Herr Horta, es ist elf Monate her, dass die Übernahme von Tele 5 durch Discovery bekannt wurde. Danach äußerte sich Discovery lange nicht. Warum sprechen wir erst jetzt?

Wir haben den Kauf im September abgeschlossen und dann im vierten Quartal zunächst Restrukturierungsmaßnahmen kommuniziert und durchgeführt. In dieser Zeit haben wir intern statt extern gesprochen und uns intensiv mit der Betrachtung des Senders, der Post-Akquisition-Review, beschäftigt. Wir haben als Team alles genau angeschaut, diskutiert und dabei überlegt, wie wir Tele 5 weiterentwickeln können, was wir nicht mehr wollen und was wir neugestalten möchten. Heißt: Wir haben die letzten Monate nicht geschlafen – ganz im Gegenteil.

 

Dabei steht seit Monaten die große Frage im Raum: Was will der weltgrößte Anbieter von Factual-TV mit einem Sender, der viel im Programm hat, nur kein Factual?

Das Stichwort lautet hier Portfolio: Tele 5 mit seiner sehr klaren Positionierung ergänzt hervorragend das Discovery-Portfolio. Über Cross-Promotion innerhalb unserer Sendergruppe und der Vermarktung aus einer Hand schaffen wir einen wichtigen Hebel, der Wachstum für Tele 5 verspricht. Tele 5 war immer ein Einzelkämpfer, lange bei der Tele München Gruppe, dann bei Leonine. Discovery mit seiner TV-Expertise und einer etablierten Senderfamilie ist der schlüssige Weg für den Sender.

Sie sprechen von Wachstum. Dazu muss sich ja irgendetwas tun. Was haben Sie vor mit Tele 5?

Wir haben an vielen Veränderungen gearbeitet, so z.B. im B2B-Bereich. Ein großer Move war für uns die Umstellung der Vermarktung: Wir haben binnen weniger Tage den Sender aus der Einzelvermarktung in die Portfolio-Vermarktung gehoben. Gleiches gilt auch für den Distributionsbereich. Auch inhaltlich haben wir einige Veränderungen angestoßen – wir haben viel mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten über "SchleFaz" gesprochen und wollen dieses tolle und im deutschen Fernsehen einzigartige Format behutsam weiterentwickeln. Demnächst steht die 125. Folge an, zum Jubiläum haben wir uns ein Special ausgedacht, das sicherlich nicht nur die Fans begeistern wird. Darüber hinaus haben wir Gespräche über neue Ideen geführt – und sind auch mit neuen Talenten in Diskussionen. Besondere Eigenproduktionen werden ein Fundament von Tele 5 bleiben. 

Wichtigste Frage für viele Fans: „SchleFaZ“ wird also weiter fortgeführt?

Wir haben jetzt zwei weitere Staffeln geplant und freuen uns auf die 125. Folge. Was Oli und Peter da machen, das sieht man u.a. auf Twitter, das ist wirklich Lagerfeuer par excellence. Das schaffen wenige andere Formate und das ist auch ein Beleg für die Kraft des linearen Fernsehens. Es entstehen gerade Ideen, wie es 2022 mit "SchleFaZ" weitergeht. Unabhängig davon sind wir aber auch an komplett neuen Projekten dran.

Der Sender wurde jahrelang sehr persönlich geführt von Kai Blasberg - und dann kam mit Discovery ein Konzern, dessen Umgang mit Tele 5 nach der Übernahme Schlagzeilen gemacht hat...

Die Übernahme ereignete sich während der Covid-Krise. Bei solchen Übernahmen geht es um einen großen Change-Prozess mit Menschen, die sich teilweise immer noch nicht live, sondern nur digital gesehen haben. Ideale Voraussetzungen sehen anders aus. Das ist für alle Beteiligten sehr fordernd. Das persönliche Kennenlernen und die Gespräche, die man auf dem Flur oder mal beim Mittagessen nebenbei führt, bei denen man Vertrauen aufbaut, das musste alles über Videocalls stattfinden. Alle Reaktionen in solchen Veränderungsprozessen – ob intern oder extern - waren daher verständlich. Extrem wichtig war und ist es mir, nicht über die Menschen zu sprechen, sondern mit ihnen. Deswegen habe ich mich auch erst um die Teams gekümmert und mich extern zurückgehalten.

