Herr Wenniges, über den Sommer über will sich "ZDFzoom" gewissermaßen neu erfinden. Dabei schien mir "ZDFzoom" auch bisher nicht aus der Zeit gefallen zu sein. Wieso wurde der Schritt nötig?
Thematisch gebe ich Ihnen recht. Wir gehören zu den Dokumentationsredaktionen, die - wo immer es möglich ist – auch sehr aktuelle Themen aufgreift. Wir versuchen am Puls der Zeit zu sein, wenn ich an Inhalte und Machart denke. Auch in den zurückliegenden Jahren haben wir in Sachen Formen und Formatsprache experimentiert. Eine Reihe wie "Am Puls Deutschlands" hat sich beispielsweise innerhalb der Marke ZDFzoom als eigenständiges Format sehr erfolgreich entwickelt. Ich teile Ihren Eindruck daher durchaus. Und genau deshalb waren wir auch ein so geeigneter Kandidat, noch einen Schritt weiterzugehen. Nichtsdestotrotz habe ich seit meinem Amtsantritt vor vier Jahren schon an der ein oder anderen Stelle so etwas wie eine Renovierungsbedürftigkeit gesehen.
Lassen Sie uns ins Detail gehen. Wo muss man aus Ihrer Sicht ansetzen?
Bei vielen Formaten mit klarer Wiedererkennbarkeit schleifen sich manchmal nicht zwingend sinnvolle Sachen ein. "ZDFzoom" versucht Missstände aufzudecken, widmet sich gesellschaftspolitischen Themen. Weil wir unser Publikum bei der Recherche mitnehmen wollen, war eines der Alleinstellungsmerkmale von "ZDFzoom" von Beginn an die Reporterin oder der Reporter im On. Das hat mal besser und mal schlechter funktioniert. Andere machen das inzwischen viel konsequenter, gerade die Reportage-Formate, die bei funk entstanden sind. Das schafft Transparenz und Augenhöhe mit den Zuschauern, die in ihrer Lebenswirklichkeit abgeholt werden. Auch bei der grafischen Umsetzung muss man sich nach vielen Jahren die Frage stellen, ob sie noch state of the art ist. Vor allem die Streaming-Portale, aber auch unsere klassischen Mitbewerber setzen hier ständig neue Akzente. Der ganze Markt hat sich seit dem Start von "ZDFzoom" verändert und damit das Sehverhalten des Publikums. Über all den Punkten steht natürlich auch die Frage, wen man genau erreichen will.
In diesem Erneuerungsprozess entstand dann die Testphase in diesem Sommer, die nun in dieser Woche beginnt. Sehr deutlich gemacht hat Ihre Redaktion auch, dass die anstehenden drei Doku-Staffeln in erster Linie für die Mediathek gemacht sind. Spitz formuliert: Die TV-Quote am nächsten Morgen ist nun egal?
Alle, die auch linear ausstrahlen, schauen natürlich noch auf die Quote. Wir müssen uns aber künftig noch mehr fragen, wie wir Erfolg definieren werden. Gerade für das Erreichen eines jungen Publikums sind Streamingplattformen wie die ZDFmediathek entscheidend. Die Entwicklung zum non-linearen Schauen ist eindeutig. Es wäre aber fatal, die lineare Quote nicht mehr einzurechnen – natürlich wollen wir mit unseren Inhalten überall möglichst viele Leute erreichen, speziell natürlich in einer jüngeren Zielgruppe. Gerade auch weil wir im Linearen bei den 14- bis 49-Jährigen recht gut dastehen, war es uns ein Ansporn, uns mit Fokus auf die Mediathek neu zu erfinden. Das alles wird ein Prozess sein und das ist auch gut so, denn genau aus diesem Prozess wollen wir nun lernen. Daher laufen nun auch Teststaffeln.
"Die Unsicherheit in der Produzentenlandschaft fußte eher auf der Frage, ob man auch mitmachen könne."
Markus Wenniges
Und zwar drei Stück. Wie hat denn der Produzentenmarkt auf das Vorhaben reagiert? Freudig-euphorisch oder abwartend-skeptisch?
Ich habe alle Reaktionen erlebt. Wenn man etwas Neues macht, entsteht immer erst einmal Unruhe. Wir sind auch nicht mit dem Ziel gestartet, dass wir drei Teststaffeln machen. Wir haben länger überlegt, wie ein neues "Zoom" aussehen könnte. In diesen Prozess waren viele involviert. Im ZDF, bisherige Partner, neue Partner. So entstanden viele gute und spannende Ideen und Konzepte. Daher haben wir, zusammen mit dem Chefredakteur, entschieden, dass wir mehrere ausprobieren. Und das dann auch konsequent in der Mediathek und im TV, was ich ein mutiges Experiment finde. Die Unsicherheit in der Produzentenlandschaft fußte eher auf der Frage, ob man auch mitmachen könne. Dadurch, dass wir die Staffelphasen nun mit je einem Partner umsetzen, ist da ein kleiner Bruch entstanden. Bisher war "Zoom" schließlich für alle offen. Wir haben eigentlich keine festen Partner, keine Kontingente, man kann uns einen Vorschlag machen und wenn der gut ist, geht's los. Das wird nun für eine Weile schwieriger und das haben nicht alle per se toll gefunden.
