Herr Russ, Sie haben Inventar und Vermarktung von Samsung TV Plus kräftig ausgebaut. Sind Sie noch Partner oder schon Konkurrent der klassischen TV-Sender?

94 Prozent aller 2021 in Deutschland verkauften TVs waren Smart-TVs. Innerhalb des Samsung-Universums sehen wir, dass mittlerweile 54 Prozent der durchschnittlichen Nutzungszeit auf Streaming entfallen, nur noch 46 Prozent auf lineare Programme. Streaming wird im Mediamix also immer relevanter, und das bedeutet natürlich auch, dass immer mehr Kunden auf uns zukommen und sich dafür interessieren, wie wir ihnen helfen können. Ich bin aber nicht größenwahnsinnig. Mein Samsung-Ads-Team für Deutschland, wo wir jetzt zu zehnt sind, lässt sich nicht mit einer SevenOne oder AdAlliance vergleichen. 

Bei aller Bescheidenheit: Als Marktführer bei den Endgeräten kontrollieren Sie eine beachtliche Reichweite. Die Frage ist, was Sie heute und in Zukunft damit anfangen.

Unsere technische Reichweite liegt derzeit bei rund neun Millionen Fernsehgeräten, die wir in Deutschland über Samsung Ads erreichen können. Drei Millionen davon nutzen regelmäßig Samsung TV Plus. Das macht uns nicht unbedingt zum Konkurrenten. Aus Mediasicht funktioniert Streaming komplementär zu linearem TV. Die TV-Planung fängt weiterhin im Linearen an, aber Streaming wird dabei immer wichtiger. Wer heute TV nicht holistisch denkt, macht definitiv etwas falsch.

Was hat ein Werbekunde konkret davon, wenn er seinen Spot bei Samsung TV Plus schaltet?

Wie gesagt, haben wir eine durchaus relevante Reichweite zu bieten – und das nach harten Kriterien: Bei uns zählt ein Nutzer erst dann, wenn er mindestens drei Minuten dranbleibt. Hinzu kommt, dass 49 Prozent der Fernseher, auf denen Samsung TV Plus genutzt wird, Teil der sogenannten "Streaming First Audience" sind, die weniger als drei Stunden lineares TV pro Monat schaut. Entsprechend ermöglichen wir unseren Kunden das Targeting eines "Light Linear"-Zielgruppensegments. So erreicht man mit hoher Zuverlässigkeit genau die Fernseher, die der Spot nicht ohnehin schon linear erreicht hat, und kann so inkrementelle Reichweite aufbauen. Wir weisen für jede TV-Kampagne aus, wie viele unserer Millionen Fernseher Kontakt damit hatten und wie viele durch Samsung TV Plus inkrementell hinzugekommen sind.

Samsung TV Plus besteht aktuell aus 109 bunt zusammengewürfelten Kanälen – von CNN und BBC History über Spiegel TV und Focus TV bis hin zu diversen Kanälen von Pluto TV, Rakuten TV oder Vevo. Geht's Ihnen beim weiteren Ausbau eher um Masse oder Klasse?

Christian Russ © Medien.Bayern "Inhaltliche Qualität steigern": Christian Russ vermarktet die Werbung auf Samsung-Fernsehern
Masse war in der Aufbauphase natürlich ein wichtiges Kriterium. Jetzt arbeiten wir vor allem daran, die inhaltliche Qualität des Angebots weiter zu steigern. Als Samsung TV Plus 2016 gelauncht wurde, war Deutschland der Testmarkt für Europa und es gab noch kein eigenes Team dafür. Deshalb hat Samsung anfangs mit der Funke Mediengruppe zusammengearbeitet, die auch heute noch Inhalte für TV Plus liefert. Seit es ein eigenes, derzeit wachsendes Team in London und München gibt, das sich mit Samsung-Visitenkarte darum kümmert, neue Inhalte zu akquirieren, konnten wir in der Qualität zudem einen deutlichen Sprung nach vorn machen. Mit dem Namen Samsung fällt es etwas leichter, internationale Deals mit großen Qualitätsanbietern wie etwa der BBC oder Off The Fence abzuschließen. Deren Kanäle BBC Food, BBC History, BBC Travel und Wilder Planet, die alle im vorigen Jahr neu auf die Plattform gekommen sind, zählen heute zu den meistgenutzten bei Samsung TV Plus.

So gut wie jedem Nutzer eines Samsung-Fernsehers dürfte zuerst ein anderes Werbemittel auffallen, nämlich eine Kachel mit einer Content-Empfehlung, die Sie im Startmenü neben den installierten Apps platzieren. Was hat es damit auf sich?

Diese sogenannten "Engagement Ads" erreichen TV-Konsumenten in dem Moment, wenn sie den Fernseher einschalten oder von einer App zur anderen switchen, also aktiv nach Content suchen. Im Ausgangszustand fügt sich die entsprechende Kachel links unten im Smart Hub nativ in die Kacheln der vorhandenen Apps ein. Navigiert man darauf, erscheint ein Preview, und per Klick gelangt man dann in eine verlinkte App oder auf eine Landing Page mit Trailern für ein bestimmtes Programm. Da das Startmenü natürlich ein wichtiges Umfeld ist, buchen hier immer mehr Content-Anbieter.