"Ein gutes Team ist vielfältiger und schlagkräftiger als jede Einzelperson."

Kann Discovery den Erfolgsfaktor der Unabhängigkeit bzw. des „Anders ist besser“ weiter gewährleisten?

Tele 5 soll und darf anders bleiben. Bei Tele 5 arbeiten ausgewiesene Profis, die viele Jahre Erfahrung mit dem speziellen Content und der gut positionierten Marke haben. Für mich zählt daher jede einzelne Idee. Wir haben viele digitale Workshops abgehalten und ich war wirklich überrascht, welche Fülle an Ideen und welche Dynamik dabei zusammenkamen. Ein gutes Team ist vielfältiger und schlagkräftiger als jede Einzelperson. Wir haben auch mit Partnern und Talents gesprochen - letztlich haben wir alle Elemente angeschaut und den Dreiklang gesucht. Was geht nicht weiter? Was bleibt und wird weiterentwickelt? Was kommt neu? 

Mit welchen Ergebnissen?

Die DNA des Senders bleibt Fiction. Wir sind die erste Adresse für Filme, Serien und SciFi im deutschen FreeTV. Tele 5 kommt auf 1.200 Spielfilm-Ausstrahlungen und 1.300 Serien-Episoden pro Jahr, das ist unser großer USP. Wir haben im Markenkern festgelegt, dass unser Leitmotiv 'Fiction im Blut' ist. Daran werden wir arbeiten, egal ob bei der Planung, Akquisition oder den Eigenproduktionen. Dazu kommt eine sinnvolle Anreicherung mit Factual-Formaten, die wir akzentuiert platzieren wollen, wo sie Sinn machen. Geplant sind Ergänzungen zu unseren Thementagen – wie zum Beispiel „Katastrophen“ und „Action“. Zu vielen Themenbereichen gibt es von Discovery passendes Factual Entertainment, das wir teilweise auch noch nicht bei DMAX, TLC oder HGTV ausgewertet haben. Ein erstes Beispiel für eine Ergänzung von Fiction mit Factual ist der Themenabend rund um „Verrückt nach Tornados“.  Im Juli fahren wir dann bei der „Shark Week“ Tandem mit dem Discovery Channel und zeigen Hai-Dokus im Umfeld passender Filme wie „Der weiße Hai 3“. Das Schöne an Tele 5 ist, dass es eine extrem positiv aufgeladene Marke ist, die gleichzeitig dehnbar ist. Dank seiner Positionierung darf sich Tele 5 sehr viele Dinge erlauben – diese Freiheit werden wir natürlich nutzen. Wir wollen das kreative Andere, Verrückte beibehalten. Das wird sich auch in der Kommunikation nach außen zeigen.

Was wird sich da ändern?

Es wird im September/Oktober ein Re-Design geben. Der Sender bekommt eine andere Verpackung, er wird aber weiter Tele 5 heißen. Wir haben einen starken Vorabend und tolle Themenabende. Das wirft Fragen auf wie: Wie verbinden wir beides, was kann man für den Audience Flow tun? Das werden wir genauer analysieren. Ein anderes großes Thema ist das der Identität. Tele 5 soll und darf seine Identität behalten – das wollen wir in der Kommunikation beibehalten, aber auch neu interpretieren und aufladen. Nutzen wollen wir in jedem Fall die Kraft der Reichweiten von Discovery, eben u.a. durch Cross-Promotion.

Was wird aus 5Flix?

