Frau Müller-Elmau, es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Moderator von 3sat zu ProSieben in die Primetime wechselt. Wie haben Sie den Abschied von Sebastian Pufpaff wahrgenommen?
Wir haben acht Jahre lang eng und gut mit Sebastian Pufpaff zusammengearbeitet. Er kam als ziemlicher Newcomer zunächst zum damaligen Sender ZDFkultur und dann zu 3sat. In dieser Zeit hat er den Bayerischen Fernsehpreis für die „Happy Hour", den Deutschen Kleinkunstpreis und im vorigen Jahr auch noch den Grimme-Preis für das 3sat-Format "Noch nicht Schicht!" gewonnen. Das war also eine echt tolle Zeit. Dass irgendwann der Schritt kommen würde und er seine Rolle verändert und deswegen auch seinen Anzug bei 3sat an den Nagel hängt, ist zwar traurig für uns, war aber erwartbar, und für alles, was er künftig macht, wünsche ich ihm von Herzen viel Erfolg.
Wie schnell ging das denn alles?
Wie lange er mit dieser Idee schwanger ging, kann ich Ihnen nicht sagen. Er hat mit uns allerdings sehr transparent gesprochen, sodass es da kein böses Blut gibt. Ihm und uns war von Beginn an klar, dass wir unsere wunderbare Marke "Happy Hour" auch dann weiterführen wollen, wenn Sebastian Pufpaff den Sender wechselt.
Wie konkret geht es mit besagter "Happy Hour" weiter?
Uns war wichtig, dass der oder die Neue die von unserem Publikum geschätzte Humorfarbe fortführt, sie gleichzeitig aber auch weiterentwickelt, vielleicht sogar leicht verjüngen soll. So sind wir auf Till Reiners gekommen, der schon häufiger in der "Happy Hour" und bei unserem “3satFestival aufgetreten ist. Er weiß sehr genau, wie dieses Format funktioniert und ist zudem in der ZDF-Familie ein bekanntes Gesicht, etwa durch die "heute-show" oder die "Die Anstalt". Ich bin sehr glücklich, dass er mit seiner Zusage keine Sekunde gezögert hat. Seinen Einstand feiert er am 20. März.
Wie wird die Show künftig aussehen?
Till Reiners ist einer der talentiertesten Künstler der neueren Generation. Er kann Kabarett, Comedy, Relevanz und Pointendichte und hat dazu diese Gastgeberwärme. Er ist an Kolleginnen und Kollegen interessiert, wie sich in seinem Podcast "Jokes" erkennen lässt. Auf diese Weise wird er der Sendung seinen eigenen Stempel aufdrücken können, verbunden mit bekannten und neuen Gesichtern aus seinem Umfeld. Ansonsten ist und bleibt die "Happy Hour" eine Mix-Show. Sie wird weiterhin satirisch angelegt sein, mit Stars und Newcomern der Szene, mit Kabarett und Comedy, aber auch mit Poetry-Slam-Anteilen und Musik. Da sind wir gerne ein bisschen anarchisch unterwegs.
Wie unterhaltsam darf denn ein Sender wie 3sat sein, dem doch eine gewisse Ernsthaftigkeit innewohnt?
Schön Frage. (lacht) Mein geschätzter Kollege Gert Scobel hat einmal den Begriff kreiert: Unterhaltung mit Erkenntnisgewinn – und das trifft es eigentlich ganz gut, auch hinsichtlich unserer kabarettistischen Programme. Wir machen gerne Politsatire, aber auch gehobenen Unfug. Letztlich muss aber alles besagtem Erkenntnisgewinn zugeführt werden. Ein schönes Beispiel das diesen Anspruch verkörpert, ist das Format "Beim Pelzig auf der Bank", das wir im letzten Jahr mit Frank-Markus Barwasser gemacht haben. Das Ziel ist es, durch den satirischen Blick auf gesellschaftlich relevante Themen eine andere Perspektive zu bieten als das über klassische Dokumentationen oder Magazinbeiträge der Fall ist.
Geht's denn weiter mit dem Pelzig auf der Bank?
Ja, wir machen weiter. Frank-Markus Barwasser und wir sind uns einig, dass uns ein schönes Format gelungen ist. Die Vorbereitungen laufen bereits, sodass es in diesem Jahr weitere Folgen geben wird.
Eine großartige Idee würden wir uns aber nicht durch die Quote verhageln lassen.
Wie viel Unterhaltendes kann sich 3sat abseits der Magazine überhaupt leisten?
Leider gibt es ein endliches Gut: Das Geld. Wir zeigen von der "Happy Hour" mehr Folgen als bisher, planen auch für 2022 unser Festival und werden darüber hinaus immer wieder Einzelprogramme ausstrahlen. Insgesamt sind etwa zehn Prozent unseres Programms Eigen- oder Auftragsproduktionen, die originär für 3sat hergestellt werden. Das sind Produktionen, mit denen wir versuchen, unser Profil zu schärfen – mit gleichermaßen unterhaltsamen wie diskursstarken Stoffen. Trotz der begrenzten Mittel können wir in Sachen Humor von Seiten des ZDF im Zusammenspiel mit der Hauptredaktion Show und dem Team um Roman Beuler einen wichtigen Beitrag leisten, weil wir mit unserem kabarettistischen Anspruch bestens in das Gesamtbild passen. Und wenn Sie einen Blick in den ZDF-Comedykanal auf YouTube werfen, dann sehen Sie, dass ein nicht unerheblicher Teil von 3sat stammt – und dass dieser Teil auch ziemlich erfolgreich ist.
Inwiefern schauen Sie auf die Quote?
Glücklicherweise ist es so, dass die Satire-Farbe bei 3sat ausgesprochen erfolgreich ist. Eine großartige Idee würden wir uns aber nicht durch die Quote verhageln lassen. Wir sind gerne Labor und Testfläche und bieten gerade auch im Hinblick auf den Nachwuchs einen angstfreieren Raum als die Primetime in den Hauptprogrammen.
Einen großen Stellenwert hat seit vielen Jahren das "3satFestival". Was erhoffen Sie sich nach zwei Corona-Versionen für 2022?
Vor allem hoffe ich auf eine volle Bude, weil es einen Unterschied macht, ob man vor 100 oder 400 Leuten auftritt. Hinter den Kabarettistinnen und Kabarettisten liegen schwere Zeiten, weil sie seit zwei Jahren über weite Strecken hinweg ihre Programme nicht spielen konnten. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen mit unserem Festival die Stange halten. Im letzten und vorletzten Jahr haben wir das volle Programm durchgezogen, wenn auch unter ganz anderen Umständen und alle Beteiligten waren froh darüber – nicht nur, weil sie auftreten konnten, sondern weil sie dadurch schlichtweg auch eine Gage erhielten.
Frau Müller-Elmau, vielen Dank für das Gespräch.