Und auch hier arbeiten Sie vermutlich mit Targeting?

Das hängt vom Kommunikationsbedürfnis des jeweiligen Kunden ab. Auf Basis der TV- und App-Nutzungsdaten können wir bei vorliegendem Einverständnis Nutzer targeten, die sich für bestimmte Inhalte interessieren. Zum Beispiel könnten Sportsender ihre Streaming-Apps speziell denjenigen empfehlen, die im linearen TV besonders viele Fußballspiele verfolgen. Streaming-Portale könnten beispielsweise Nutzer targeten, die bereits andere Streaming-Apps nutzen. Oder sie könnten – Stichwort Retention – gezielt diejenigen ansprechen, die ihre App schon länger nicht mehr genutzt haben. Neben solchen Targeting-Lösungen werden aber auch unsere "Roadblocks" immer beliebter: Wenn ich als Streaming-Anbieter ein neues Original herausbringe oder als Sender ein großes lineares TV-Event habe, dann kann ich zum Beispiel für einen Abend, einen Tag oder länger hundert Prozent aller Impressions in Deutschland buchen.

 

"Die Marketingteams in den Sendern freuen sich, wenn wir ihnen dabei helfen, noch mehr Nutzer in ihre Apps zu treiben"
Christian Russ, Head of Sales DACH, Samsung Ads

 

Da es immer nur eine Platzierung gibt, können Sie mit Verknappung arbeiten und die Preise hochtreiben.

Der Leserschaft von DWDL.de würde ich gern mitteilen, dass es durchaus noch Möglichkeiten gibt, bei uns einzubuchen. (lacht) Im Ernst: Wir sehen, dass gerade Key Dates wie Weihnachten, Ostern oder Champions-League-Abende immer früher verkauft werden. Voriges Jahr haben wir im August angefangen, über Weihnachten zu sprechen. Dieses Jahr reden wir jetzt schon über Weihnachten. Generell kann man sagen, dass diese Platzierung ein knappes Gut ist, da sie sich dezent ins Menü einfügt, aber auch nur ein begrenzter Kreis von Kunden dort werben darf. Denn es dürfen ausschließlich Smart-TV-Inhalte beworben werden.

Traditionell waren die deutschen TV-Sender und ihre Vermarkter immer besorgt, dass die Gerätehersteller sich etwas von ihrem Kuchen abschneiden könnten, indem sie rund um ihr Sendesignal Werbung verkaufen. Der Zug ist wohl endgültig abgefahren, wenn Sie jetzt die Sender zur Kasse bitten, um deren Programme zu promoten.

Ich sehe es eher so: Wir sind ein wertvoller Partner für die TV-Sender und die TV-Sender umgekehrt für uns auch. Das Gerät lebt von den Inhalten – die Inhalte erreichen über das Gerät die Menschen. Dass es für deutsche TV-Vermarkter eine Herausforderung darstellt, wenn immer mehr Zuschauer internationale Streaming-Services nutzen und die linearen Reichweiten darunter leiden, kann ich nachvollziehen. Aber es liegt doch nicht an den Geräteherstellern, dass die Menschen Netflix, Prime Video oder Disney+ schauen wollen. Zumal sich die deutschen Player ja mittlerweile auf die Herausforderung einstellen, indem sie eigene Angebote wie Joyn oder RTL+ konsequent ausbauen. Mag sein, dass wir bei der Werbevermarktung in gewisser Weise Mitbewerber sind, weil man In-Stream-Ads sowohl bei Joyn und RTL+ als auch bei Samsung TV Plus buchen kann. Andererseits freuen sich die Marketingteams in den Sendern, wenn wir ihnen dabei helfen, noch mehr Nutzer in ihre Apps zu treiben. So erreichen sie nämlich Zielgruppen, die sie mit Spots im eigenen Programm oder Plakaten an Bushaltestellen eventuell nicht mehr erreichen.

Also keine Berührungsängste mehr?

Für uns war deutlich zu sehen, dass die internationalen – also vorwiegend amerikanischen – Player das deutsche Inventar von Samsung Ads von Beginn an konsequent genutzt haben. Die geben einfach Vollgas, wo die lokalen Player manchmal etwas zurückhaltender sind. So werden dann Realitäten geschaffen; man verliert Zeit und Nutzer an diese Services. Aber die anfänglichen Berührungsängste sind inzwischen überwunden und wir arbeiten mit den deutschen Broadcastern und App-Anbietern gut zusammen.

Umgekehrt macht Sky Ihnen jetzt mit eigenen Smart-TV-Geräten Konkurrenz im Kerngeschäft. Wie ernst nehmen Sie den Vorstoß?

Die Tatsache, dass Sky auf eigene Fernseher setzt, spricht vor allem für eine Markteinschätzung, die wir teilen: Medium der Zukunft ist nicht die Set-Top-Box, sondern der Smart-TV mit Apps. Auch wenn ich das Gerät noch nicht selbst testen konnte, wünsche ich Sky alles Gute. Jede Entwicklung, die das Fernseherlebnis voranbringt, halte ich für begrüßenswert.

Herr Russ, herzlichen Dank für das Gespräch.