Herr Morgenbesser, ServusTV hat in den vergangenen Jahren massiv in Sportrechte investiert, vor allem in Österreich. Neben der MotoGP haben Sie in Deutschland zuletzt aber auch einige Tennis-Rechte, etwa die French Open, erworben. Greifen Sie jetzt auch hierzulande groß an?
David Morgenbesser: "Angreifen" würde ich das nicht nennen. In Österreich hatten und haben wir ein stabiles und konstantes Wachstum, im letzten Jahr waren wir der am stärksten wachsende TV Sender und erstmals auch Nummer 1 unter den Privatsendern. Es war der strategisch nächste Schritt, in Sportrechte zu investieren. Einfach, um künftig eine noch breitere Zielgruppe zu erreichen. In Deutschland ist Sport ebenso ein wichtiger Faktor und deshalb ist es für uns auch hier ein nächster Schritt.
Könnten Sie das etwas genauer erklären? Was will ServusTV?
Wir schauen immer, was Sinn für den Sender macht. Dabei haben wir auch immer das große Ganze im Blick, ServusTV ist ja ein Vollprogramm. Und zum jetzigen Zeitpunkt sind die Investments in Deutschland bedarfsgerecht. Da haben wir jetzt Tennis identifiziert, weil das einerseits zu uns passt und andererseits Tennis aus unserer Sicht im deutschen Free-TV bislang unterrepräsentiert ist. Mit den jüngst erworbenen Rechten an den Hamburg EuropeanOpen, MercedesCup Stuttgart, bett1open Berlin oder Roland Garros wird sich das ändern. Wenn wir Chancen sehen, ergreifen wir sie konsequent. In Österreich haben wir mit Dominic Thiem einen tollen Spieler, der uns hohe Quoten beschert. Und in Deutschland haben wir einen solchen Spieler mit Alexander Zverev auch. Da sehen wir ein großes Potenzial.
Wie geht es weiter für ServusTV im Sportbereich? Sind weitere Rechte geplant?
Wir evaluieren laufend den Markt. Aber wir kaufen nicht für Unsummen Sportrechte ein, sondern wir schauen sehr genau, was in unser Gesamtkonzept passt. Wir sind auch realistisch, eine Super League etwa hätten wir nicht gekauft. Das wäre für uns kein natürliches und gesundes Wachstum. Als Vollprogramm wollen wir nachhaltiges Wachstum. So haben wir es in Österreich gemacht und eine ähnliche Richtung schlagen wir jetzt in Deutschland ein, nur in kleineren Schritten.
"Tennis ist aus unserer Sicht im deutschen Free-TV bislang unterrepräsentiert."
In Deutschland ist ServusTV zuletzt aber nicht ansatzweise so stark gewachsen wie in Österreich.
Österreich ist der Kernmarkt, da kommt ServusTV her. Und dennoch haben wir den Anspruch, in der Alpenregion möglichst viele Menschen zu erreichen. Wir glauben, dass wir mit unserem Produktportfolio, gerade im Bereich der Eigenproduktionen, ein breites Publikum abholen. An den Zahlen sehen wir, dass wir wachsen. Nur eben nicht so schnell wie in Österreich. Wir versuchen, kleine Schritte nach oben zu machen. Der deutsche Markt ist hart umkämpft. Mit Sportrechten wollen wir vor allem neue Zielgruppen erschließen.
Die French Open zeigt ServusTV parallel zu Eurosport, das ein Großteil der Spiele ja ebenfalls im Free-TV überträgt. Welche Chancen rechnen Sie sich da aus?
Wir erwarten uns gute Quoten. In Österreich hatten wir mit den Australian- und den US Open das gleiche Konzept. Auch da überträgt Eurosport alle Spiele und wir zeigen immer ein Match pro Tag, das hat bislang sehr gut funktioniert. Von daher erwarten wir uns, besonders bei Alexander Zverev und anderen deutschen Spielern, einen guten Marktanteil. Für uns ist Roland-Garros ein wichtiges Recht. Dass wir es geschafft haben, ein Grand-Slam-Turnier auf einem Sender mit 0,4 Prozent Marktanteil, wobei Eurosport in derselben Liga spielt, zu zeigen, ist ein guter und wichtiger Schritt.
