Herr Weidemüller, im Laufe des Jahres wollen Sie den Streamingdienst Paramount+ auch nach Deutschland bringen. Wo sehen Sie denn mit Blick auf den deutschen Markt die Lücke dafür?
Zunächst mal gehen wir davon aus, dass der SvoD-Streamingmarkt weiter wachsen wird. Davon abgesehen unterscheidet sich Paramount+ durch sein breites Angebot für alle Zielgruppen von einer Vielzahl der Konkurrenten. Neben den Kinofilmen und Klassikern von Paramount Pictures sowie unseren Originals und Showtime-Serien gibt es auch Inhalte von CBS, MTV, Comedy Central und Nickelodeon auf der Plattform. Wir vereinen somit alle großen Stars und ikonischen Franchises, die Paramount zu bieten hat, wie "Star Trek", "South Park", "Mission: Impossible", "Top Gun", "Transformers", "NCIS" und vielen mehr. Und das kombinieren wir mit lokal produzierten Serien wie "Simon Becketts Die Chemie des Todes", die derzeit mit einem deutsch-britischen Cast entsteht. Da sind wir dran und arbeiten an weiteren lokalen und internationalen Originals.
Ist der Start von Paramount+ so etwas wie ein Paradigmenwechsel? Bislang waren deutsche Eigenproduktionen bei ViacomCBS rar gesät.
Der Begriff Paradigmenwechsel trifft es ziemlich gut, denn wir investieren so viel in die Produktion von deutschsprachigen Inhalten wie nie zuvor. Aktuell befinden wir uns in der Entwicklung von ganz unterschiedlichen Originals in Genres wie Krimi, Thriller, Drama oder Reality, sowohl auf Basis bekannter Marken als auch mit komplett neuen Storys. Bei der Auswahl all unserer Auftragsproduktionen spielen Relevanz und gesellschaftliche Themen eine wichtige Rolle. Diversität steht dabei ganz oben auf unserer Agenda. Mit unserer Richtlinie "No diversity, no commission" verpflichten wir uns und all unsere Produktionspartner, vor und hinter der Kamera divers zu besetzen, denn wir sehen es als unsere Verantwortung die Diversität der Gesellschaft auch in unseren Produktionen abzubilden.
Welche Rolle spielen für Paramount perspektivisch noch die linearen TV-Kanäle?
Das lineare Fernsehen ist eine wichtige Säule unserer Gesamtstrategie, auch wenn wir da immer Optimierungspotenziale heben können. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich Streaming und lineares Fernsehen gegenseitig befeuern werden – etwa durch Cross-Promotion und Inhalte, die von der einen auf die andere Plattform wandern. Mit Pluto TV – unserer FAST-, also Free Ad-Supported Streaming TV- -Plattform bieten wir darüber hinaus mittlerweile über 110 lineare, von Hand kuratierte Sender. Das ist für das Publikum eine ganz neue Senderwelt, die noch dazu super-niedrigschwellig und ohne Log-in funktioniert – gewissermaßen lineares Fernsehen neu erfunden. Die Entwicklung der Userzahlen mit global 64 Millionen monatlichen Nutzerinnen und Nutzern zeigt uns, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.
Die Entwicklung Ihres klassischen Kindersenders Nick mit zuletzt teilweise weniger als drei Prozent Marktanteil in der Kernzielgruppe dürfte Sie dagegen wenig zufriedenstellen. Was macht die Konkurrenz besser als Sie?
Der lineare Kinderfernsehmarkt ist in einem extrem schwierigen Umfeld unterwegs. Das liegt insbesondere daran, dass sich das Sehverhalten der jungen Zielgruppe am schnellsten ändert. Nick, aber eigentlich alle Kindersender, haben Ende letzten Jahres eine bedauerliche Talfahrt erlebt. Das stimmt uns nicht glücklich. Wir haben es offensichtlich nicht geschafft, die Wünsche und Bedürfnisse unserer Zuschauerinnen und Zuschauer so zu erfüllen, wie sie das gerne hätten. Wir haben die Situation analysiert und erste Veränderungen eingeleitet, etwa im Programmflow. Im Februar läuft es auch schon wieder besser, im Vergleich zum Vormonat hat Nickelodeon um knapp 30 Prozent zugelegt.
Ich glaube schon, dass man das Geschäft mit dem klassischen Fernsehen noch viele Jahre mit Freude betreiben kann.
Trotzdem bleibt das Marktanteils-Niveau niedrig.
Ich bin zuversichtlich, dass es sich weiter verbessern wird. Mit den Kids Choice Awards oder der "Patrick Star Show", einem Spin-Off von "SpongeBob Schwammkopf", haben wir einige Highlights im Programm. Generell ist Nickelodeon sehr gut aufgestellt, denn wir sehen, dass unsere Inhalte auf zahlreichen Plattformen bei Kindern zu den beliebtesten zählen, egal ob das Streaming ist oder beispielsweise im Kino, wo "PAW Patrol" 2021 einer der erfolgreichsten Filme überhaupt war. Auch die Programme, die wir an unseren Partner Super RTL lizenziert haben, sind überdurchschnittlich erfolgreich.