Mit 5Flix wurde damals ein sinnvoller Weg gefunden, den Content als „Einzelkämpfer-Sender“ digital zu verwerten. Gerade laufen noch Dienstleistungsverträge, aber wir werden für diese Inhalte künftig eine Discovery-Plattform verwenden. Ob das 5flix oder Tele5.de heißen wird, müssen wir uns noch anschauen. 

Welche Rolle spielte beim Erwerb des Senders die Tatsache, dass Discovery mit der Übernahme von Tele 5 auf der Vermarktungsseite gegenüber El Cartel Media als Nr. 3 im Markt an Größe gewinnt?

Größe – auch in Form des kumulierten Tagesmarktanteils einer Sendergruppe - spielt bei der Vermarktung sicherlich eine wichtige Rolle. Bedeutend ist aber auch, dass eine komplett neue und sehr stimmige Zielgruppe zum Discovery-Portfolio hinzugekommen ist und wir unser Factual-Angebot nun mit einem spannenden Fiction-Angebot abrunden können. Neben Größe geht es bei der Bedeutung einer Vermarktungseinheit auch immer um das Qualitative, um Zuverlässigkeit und Vertrauen. Und hier sind die Vermarktungskollegen von Discovery in den Rankings immer ganz oben, was Leistung und Service angeht.

Wie kann Tele 5 denn nun wachsen?

Wir haben einen Tele 5 Pitch-Day ausgerufen und möchten auf diesem Wege alle Kreativen und Produzent:innen einladen, sich daran zu beteiligen. Leider wird auch das vermutlich noch digital stattfinden. Es gibt auch inhouse bereits gute Ideen, aber “Unser Tele 5“ soll ein offener Wettbewerb der Ideen werden. Konkret suchen wir nach neuen Eigenproduktionen für 2022.

"Wir malen ihn morgen nicht rot an und machen nur noch Factual."

Der bisherige Geschäftsführer Kai Blasberg kommentierte das Geschehen bei Tele 5 nach seinem Ausscheiden ausführlich. Wie gehen Sie damit um?

Ich blende das aus, auch weil die Freude, an dem was wir tun und vorhaben, so groß ist. Ich bin ein großer Freund von Neuem und Aufbruch, das bewegt mich viel mehr als Nostalgie. Dennoch gehen wir behutsam mit dem Sender um. Wir malen ihn morgen nicht rot an und machen nur noch Factual. Wir wollen unsere Zielgruppen mitnehmen.



Stichwort Mitnehmen: Packt Tele 5 seine Sachen und zieht zu Discovery in die Münchener Innenstadt?

Grünwald ist ein charmanter Arbeitsort. Das morgendliche Fahren aufs Bavaria-Gelände hat etwas (lacht). Wir bleiben also hier. Zum 30. Juni werden wir die TM-TV GmbH verschmelzen mit Discovery Communications. Ab 1. Juli sind wir dann ein Unternehmen mit zwei Standorten. Das Thema New-Work wird ohnehin ein fundamental neues Arbeiten mit sich bringen, ob zuhause oder im Büro. Ich bin ein Fan von dem hybriden Arbeiten,  gleichzeitig müssen wir alle miteinander sehen, wie genau das in der neuen Realität funktionieren kann.

Sie haben kaum Tele 5 in Discovery Communications integriert, da macht die Fusion von WarnerMedia und Discovery in den USA bzw. International Schlagzeilen…

Der Markt verändert sich immer schneller, umso besser ist es mit Tele 5 als Gruppe noch breiter aufgestellt zu sein. Wenn ich an 2006 zurückdenke, da waren wir mit dem gerade gestarteten DMAX ja ein Newcomer. Heute haben wir fünf Free-to-Air-Sender, fünf Prozent Marktanteil, dazu das Pay-TV-Portfolio und mit Joyn einen Streamingdienst. Die angekündigte Fusion von WarnerMedia und Discovery wird sicherlich ein weiterer, neuer Meilenstein sein. 

Herr Horta, herzlichen Dank für das Gespräch.