Anders als beim ATP Cup Anfang des Jahres werden Sie bei den French Open vort Ort sein.
In Paris vor Ort sind unsere Moderatorinnen Antonia Wisgickl und Nicole Oberlechner. Kommentiert wird das Turnier aus dem Hangar-7 von Christian Nehiba und dem ehemaligen deutschen Tennisspieler und heutigem -trainer Christopher Kas. Beim ATP Cup Anfang des Jahres war es leider nicht möglich, aus Melbourne zu berichten. Dort hatten wir wegen Corona keinen Zugang zur Anlage. Aber auch dort waren wir mit einem Team vor Ort, weil wir darauf spekuliert haben, dass die australische Regierung es doch zulässt. Deshalb haben wir sie auf Abruf ins Land geschickt, weil wir jede Chance nutzen wollten.
Die French Open sind noch einmal um eine Woche nach hinten verschoben worden. Sind die Veranstalter Ihnen damit in die Parade gefahren? Jetzt überlappt sich das mit dem MercedesCup, den Sie auch zeigen.
Nein, "in die Parade fahren" kann man in Corona-Zeiten nicht sagen. Dass Sportveranstaltungen überhaupt stattfinden, ist sehr wichtig. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, Zuschauer bei den French Open zuzulassen, und es gerade diese eine Woche ist, die den Unterschied macht, ist es doch toll für uns alle. Wir versuchen, jetzt das beste Produkt zu machen. Vielleicht ist es für uns auch gerade gut, dass während den French Open auch der MercedesCup stattfindet. Dadurch können wir unseren Zuschauern den ganzen Tag über Tennis-Übertragungen anbieten.
"Eine Super League hätten wir nicht gekauft. Das wäre für uns kein natürliches und gesundes Wachstum."
Worin unterscheidet sich der Sportrechte-Markt in Deutschland und Österreich eigentlich?
In Deutschland gibt es Fußball und dann ganz lange nichts - und dann kommt nochmal Fußball. In Österreich ist das Interesse viel breiter gestreut. Da gibt es den Wintersport mit Ski Alpin und Skispringen, dann gibt es aber auch Motorsport, Fußball, Eishockey und Tennis. In Österreich gibt es in jeder Sportart Idole und Helden, die herausgehoben werden. Der österreichische Sport hat viel mehr Anlaufpunkte in der Konsumation, sei es am Wochenende oder unter der Woche. Das sieht man übrigens auch bei der Formel 1: Die Quoten, die der ORF über die letzten Jahre hinweg hatte, sind stabil geblieben. Anders als in Deutschland, wo es sehr volatil war.
Wenn in Deutschland der Fußball alles überstrahlt, macht es das für ServusTV Deutschland nicht einfacher, oder?
Wir schauen, dass wir zielgruppenspezifisch und marktanteilsgerecht Produkte kaufen. Und wir sind der festen Überzeugung, dass Tennis ein großer Markt ist. Es gibt 1,4 Millionen aktive Tennis-Spieler in Deutschland und wenn die alle Übertragungen von uns schauen, ist unser Marktanteil sicherlich in Ordnung (lacht).Wir sind da realistisch und schauen, dass wir unser Portfolio Stück für Stück erweitern und unsere Quoten steigern. Wir haben übrigens schon heute Fußball im Programm und zeigen einige Freundschaftsspiele von Top-Klubs. Wir beschäftigen uns also bereits mit dem Thema.
Welche Sportarten könnten perspektivisch noch interessant sein für ServusTV?
Grundsätzlich haben wir drei Themenblöcke, die wir im Sport bearbeiten. Das ist Motorsport, Fußball und Tennis. Unser Kernrecht ist die MotoGP. Das ist eine tolle Sportart und im letzten Jahr waren wir bei zwei Rennen gleichauf mit der DTM in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Darüber hinaus ist jetzt Tennis bei uns dran. Wir wollen Tennis in Deutschland weiterentwickeln und unseren Qualitätsanspruch durchsetzen. Daneben gibt es ein paar kleinere Rechte, gerade haben wir zum Beispiel die Sail GP gekauft. Das Segeln ist ein spitzer Markt, den wir breit auf unserer digitalen Sport-Plattform interpretieren wollen.
