Wie kann man die Podcast-Szene im Jahr 2021 treffend umschreiben. Als bunt? Unübersichtlich? Ausufernd?
Konstantin Seidenstücker: Vermutlich haben wir drei da eine unterschiedliche Perspektive drauf. Als Produzent empfinde ich die Szene als bunt und sehr vielfältig. Das Angebot steigt derzeit enorm an, es gibt immer mehr Neueinsteiger*innen. So bekommen wir also immer mehr Formate in immer mehr Genres. True-Crime-Podcasts oder die klassischen Laber-Podcasts kennen wir ja, jetzt tut sich aber auch mehr im Bereich Show oder Gameshow.
Tommi Schmitt: Wir sind an einem Punkt, an dem einfach sehr viele Podcasts entstehen, deshalb mag es schwierig sein, sie wirklich sichtbar zu machen. Ich finde es dennoch toll, dass so viel Neues entsteht. Denn für Podcasts gilt ja weiterhin: Kauf' dir für 50 Euro ein gutes Mikro und leg' einfach los. Das macht die Faszination aus.
Ist das heute wirklich noch so einfach? Kann ein Otto-Normal-Bürger, der über sein Lieblingsthema spricht noch so durchstarten? Oder findet da nicht eher ein Verdrängungsprozess statt, den es auch wegen der immer größeren Namen in der Podcastlandschaft gibt?
Tommi Schmitt: Ich habe 2017 zusammen mit Felix Lobrecht angefangen. Damals kannten uns nicht besonders viele Menschen. Felix hatte zwar ein paar Instagram-Follower*innen und war hier und da bereits auf Bühnen zu sehen, mich kannte aber niemand. Podcasts machen es total möglich, dass es trotzdem funktioniert. Ich denke, dass auch heute gilt, dass große Namen in einem Podcast kein Erfolgsgarant sind. Es muss einfach ein guter Podcast sein.
Gregor Ryl: Was heute definitiv gilt: Es fließt viel mehr Hirnschmalz in die Konzepte als früher. Sich einfach hinzusetzen und irgendwas zu machen, funktioniert nicht.
Konstantin Seidenstücker: Es kann aber immer wieder passieren, dass man von Shows hört, die es schon seit drei oder vier Jahren gibt. Shows, die sich Stück für Stück ihre Fanbase erarbeitet haben. Die sich stetig weiterentwickelt haben. Ein guter Podcast braucht Zeit. Die wenigsten schaffen es wirklich von null auf 100.
Sie machen jetzt einen neuen Podcast über Podcasts: "Podcasts - der Podcast" ist ab sofort bei Spotify verfügbar. Es ist eine Art "Binge Reloaded" der Podcast-Welt. Wie schwer ist das zu produzieren? Fernsehparodien können sich neben Inhalt und Stimme noch auf Maske und Bild fokussieren, diese Möglichkeiten haben Sie in Ihrer Audio-Welt nicht.
Konstantin Seidenstücker: Tatsächlich habe ich mit Tommi und Gregor sehr oft über genau das gesprochen. Wird das wirklich klappen? Sicher war: Es wird schwer. Am Ende kann ich aber sagen, dass es nicht so schwer war, wie wir dachten. Wir haben mit ganz tollen Sprecher*innen gearbeitet, etwa Nagmeh Alaei, Marti Fischer, Katjana Gerz, Charlotte Hübsch, Sara Kelly-Husain, Christian Schiffer, Maximilian Schmitt und Jan van Weyde. Sogar Tommi selbst hatte Sprecherrollen. Wir konnten auf ganz starke Texte unserer Autor*innen setzen. Wenn ich diese Texte gelesen habe, dann hatte ich oft schon den fertigen Podcast im Ohr – ein gutes Zeichen. Das ist die halbe Miete.
"Wir haben in der Postproduktion teilweise das gemacht, was im Fernsehen die Maske bewerkstelligt." Konstantin Seidenstücker
Wo haben Sie dann angesetzt, als Sie sich ans Werk gemacht haben?
Konstantin Seidenstücker: Denken Sie an Olli Schulz. Er sagt ja immer, er nimmt seinen Podcast in seinem Schloss auf. Das klingt dann anders als wenn man das im Studio macht. Wir haben also versucht, auch so etwas akustisch zu berücksichtigen. Man kann sagen, wir haben in der Postproduktion teilweise das gemacht, was im Fernsehen die Maske bewerkstelligt.
