Herr Schmitt, wann haben Sie festgestellt, dass Sie zum Fernsehen wollen?

Ich komme aus einer Familie, die mit der Fernsehwelt so gar nichts zu tun hatte. Die Begeisterung hatte ich zwar immer in mir, konnte sie lange aber nicht klar formulieren. Deshalb bin ich auch nicht zu meinen Eltern gegangen und habe gesagt: "Mama, Papa, ich will zum Fernsehen." Ich bin auch nicht beim Abiball als Frontschwein mit dem Mikrofon auf die Bühne gestürmt. Trotzdem habe ich das Fernsehen schon als Kind geliebt und sogar Krankheiten vorgetäuscht, nur um das "Familienduell" oder "Punkt 12" sehen zu können. (lacht) Als ich etwas älter wurde, habe ich Produktionsfirmen gegoogelt. Aber erst im Masterstudium in Hannover, als ich begann, Gags für "TV total" zu schreiben, kam die Idee auf, dass das mehr sein könnte als ein Nebenjob.

Kann denn jeder jeden Witz erzählen oder spielt es gar keine Rolle, für wen man einen Witz schreibt?

Es spielt eine riesige Rolle! Eine gute Autorin und einen guten Autor zeichnet aus, dass man merkt, für wen man schreibt. Die Witze müssen daher auch nicht zwangsläufig den eigenen Humor treffen. Der Job ist, wenn Sie so wollen, eine Art Dienstleistung.

Die Witze für das Stand-up in Ihrer ZDFneo-Show könnten Sie theoretisch selbst schreiben, oder?

Tatsächlich mache ich sehr viel selbst. Das Schreiben fällt mir relativ leicht. Was für mich absolut neu ist, ist das Performen. Da war mir von Beginn an klar, dass das, wie man so schön sagt, ein bisschen cringe werden könnte. Aber das muss man lernen.

Was macht einen typischen Tommi-Schmitt-Witz aus?

(überlegt) Im besten Fall finde ich Witze gut, die hart sind, aber keine Menschen verletzen. Das ist schwer und gelingt nicht immer. Ich mag's, wenn man Leute mit dem Vorschlaghammer trifft. Es darf schon knallen.

Und dann lacht trotzdem niemand im Studio, weil die Ränge wegen der Pandemie leer sind. 

Das war brutal. Du kommst raus und dann stehen da drei Kameraleute mit FFP2-Masken. Ein bisschen fühlte sich das an, als würde ich in einem Parkhaus auftreten. Das war gewöhnungsbedürftig und amüsant zugleich, weil diese Darstellungsform ohne Publikum eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt. Mir war das allerdings schon bewusst, bevor es losging. Ich habe in den Spiegel geschaut und gesagt: Tommi, da musst du jetzt durch.

Tommi Schmitt © ZDF/Ben Knabe Seit April moderiert Tommi Schmitt seinen eigenen Late-Night-Talk bei ZDFneo.

Sie haben nicht nur Witze für Stefan Raab geschrieben, sondern später auch für Klaas Heufer-Umlauf. Was kann man sich von denen abschauen, ohne sie zu kopieren?

An Klaas beeindruckt mich seine Laissez-faire-Haltung, getreu dem Motto: Das Schiff kriegen wir schon irgendwie in den Hafen. Den Typen kann nichts umhauen. Der Unterschied zwischen ihm und mir besteht allerdings darin, dass er schon gefühlt mit 17 bei Viva moderiert hat und damals wahrscheinlich am Nachmittag mehr Publikum hatte als heute so manche Show in der Primetime. Das ist eine richtig gute Schule, die mir total fehlt. Mein erster Fernsehauftritt war direkt meine eigene Show. Das ist ein großes Privileg, aber auf der anderen Seite wahnsinnig ungesund. 

Late-Night besitzt eine lange Tradition, vor allem in Amerika. Was reizt Sie an dieser Form, an der schon viele gescheitert sind?

Ich bin in die Late-Night-Schiene eher reingerutscht. Die ursprüngliche Idee war es, einen Talk zu machen, allerdings fühlte es sich komisch an, direkt einen auf Letterman bei Netflix zu machen. Aus diesem Grund haben wir uns überlegt, auch mit anderen Zutaten zu spielen – ohne jedoch den Gast zu vernachlässigen, der ja immerhin zwei Drittel der Show einnimmt. Das ist ein Aspekt, der mir in vielen Late-Night-Shows zu kurz kommt. Ich will, dass meine Gäste mehr machen als nur das neue Album in die Kamera zu halten.