Eigentlich eine Krux, dass ausgerechnet Ihr Konkurrent so sehr von Ihren Inhalten profitiert.
Durch unsere strategische Partnerschaft mit Super RTL ist es gelungen, "PAW Patrol" zum beliebtesten Vorschulformat überhaupt zu machen. Das zeigt sich im Kino, im Streaming und bei den Consumer Products. Wir denken auch, dass "SpongeBob Schwammkopf" in ähnlichem Maße von unserer Partnerschaft profitieren kann. Und für Nickelodeon-Fans wird Paramount+ ein hervorragendes Angebot. Die Plattform wird die non-lineare Heimat unserer Kindermarke, auf der wir alle unsere Kinder- und Familieninhalte bündeln werden.
… was aber potenziell die Gefahr birgt, dass noch mehr Zuschauerinnen und Zuschauer von Ihrem linearen Sender abwandern.
Wir werden den Trend, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer, gerade die kleinen, selbst bestimmen, wann sie was schauen, nicht umkehren können. Wir wollen dort unsere Inhalte anbieten, wo sich das Publikum aufhält – und dazu wird ganz sicher Paramount+ zählen.
Macht ein Kindersender im linearen Fernsehen perspektivisch überhaupt noch Sinn, wenn das Publikum ohnehin abwandert?
Ich glaube schon, dass man das Geschäft mit dem klassischen Fernsehen noch viele Jahre mit Freude betreiben kann. Und darüber hinaus sind wir dann mit Pluto TV und Paramount+ hervorragend aufgestellt, sowohl was die SVoD- als auch die AVoD-Strategie angeht.
Auch bei Ihrem Musiksender MTV stellt sich die Frage, wie zeitgemäß diese Art von Fernsehen noch ist. Die Zeiten, in denen man sich über MTV die Musikstars ins Wohnzimmer holte, scheinen in Zeiten von Instagram und Spotify vorbei zu sein. Wie kann sich diese Marke noch einmal neu erfinden?
Sicher, mit 0,2 Prozent Marktanteil ist MTV kein großer Sender, aber im Vergleich zu 2020 konnten wir den Marktanteil im letzten Jahr immerhin um 15 Prozent steigern. Es gibt also keinen Grund zum Pessimismus. Und wir haben noch einiges vor: Zum 25. Geburtstag des Senders auf dem deutschen Markt verbessern wir im März das Look and Feel mit einem neuen On-Air-Design. Darüber hinaus werden wir mit MTV-Stars zusammenzuarbeiten, um Musikstrecken zu kuratieren. Die Musik bleibt also ein wichtiger Bestandteil. Daneben ist Reality ein weiteres Standbein, das wir mit der Produktion deutscher Versionen stärken wollen. Aktuell haben wir mit Reality Shore erstmals eine Adaption einer unser weltweiten Reality-Franchises on air.. Diese Aktivitäten werden wir definitiv ausbauen.
Immer erfolgreicher wurde zuletzt Comedy Central. Was läuft dort denn besonders gut?
Comedy Central ist ein echte Erfolgsgeschichte. Im Januar haben wir mit 1,5 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen einen neuen Rekordwert erzielt, bei der Kernzielgruppe der 14- bis 29-Jährigen lag der Marktanteil sogar bei 4,7 Prozent. Der Erfolg hat mehrere Gründe. Einerseits verwenden wir seit dem vorigen Jahr die Abendschiene von Nickelodeon als - um eine Stunde zeitversetztes - Fenster des Comedy-Central-Programms. Zudem haben wir Formate wie "Stromberg" und "Malcom Mittendrin" eingeführt, die unsere lokalen Eigenproduktionen wie "Standup 3000" und "Roast Battle", aber auch die etablierten Formate wie "South Park", "American Dad" und "Bob's Burgers" wunderbar komplettieren.
Letztere haben Sie im vorigen Jahr alleine jeweils über 3000 Mal wiederholt. Effizienter kann man einen Fernsehsender vermutlich nicht betreiben.
(lacht) Das Schöne an Comedy Central ist, dass unser Programm unseren Fans offensichtlich gefällt und diese uns sehr treu sind. Das können Sie an der Verweildauer ablesen, die bei uns höher ist als bei allen anderen Sendern. Wir pflegen diese Verbindung etwa über Social Media und starten z.B. immer wieder Aktionen, in denen das Publikum selbst bestimmen kann, was wir in unserem Programm zeigen. Und oft wollen sie dann noch mehr von ihren Lieblingsshows sehen.
Herr Weidemüller, vielen Dank für das Gespräch.