Herr Klamroth, Sie moderieren bei ProSieben die „Bundestagswahl-Show“. Was hat Priorität: Die Bundestagswahl oder die Show?
Beides ist wichtig. Die Grundidee ist es, Politik auf die große Bühne zu holen. Politik ist manchmal ein sehr trockenes und technisches Geschäft. Wir versuchen, das aufzubrechen und so breit zu erzählen, dass es auch für ein Publikum um 20:15 Uhr funktioniert. Das ist ein Experiment, schließlich laufen Polittalks in aller Regel nicht ohne Grund später am Abend. Wenn man sich traut, ein solches Format in die Primetime zu heben, dann muss es schon showig sein, damit die Leute sich drauf einlassen.
Was genau bedeutet showig?
Es ist sowohl ein inhaltliches als auch ein optisches Versprechen. Wir werden beispielsweise mit riesigen LED-Wänden arbeiten, auf denen wir Infografiken aufbereiten. Showig bedeutet aber auch, dass es unterhaltsam zugehen darf. Bei „Klamroths Konter“ konnte ich 40 Minuten lang über das Ehegattensplitting sprechen und acht Nachfragen stellen, sodass wahrscheinlich selbst jemand, der jeden Tag die „Süddeutsche“ liest, nicht mehr mitgekommen wäre. In der ProSieben-Bundestagswahl-Show wollen wir jeden Zuschauer und jede Zuschauerin mitnehmen, aber trotzdem tief in die Themen reingehen.
Ist es denn komplizierter, Themen so zu besprechen, dass möglichst viele mitkommen als in einem Thema so tief drin zu sein, dass man 40 Minuten über Ehegattensplitting reden kann?
Ich weiß nicht, ob es komplizierter ist, aber Ersteres ist für mich zumindest neu. Das bedeutet, dass ich wahrscheinlich nicht unbedingt die Fragen stellen werde, mit denen ich Polit-Twitter oder andere Journalistinnen und Journalisten beeindrucke. Da geht’s dann vielleicht nicht um die dritte Ableitung der fünften Frage, sondern darum, die offensichtlichen Konfliktlinien zu zeigen. Die Herausforderung besteht darin, in die Breite zu gehen, ohne oberflächlich zu sein.
Viele Politikerinnen und Politiker spulen ihr Programm sehr routiniert ab. Wie kann man die überhaupt noch überraschen?
Indem man sie in Situationen bringt und mit Recherchen konfrontiert, mit denen sie nicht gerechnet haben. Ich bin mir sicher, dass uns das an der einen oder anderen Stelle gelingen wird. Im Übrigen glaube ich, dass die ProSieben-Zuschauerinnen und -Zuschauer erstmal die Menschen kennenlernen wollen, die sich auf die Merkel-Nachfolge bewerben. Daher werden unsere Shows nicht immer, aber oft genug konfrontativ sein. Aber klar, es ist schwer, Antworten zu bekommen, die keine vorgefertigten Worthülsen sind. Kein Kandidat oder Kandidatin will einen Fehler machen.
Ist das auch der Grund dafür, weshalb Armin Laschet gar nicht erst kommt?
(lacht) Zeitlich hätten wir alles möglich gemacht. An uns lag’s nicht. Über alles andere kann ich nur spekulieren.
Es war ein enormer Ritt bisher.
Haben Sie zwischendurch darüber nachgedacht, auch die anderen beiden Sendungen abzublasen, wenn einer nicht kommt?
Es ist absolut schade, dass Laschet nicht kommt. Das nervt und ärgert mich. Aber es stand nie zur Debatte, die anderen Sendungen nicht zu machen, denn wir bieten zwar allen dreien die Bühne, können aber niemanden zur Teilnahme zwingen. Vielleicht ärgert sich Armin Laschet ja nachher, dass er nicht dabei war (lacht).
Eine Sendung mit Armin Laschet hat es bei ProSieben bereits gegeben, die Sie zusammen mit Florida TV produziert und zusammen mit Linda Zervakis moderiert haben. Was war Ihr Eindruck von diesem ersten Lauf?
