen Sparta Rotterdam einen eigenen Kommentator vor Ort zu haben. Aber wir erleben es ja inzwischen sogar bei der Bundesliga, dass die Reporter nicht mehr zwangsläufig im Stadion sind.
Früher war alles besser?
Früher war sicher nicht alles besser, aber manches eben schon. Ich bin Sportreporter geworden mit der Illusion, nah dran zu sein am Geschehen. Ich habe mitbekommen, wie die deutsche Nationalmannschaft morgens beim Frühstück drauf war, habe bei Basketball-Turnieren mit dem serbischen Trainer über die Spielweise des osteuropäischen und westeuropäischen Basketballs philosophiert, habe Stimmungen mitbekommen, die ich in die Halle mitgenommen habe. Dort habe ich das Knistern gespürt und Dinge gesehen, die nie von Kameras eingefangen wurden. Zumindest bei größeren Sportereignissen kann ich die derzeitige Entwicklung daher nicht verstehen – auch wenn die betriebswirtschaftliche Herangehensweise natürlich nachvollziehbar ist.
Aber es ist schon kurios, dass für eine Spaßveranstaltung wie "Top Dog" der Aufwand größer ist als für ein Bundesliga-Spiel, oder?
Beides lässt sich nicht miteinander vergleichen. Bei "Tog Dog" zahlt der Sender eine vergleichsweise geringe Lizenzsumme und macht dann eine schöne Show. Beim Sport ist das leider anders. Da sind sie Rechtekosten, um die Spiele zeigen zu dürfen, mittlerweile so immens hoch, dass am Ende an der Umsetzung gespart wird. Das ist schade, weil es dem Ereignis nicht gerecht werden kann.
Mitunter klingt es, als hätten Sie den Glauben an den Fußball verloren.
Ich neige nicht zum Pharisäer und mir ist sehr wohl klar, dass ich ein Profiteur dieses Business bin, weil ich als Reporter relativ gut bezahlt werde. Aber ja, ich finde, der Sport nimmt Ausmaße an, die mich zunehmend stören. Denken Sie nur an diese abstrusen Berater-Honorare, die inzwischen gezahlt werden. Aber dann gibt es die Sekunden, in denen ich mich frage: Will ich wirklich aufhören? Das ist, wenn Eintracht Frankfurt Europa-League-Sieger wird, Freiburg im Pokal-Finale steht oder eine ganze Stadt Kopf steht, weil Schalke wieder aufsteigt.
"Ich habe Stefan mein Leben lang als total normalen Menschen gesehen, empfunden und – vielleicht nicht unwichtig – behandelt."
Wenn Sky nochmal auf Sie zukäme, würden Sie es sich doch nochmal überlegen?
Stand jetzt: Nein. Da müsste schon eine ganz verrückte Idee auf mich zukommen, die mich nochmal richtig reizt. Aber bei der jetzigen Entwicklung ist das schwer vorstellbar. Da mache ich lieber meine ganz eigenen Dinge. Man kann auch sehr gut in einem Podcast über Sport sprechen.
Dass Sie bei Sky künftig nicht mehr in Unterhaltungsformaten zu sehen sind, ist aus Ihrer Sicht auch verschmerzbar?
Das war ja meine Entscheidung. Am Ende der letzten Staffel war ich der Meinung, dass das Kapitel "Eine Liga für sich" zumindest für mich nach über 60 Folgen beendet ist. Gefühlt hatte ich alle Gäste, die sich für dieses Format eignen – manche, so wie Lothar Matthäus, sogar fünffach. Trotzdem habe ich Sky geraten, die Sendung weiterzumachen, weil eine Sport-Comedy in dieser Art einzigartig ist. Dass sich der Sender letztlich anders entschieden hat, hat mich zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr tangiert.
Nun steht ohnehin erst mal das "Turmspringen" an – und die nächste Begegnung mit Stefan Raab. Wann sind Sie sich eigentlich das erste Mal begegnet?
Ich erinnere mich an zwei Momente. Der erste Moment war, als ich von einer Mitarbeiterin von Brainpool den Anruf bekam, ob ich mir vorstellen könne, "Schlag den Raab" zu kommentieren. Und da habe ich tatsächlich spontan gesagt: Nö. Es ging dann noch ein bisschen hin und her, ehe wir beschlossen habe, dass ich zumindest eine Sendung machen werde. Da sind Stefan und ich uns dann das erste Mal begegnet. Und anders als man das vielleicht erwarten würde, stand ich ihm nicht mit schlotternden Knien gegenüber. Ich habe Stefan mein Leben lang als total normalen Menschen gesehen, empfunden und – vielleicht nicht unwichtig – behandelt. Eigentlich ist er ein großes Kind, das im Fernsehen seine eigene Spielwiese hat. Darum beneide ich diesen Kerl!
Herr Buschmann, vielen Dank für das Gespräch.
"RTL Turmspringen" um 20:15 Uhr bei RTL