Gregor Ryl: Die Bild-Ebene fehlt natürlich. Wenn wir bei Ihrem Beispiel "Binge Reloaded" bleiben, dann kann es sein, dass der Humor auch bei den Zuschauer*innen ankommt, die die parodierte Sendung gar nicht kennen. Das ist bei uns anders: Wer die Originale nicht kennt, der wird vermutlich nicht so laut lachen können. Wir orientieren uns an bestimmten Redewendungen und an feinen akustischen Besonderheiten, also am Lachen der Protagonist*innen, am Atmen, vielleicht an einem falsch ausgesprochenen S.
Wie böse wird es?
Tommi Schmitt: Wir wollen da wirklich niemanden in die Pfanne hauen. Es werden liebevolle Persiflagen, niemand kommt schlecht weg. Ich hoffe und denke, dass man dem fertigen Produkt unsere große Liebe zum Detail anhört.
Konstantin Seidenstücker: Wir werden mit "Podcasts – der Podcast" unsere große Wertschätzung vor der gesamten Branche zum Ausdruck bringen. Das ist ein bisschen wie die Rede auf dem 60. Geburtstag von Papa. Die tut an manchen Stellen bestimmt auch mal weh. Aber sie wird nur dann so prima bissig, wenn man Papa von ganzem Herzen liebt.
Gab es bei Ihnen einen besonders prägenden Podcast-Moment? Eine ganz tiefe und innige Verbindung zu einem Protagonisten oder zu speziellen Folgen?
Tommi Schmitt: Das "Coronavirus-Update" mit Christian Drosten hat schon eine echte Lagerfeueratmosphäre erzeugt. Das ist zumindest allen in der Medienbubble so ergangen. Das war eine Art Blaupause für unser aller Coronawissen. Schön war auch zu sehen, wie "Zeit Verbrechen" eine Nische neu besetzt hat – anders an das Thema heranging. Es hat mich gefreut, als plötzlich alle Matze Hielscher und seine einstündigen Promi-Interviews gehört haben. Ich bin begeistert von den vielen Geschichten, die in "Baywatch Berlin" erzählt werden. Das ist wie ein zuvor nicht angezapfter Brunnen.
Vorhin fiel der Satz, dass großer Name nicht gleich großer Podcast ist. Was macht die Kroos-Brüder, Klaas oder meinetwegen auch die ebenfalls für Studio Bummens arbeitende Linda Zervakis dann doch zu großen Podcast-Hosts?
Konstantin Seidenstücker: Man merkt ihnen einfach an, dass sie ihr Handwerk verstehen. In allen Formaten werden Geschichten gut und spannend erzählt. Die Formate schaffen es, auf hohem Niveau zu sein und dieses auch zu halten. Dennoch gelingt es, dass es eine gesunde Co-Existenz gibt zwischen den "Promi-Podcasts" und Independent-Podcasts. Der Markt gibt das einfach her und ich glaube auch, dass Promi-Podcasts zusätzlich Menschen an dieses Medium heranführen, die dann als Neu-Einsteiger*innen wiederum auch in den Independent-Bereich reinhören.
Wie viele Menschen, ob Influencer oder gänzlich unbekannt, kommen nun zu Ihnen mit dem Ziel, dadurch berühmt zu werden?
Tommi Schmitt: Anders herum: Ich bekomme unfassbar viele Einladungen, irgendwo als Gast aufzutreten. Und ich frage mich dann immer, ob die Leute mich wirklich mögen? (lacht)
Konstantin Seidenstücker: Die Idee zu einer Show steht immer an erster Stelle, aber natürlich haben wir, unter anderem mit Hilfe unserer Mitgesellschafter von der Florida Entertainment oder Seidenstücker Management, ein gutes Netzwerk aufgebaut. Diese Ressourcen nutzen wir.
Die Kroos-Brüder machen bei Studio Bummens den "Einfach mal luppen"-Podcast. Wie schwer ist es, mit einem mehrfachen Champions-League-Sieger und Weltmeister zusammenzuarbeiten?
Konstantin Seidenstücker: Natürlich gestaltet sich die Terminfindung mit einem Profisportler teilweise schwieriger. Die Produktion jederzeit möglich zu machen, ist aber auch Teil unseres Jobs. Dennoch: Toni und Felix Kroos nehmen sich diese Zeit für den Podcast zwischen Training und Spiel, weil es ein Herzensprojekt von ihnen ist. Und das hört man auch.
Fällt Ihnen Kritik als Produzent in solchen Fällen genauso leicht wie bei anderen Formaten?
Konstantin Seidenstücker: Manöverkritik muss immer sein.