Es war ja ein echter Coup von ProSieben, das allererste Interview mit Annalena Baerbock nach ihrer Kandidatur zu bekommen. Diese drei Sendungen mit ihr, Laschet und Scholz sind relativ kurzfristig entstanden - und ich fand sie durchaus spannend, auch wenn es auf Twitter vor allem wegen Interviewführung hoch her ging. (lacht) Prinzipiell finde ich es richtig gut, dass die Privatsender derzeit in die Info-Offensive gehen, weil das den Markt belebt. Von diesem Wettbewerb profitieren auch die Öffentlich-Rechtlichen…
… für die Sie ja auch produzieren, so wie kürzlich den Polittalk „Für & Wider“ im ZDF. Haben Sie Unterschiede festgestellt im Vergleich zur Arbeit für die Privaten?
Natürlich hängt der Aufbau einer Sendung auch davon ab, für welche Zielgruppe sie gedacht ist. Das ist es, was mir am meisten Spaß macht - für unterschiedliche Zielgruppen konzeptionell zu denken. Aber wir gehen genauso gewissenhaft an öffentlich-rechtliche und private Formate ran.
Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, dass Sie Ihre Produktionsfirma K2H gegründet haben. Ist es so gekommen, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ich bin froh, den Schritt gegangen zu sein, aber es war ein enorm wilder Ritt bisher. Wir sind im Januar 2020 in unser Büro in Kreuzberg gezogen, also genau zwei Monate, bevor Corona uns alle ins Homeoffice gezwungen hat. Das hatte rückblickend den Vorteil, dass unsere Arbeitsabläufe von Beginn an den neuen Umständen angepasst waren - wir kannten es schließlich nicht anders. Dass wir jetzt im Superwahljahr mit den ProSieben-Kanzlerinterviews, mit „Für & Wider - Die ZDF-Wahlduelle” und mit der „ProSieben-Bundestagswahl-Show“ so viele tolle Projekte umsetzen dürfen, freut uns sehr. Aber es gab natürlich auch den einen oder anderen Tag, wo wir mächtig Respekt hatten vor dem, was da auf uns zukommt, schließlich machen wir vieles zum allerersten Mal.
Inwiefern hilft da die Anbindung an die Florida TV?
Das hilft sehr, weil die Kolleginnen und Kollegen der Florida wichtige Impulsgeber für uns sind. Die Frage für uns war: Was lässt sich von dem, was die Florida im Bereich Entertainment perfektioniert hat, also etwa hinsichtlich „Look and Feel“ oder Storytelling, für journalistisches Erzählen lernen? Eine große Studioproduktion wie die „ProSieben-Bundestagswahl-Show“ produzieren wir zwar komplett alleine, aber natürlich fragen wir um Rat. Im Gegenzug werden wir hier und da auch von ihnen um unsere Einschätzung gefragt, wenn die Florida journalistischere Dinge macht. Oder denken Sie an „Cui Bono“, den Podcast über Ken Jebsen, den wir zusammen mit Studio Bummens, an der die Florida beteiligt ist, entwickelt und umgesetzt haben. Da funktionierte die Verbindung perfekt, weil es uns gelungen ist, mit starker journalistischer Recherche ein großes Mainstream-Publikum zu erreichen.
Nun sind die „ProSieben-Bundestagswahl-Show“ oder „Für & Wider“ allesamt Formate, die zeitlich begrenzt sind. Wäre es nicht das nächste Ziel, eine regelmäßige politische Sendung zu etablieren?
Dass ich Polittalks auch abseits der Bundestagswahl spannend finde, ist kein Geheimnis - und dass es für eine Produktionsfirma wichtig ist, regelmäßige Formate zu haben, ist auch klar. Da wird auch sicher etwas kommen. Oberste Priorität haben in den nächsten Tagen aber erstmal die ProSieben-Bundestagswahl-Shows. Darüber hinaus arbeiten wir an einem Format, das noch in diesem Jahr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf einem ähnlich prominenten Sendeplatz laufen wird und in dem ich in einer ganz anderen Rolle zu sehen sein werde.
Herr Klamroth, vielen Dank für das Gespräch.
"Die ProSieben-Bundestagswahl-Show", mittwochs um 20:15 Uhr, ProSieben