Gibt es etwas, das Sie aus Ihrem Podcast mit Felix Lobrecht in ein steriles Fernsehstudio ziehen können, das ja erstmal nur wenig gemein hat mit der Intimität eines Podcasts?

Das ist schwierig. Unser Podcast lebt davon, ohne Zeitdruck draufloszulabern. Und wenn Felix und ich der Meinung sind, drei Stunden reden zu müssen, dann machen wir das einfach. Das geht im durchcheoreografierten Fernsehen natürlich nicht. Will man beides vergleichen, dann ist das Fernsehen ein Drei-Gänge-Menü, während der Podcast eher wie ein Buffet daherkommt, quasi All you can eat. Ich versuche allerdings, die Flapsigkeit aus dem Podcast ins Fernsehen rüberzunehmen, vor allem in die Talks. Dabei hilft mir auch Gregor, mein Sidekick, mit dem ich seit einigen Wochen manchen Witz über Bande spielen kann.

 

Ich will, dass meine Gäste mehr machen als nur das neue Album in die Kamera zu halten.

 

Ein Learning aus den ersten Sendungen?

Ja. Ich habe gemerkt, dass ich mehr Gesprächssituationen schaffen muss, weil ich vor allem über Dialoge und Anekdoten funktioniere. Deshalb habe ich im Übrigen auch bei "LOL" so verkackt. (lacht) Es geht ganz einfach darum, mehr Ich zu sein und auch mal von der Kamera wegzuschauen oder nicht alle Spielregeln exakt vom Teleprompter abzulesen, so wie ich es kürzlich in einer Probe mit Karl Lauterbach gemacht habe. Da sollte ich "Wahrheit oder Pflicht" erklären und war so nah am vorgeschriebenen Text, dass ich irgendwann dachte: Was machst du da eigentlich? Du kannst doch wohl "Wahrheit oder Pflicht" auch aus dem Stegreif erklären. Das passiert mir nicht noch einmal und das ist eben dieses Learning, das einfach Zeit braucht. Das sind Erkenntnisse, die ich mir peu à peu draufschaffe. Und seit Publikum da ist, entsteht ohnehin ein ganz anderer Vibe im Studio.

Weil Sie gerade selbst von "labern" sprachen. Das war früher mal ein eher negativ besetztes Wort. Ist es Ihr Verdienst, dass sich das gewandelt hat?

Ein Podcast, wie wir ihn machen, trifft wahrscheinlich den Zeitgeist. Die Leute wollen sich gerne ablenken lassen – und haben offensichtlich großen Spaß daran, uns, aber auch vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, beim Labern zuzuhören.

Wurde das Publikum möglicherweise lange Zeit unterschätzt? Im Radio gelten lange Wortbeiträge eher als Quotengift.

Ich glaube nicht, dass das Publikum unterschätzt wurde. Aber die Nutzungssituation ist eine andere. Wenn ich Radio höre, finde ich lange Textbeiträge tatsächlich etwas störend. Bei Podcasts spielt vielleicht der Effizienzgedanke eine größere Rolle. Ob beim Sport oder auf dem Weg zum Bäcker – man hat ja fast immer die Kopfhörer im Ohr, um noch irgendetwas Inhaltliches mitzunehmen. Und die Bereitschaft, Haushaltsarbeiten zu übernehmen, ist zumindest bei mir größer geworden, seit es Podcasts gibt. (lacht)

Passiert es eigentlich manchmal, dass Sie "leergelabert" sind?

Dieses Gefühl haben Felix und ich am Ende jeder Podcast-Folge, bei der wir am Anfang ja meist gar nicht wissen, worüber wir sprechen werden. Allerdings beginnt der Spaß jedes Mal aufs Neue, sobald das Mikro an ist. Aber klar, es wird bestimmt einmal der Zeitpunkt kommen, an dem wir tatsächlich komplett leergelabert sind. Zum Glück ist das noch lange nicht der Fall.

Herr Schmitt, vielen Dank für das Gespräch.

"Studio Schmitt", donnerstags um 22:10 Uhr, ZDFneo