Anders als im Fernsehen, wo schlechte Filme den guten vielleicht den Platz wegnehmen, nimmt in der Podcastwelt niemand Schaden von einem schlechten Format. Tommi Schmitt
Ärgern Sie sich über schlechte Podcasts?
Tommi Schmitt: Podcasts sind ja ein On-Demand-Medium. Anders als im Fernsehen, wo schlechte Filme den guten vielleicht den Platz wegnehmen, nimmt in der Podcastwelt niemand Schaden von einem schlechten Format. Nach Podcasts wird ja aktiv gesucht. Was interessiert es mich also, wenn es unter 500 Podcasts auch schlechte gibt?
Konstantin Seidenstücker: Was aber auffallend ist: Der Anspruch an die Qualität eines Podcasts hat sich sehr verändert. Das haben wir vor allem in der Vorbereitung gemerkt, wenn man einen guten Podcast hört und sich dann mal Folgen aus der Anfangszeit reinzieht – etwa von vor vier Jahren.
Gregor Ryl: …(lacht) damals, als man noch einfach über's Intro gequatscht hat…
Tommi Schmitt: Letztlich zeigt diese Entwicklung aber auch, dass Podcasts wirklich im Mainstream angekommen sind.
"Podcasts – der Podcast" ist ein Spotify Original. Wie reibungslos lief die Zusammenarbeit mit dem Konzern?
Gregor Ryl: Ich habe ja die Texte dazu geschrieben und darauf natürlich auch Feedback bekommen. Durch die Bank war es eigentlich so, dass die Anmerkungen, die zurückkamen, die Texte besser gemacht haben. Das komplette Feedback, dass uns Spotify gegeben hat, war eine gute Spiegelung unserer Beobachtungen. Darüber hinaus hatte ich größte Freiheit. Es war ein sehr entspanntes Arbeiten.
Konstantin Seidenstücker: Die Zusammenarbeit verlief wirklich sehr offen. Tommi war mit der grundsätzlichen Idee zu mir gekommen, wir haben dann Spotify gefragt. Im ganzen Prozess gab es eine Stimmung, dass wir etwas kreieren, das es so noch nicht gibt. Ich bin dankbar, dass wir mit Spotify die Chance haben, diese liebevolle Hommage an sehr geschätzte Podcasts umsetzen zu dürfen.
Parodiert wird auch "Fest & Flauschig" von Jan Böhmermann und Olli Schulz. Wie groß ist der Anteil der beiden am Erfolg von Podcasts im Mainstream?
Tommi Schmitt: Ich war schon großer Fan von "Sanft und Sorgfältig" und höre auch "Fest & Flauschig" wirklich gern. Dennoch hätte das Medium Podcast auch ohne die beiden wahrscheinlich seinen Weg beschritten – vielleicht nicht ganz so schnell.
Aber wenn ich Ihnen 2017 gesagt hätte, dass Sie 2021 mit "Gemischtes Hack" eine der bekanntesten Podcast-Shows Deutschlands produzieren und noch dazu eine eigene TV-Show haben, quasi als indirekter Jan Böhmermann-Nachfolger bei ZDFneo, hätten Sie mich doch für bekloppt erklärt.
Tommi Schmitt: Richtig, weil ich gefragt hätte: Warum erst in vier Jahren? (lacht) Im Ernst: Bei mir lief es total verrückt, ich bin vermutlich das Paradebeispiel wie eine Karriere komplett ungeplant verlaufen kann. Ich hatte meinen Autorenjob hinter den Kulissen (u.a. bei "TV Total", "Late Night Berlin", Anm. d. Red), das hat viel Spaß gemacht. Es zeigt aber auch, welche Kraft das Medium Podcast hat und was daraus entstehen kann.
Welche Pläne hat Studio Bummens für die nächsten Monate?
Konstantin Seidenstücker: Wir wollen noch mehr Shows machen, das Publikum mit starken Inhalten, die immer eine Haltung haben, beeindrucken. Zudem werden wir auch erste narrative Podcasts veröffentlichen. Wir wollen mit Studio Bummens an erster Stelle stehen, was innovative Podcast-Formate angeht.
Und was bei Ihnen an, Herr Schmitt?
Tommi Schmitt: Mit "Podcasts – der Podcast" und "Gemischtes Hack" habe ich zwei Formate, eine TV-Show bei ZDFneo, ich schreibe eine 11Freunde-Kolumne, ich plane erstmal nichts Weiteres. Ich muss diese Schiffe alle in den Hafen bringen und bin glücklich dabei.
Vielen Dank für das Gespräch.