In Österreich zeigt ServusTV bald Champions und Europa League, gerade erst haben Sie sich die Rechte an den Fußball-Europameisterschaften 2024 und 2028 gesichert. Hinzu kommen Tennis, Formel 1 und diverse andere Rechte. Können Sie das große Ganze hinter diesen Investitionen erklären? Es gibt wohl keinen anderen Sender in Europa, der ein solches Angebot im Free TV hat.
Jeder denkt, dass ein neuer Player alles über Geld regelt. Das ist nicht so, wir überbezahlen keine Rechte. Wir geben umfangreiche Konzepte ab und erklären den Rechtehaltern, was wir damit machen wollen. Wir kaufen nicht nur ein Recht und senden es lieblos und ohne inhaltliche Kompetenz ab. Wir aktivieren es für den Inhaber in dem jeweiligen Territorium. Wir nehmen ihn komplett mit bei seinen Werbemaßnahmen und unterstützen dabei auch sein Wachstum. Wenn wir wachsen, wächst der Rechteinhaber. Das ist ein wichtiges Konzept und damit haben wir als junger Sender die UEFA mit der Champions, Europa und Conference League überzeugt.
"In Deutschland gibt es Fußball und dann ganz lange nichts - und dann kommt nochmal Fußball."
Und wie sieht’s mit der Refinanzierung aus? Muss der Sender das Geld reinholen oder macht am Ende Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz die Taschen auf? Das ist ja das naheliegende.
Wäre naheliegend, ist aber nicht so. Bei uns steht immer das Produkt im Vordergrund. Und wenn das funktioniert, sind wir davon überzeugt, dass der Marktanteil steigt. Dadurch schaffen wir Anreize für die werbende Wirtschaft, um bei uns zu investieren. Das ist ein Wertschöpfungskreislauf, den wir starten. Wir sind der festen Überzeugung, dass das so funktioniert.
Also soll sich jedes Recht über die Ausstrahlung selbst refinanzieren?
Eine Refinanzierung gibt es nicht nur rein über Geld. Es kommt auch darauf an, was es für die Marke tut, wie sich die Marktanteile dadurch verändern und wie sich die gesamte Erlössituation durch ein solches Recht ändert, etwa weil man mit gestiegenen Quoten an neue Töpfe herankommt. Gerade in Deutschland ist das wichtig.
Und wie sieht das große Ganze bei ServusTV Österreich nun aus?
Grundsätzlich schauen wir uns alle Rechte an, die im Markt sind. Was aber wichtig ist: Wir sind ein Vollprogramm und wir schauen uns an, wo bestimmte Inhalte reinpassen. Natürlich mussten wir dabei prüfen, ob eine Europameisterschaft, die im Sommer über vier Wochen hinweg stattfindet, überhaupt bei uns ins Programm passt. Ebenso bei der Champions und Europa League am Mittwoch und Donnerstag. Auch bei der Formel 1 ist es so gewesen. Es gab ja einen Grund, weshalb der ORF bei der Formel 1 eine Sublizenz von uns erhalten hat. Einfach auch weil wir andere starke Produkte am Wochenende haben. Eine pauschale Aussage, welche Rechte wir noch kaufen werden oder auch nicht, kann man nicht treffen. Es kommt immer darauf an, ob ein Produkt für den Sender Sinn macht.
Was war bislang für Sie das Recht, das am schwierigsten zu verhandeln war und warum?
Das war die Champions League. Als ich Ende 2019 bei ServusTV angefangen habe, war die Ausschreibung schon im Markt. Daher hatten wir wenig Zeit, die Kollegen der UEFA von unserem Ansatz zu überzeugen. Das war sehr aufregend, letztlich ist es uns da auch zugutegekommen, dass wir vorher zehn Jahre lang Eishockey als Host-Broadcaster übertragen haben. Oder dass wir den DFB-Pokal, die MotoGP und den Wings for Life Run qualitativ hochwertig umgesetzt haben. Solche Rechte haben gezeigt, wie gut wir arbeiten und wie viel Herzblut und Leidenschaft in unserer Redaktion steckt.
Herr Morgenbesser, vielen Dank für das Gespräch!