Verständlich.
Ja, wobei es auch nicht unser Ziel ist, künftig nur einen festen Partner zu haben. Am Ende soll ein Format mit klaren Formatelementen stehen, an dem sich möglichst alle beteiligen können.
Die drei Teststaffeln kommen von Banijay, K2H und finally. Vom groß bis klein ist alles dabei, gewollt?
Am Ende waren es, aus unserer Sicht, die besten Ideen. Mit K2H haben wir vorher schon öfter erfolgreich gearbeitet. Banijay ist für uns hingegen komplett neu. Die Firma hat sich im Doku-Bereich neu aufgestellt und bringt viele neue Entwicklungs-Impulse mit. finally ist die Firma, die bisher unsere Grafiken gemacht hat und deren Stärke im grafischen Erzählen und im Herunterbrechen von komplexen Inhalten liegt. Der Mix passt, weil wir auch gezielt wollen, dass alle Staffeln sehr unterschiedlich aussehen und umgesetzt werden.
Wenn wir die Grundidee dieser drei kommenden Dokustaffeln ganz grob umreißen, dann geht es um einen sehr transparenten Rechercheansatz, um einen Themenschwerpunkt Digital und gewissermaßen die Debattenkultur mit der gesellschaftlichen Unsitte, dass es mitunter nur noch schwarz/weiß zu geben scheint.
In Sachen Machart und Herangehensweise unterscheiden sich die Staffeln grundlegend. Aber alle drei verbindet, dass sie 30- bis 40-jährige Nutzerinnen und Nutzer der Mediathek primär ansprechen sollen. Wir wollen mit allen drei Orientierung bieten in einer immer komplexeren Welt. Die erste Staffel, "Die Spur", wird noch am engsten dran sein an dem, was wir bisher machen. Wir versuchen darin alle Recherchen sichtbar und viel transparenter zu machen als bisher. Die Reporterrecherche ist quasi "Die Spur". Gerade in den verschiedenen „Communitys“ gab es zuletzt häufiger Fragen danach, wie wir in unserer Recherche auf etwas gekommen sind. Danach kommt "Digital Empire", das ohne Hosts auskommt, dafür viel mit Grafik arbeitet. Wir thematisieren Macht und Verhaltensstrukturen im Netz. Die dritte Staffel "Grauzone" lehnt sich an den Grundsatz 'Verstehen statt verurteilen' an. Es geht also um einen 360-Grad-Blick auf ein bestimmtes Thema. Wir wollen hier keinen Zeigefinger heben, nicht gleich bewerten und mit Klarheit und Offenheit an verschiedene Sichtweisen herangehen. Meiner Einschätzung nach ist das gerade für die jetzige Zeit ein sehr spannendes Format.
Kehrt "ZDFzoom" in der bisherigen Form dann im August nochmal zurück?
Ganz bewusst haben wir uns noch keinen Termin gesetzt, wann der endgültige Cut erfolgen soll. Wir werden diese Testphase auswerten und anhand dieser Ergebnisse dann an dem Format weiterarbeiten. Wir werden weitere Partner an Bord holen, weil kein Produzent 40 Folgen pro Jahr liefern kann. Das alles wird im Sommer und Herbst einige Zeit in Anspruch nehmen.
Aber es wird einen klaren "Sieger" geben?
Wir planen mit einem Format an den Start zu gehen und in diese Richtung weiter zu entwickeln. Dabei arbeiten wir, wie im gesamten Prozess bisher schon, eng zusammen mit unserer Entwicklungs-Abteilung Digitale Medien, der Medienforschung, dem Marketing, und der Programmplanung. Wir sind in dieser Aufstellung ein Pilotprojekt innerhalb des ZDF, das zeigen soll, dass mehrere Ebenen schneller zusammengreifen. Das funktioniert bisher richtig gut. In Hinblick auf die Gesamtstrategie des Hauses, für die auch insbesondere unser neuer Intendant steht, nämlich auf den unterschiedlichsten Wegen möglichst alle zu erreichen, finde ich diese und unsere Entwicklung ebenso richtig wie wichtig.
Herr Wenniges, danke für das Gespräch.
"ZDFzoom", mittwochs, 22:45 Uhr.